Die Kunst als Erzählung. VON JULIA MAURER

Unsere herausragende Künstlerin JULIA MAURER hat sich für die Leser*innen der ZUKUNFT anlässlich unserer Bildstrecke die Mühe gemacht, diese auch in Worten zu erläutern. Lesen Sie bitte und sehen Sie …

Kunst ist eine Art, die Welt zu erzählen, mit der größtmöglichen Freiheit, und insbesondere die Malerei erlaubt eine eigene Definition und Gestaltung des Vokabulars dazu. Für mich selbst ist sie ein Weg, Dinge, die um mich und mit mir geschehen, zu behandeln, und OK zu sein. 

burning the hut, 47 x 55,5cm, Mischtechnik auf Baumwolle, 2022 © Julia Maurer

Und das auf eine Art und Weise, mit der auch andere etwas anfangen können. Es geht darum, dass sie etwas wiedererkennen können, das zu ihnen spricht. So wie die Arbeit im Entstehungsprozess zuerst eine Form von Selbstgespräch ist, dann zu einem Dialog wird und am Ende das fertige Bild nicht mehr viel mit mir zu tun hat. Auch ich selbst möchte zu etwas Neuem gelangen.

the idea of sunrise, 50 x 55cm, Mischtechnik auf Baumwolle, 2022 © Julia Maurer

Grob unterteilen kann man meine Arbeiten in „Innen“ (große Figuren) und „Außen“ (Landschaften), obwohl ich gerade einen Weg suche, die beiden zusammenzubringen oder ineinander stürzen zu lassen. Die Landschaften spiegeln die Natur in ihren Strukturen wieder, in ihnen spielen materielle und formelle Elemente die größere Rolle (obwohl sie auch in den Figurenbildern wichtig sind). Die Menschen in ihnen dienen als Ankerpunkt, obwohl die Hauptthemen für sie wiederum meistens Verschwinden und Auflösung sind.

Julia Maurer © Julia Maurer

Die Figuren behandeln psychologische Aspekte. Die Frage, ob sie männlich oder weiblich sind, wurde das erste Mal im Rahmen meiner Diplomarbeit gestellt. Damals war es mir egal, sie waren absolut neutrale Variablen. Mittlerweile sind fast 20 Jahre vergangen und nach wie vor sind sie für mich in erster Linie androgyne Mischwesen, obwohl sich mein Erfahrungshorizont zu einer weiblichen Perspektive gewandelt hat, beziehungsweise zu einer weiblichen hin verschoben wurde. Doch noch immer denke ich, dass die grundlegende Erfahrung der Welt für alle, egal ob männlich, weiblich oder divers, gleich sein sollte. Sexualität und Gender spielen in meinen Arbeiten also nur eine untergeordnete Rolle – sie tauchen in manchen Bildern als diffuses Begehren auf oder als Unterton in der Frage nach der eigenen körperlichen Existenz und der der anderen. Was Erwartung, Akzeptanz und Anerkennung betrifft, macht es noch immer einen Unterschied, ob man als Mann oder Frau oder anders orientierte Person Kunst macht. Wird es besser? Strukturelle Wandlungen gehen langsam vor sich. Muss man Feministin sein? Ja.

old suns, 55 x 59cm, Mischtechnik auf Baumwolle, 2023 © Julia Maurer

Die Malerei bildet sicherlich das Zentrum und den Kern meiner Arbeit: das langsame Entwickeln eines Bildes (auch Zeit ist eine Zutat), das Auftragen und Abkratzen, -schmirgeln und -waschen von Farbe …und manchmal macht alles erst zum Schluss Sinn. Die Ölpastelle und Collagen gehen schneller und sind nützlich, um neue Themen zu erkunden. Manchmal ist die Malerei aber auch einfach nicht das richtige Medium, um etwas abzubilden. Meine Arbeiten kann man insofern als Versuch einer Reproduktion von Wahrnehmungen, Ideen und Erinnerungen sehen – mitsamt dem Scheitern, das gleich dahinter wartet. Schließlich geht es um die Reproduktion von etwas Schemenhaftem, unscharf Umrissenem und Vagem, von etwas, das reell gar nicht existiert … und die Nuancierung und Variation davon. Und darum, dass man sich darin wiederfindet … in einem guten Zustand.

JULIA MAURER

wurde 1983 in Wien geboren und studierte von 2002 bis 2007 an der Akademie der bildenden Künste in der Klasse für Abstraktion bei Walter Obholzer und Erwin Bohatsch. Der Aufenthalt an der Glasgow School of Art 2005 und die Einladung, einen Winter in Finnland zu verbringen 2020, erwiesen sich als besonders prägend für sie. Weitere Eckpunkte waren der Strabag Art Award Anerkennungspreis 2008 und ein Atelierstipendium in Budapest 2013. Von 2020 bis 2022 hat sie zudem an der Wiener Kunstschule in der Klasse für Malerei & Prozess unterrichtet. Weitere Informationen online unter: www.juliamaurer.at.