Das bisschen Care-Arbeit macht sich nicht von allein! VON KORINNA SCHUMANN

Die ungleiche Verteilung von unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern hat reale Auswirkungen: Sie führt zu einer Lohnlücke, geringerer Produktivität und mangelnder Repräsentation von Frauen in Führungspositionen, sagt KORINNA SCHUMANN, ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende. Und sie zeigt, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit zu fördern.

I. Einleitung

Frauen werden in der Regel wie selbstverständlich als Betreuerinnen von Kindern und älteren Familienmitgliedern angesehen und oft auch als diejenigen, die für den Haushalt verantwortlich sind. Diese Aufgaben sind meist unbezahlt und mit hoher emotionaler und physischer Belastung verbunden. Nicht zuletzt deswegen arbeiten mehr als 50 Prozent der Frauen in Österreich in Teilzeit. Und das wirkt sich direkt auf die Karriere- und Erwerbschancen aus.

II. Die Wurzel des Problems: Ungleiche Aufteilung unbezahlter Arbeit

Care-Arbeit ist unsichtbar und wird nicht als Teil der Wirtschaft betrachtet, obwohl sie die Grundlage für bezahlte Erwerbsarbeit schafft. Kümmert sich etwa die Frau nicht um die Kinder, kann der Mann kaum 60 Stunden in der Woche seine Karriere vorantreiben. Die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit hat große wirtschaftliche Auswirkungen. Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien während der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Frauen 17,5 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche mehr leisten als Männer. Das führt zu einer Lohnlücke zwischen den Geschlechtern und schränkt die Karrieremöglichkeiten von Frauen massiv ein. In Österreich verdienen Frauen im Schnitt bei gleicher Arbeit immer noch 18,8 % weniger als Männer – im EU-Vergleich eine der größten Einkommensscheren.

Eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit kann zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen und die Produktivität erhöhen. Wenn Frauen und Männer die Verantwortung für Care-Arbeit fairer aufteilen, könnten Frauen mehr Stunden arbeiten. Das würde auch zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt führen. Darüber hinaus könnte sich eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit positiv auf den Anteil von Frauen in Führungspositionen auswirken und somit zu einer besseren Repräsentation in der Arbeitswelt beitragen.

Es ist wichtig, unbezahlte Care-Arbeit als Teil der Wirtschaft anzuerkennen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine gerechtere Verteilung zu fördern. Dazu gehören politische Maßnahmen wie etwa die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Dadurch hätten Männer mehr Zeit, wertvolle Stunden mit ihren Kindern zu verbringen, Frauen würden entlastet. Außerdem kann eine breitere gesellschaftliche Wertschätzung für Care-Arbeit dazu führen, dass Frauen und Männer diese Aufgaben gleichermaßen übernehmen und somit zu einer gerechteren und produktiveren Gesellschaft beitragen.

Gleichzeitig muss aber auch bezahlte Care-Arbeit, etwa im Bereich der Kinderbildung, der Reinigung oder der Pflege, besser bewertet werden. Denn warum soll die Arbeit mit Menschen weniger wert sein als etwa die Arbeit an der Maschine? Mit einer Neubewertung der bezahlten Care-Arbeit würde auch die unbezahlte Sorgearbeit an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen.

III. Fehlende Aufstiegsmöglichkeiten: Ein Teufelskreis

Doch selbst wenn eine Frau es schafft, Vollzeit zu arbeiten, werden ihr Karrierechancen oft verwehrt. Ihre Leistungen werden oft nicht anerkannt: Frauen werden oft als weniger qualifiziert und weniger fähig angesehen als Männer. Daher erhalten sie auch weniger anspruchsvolle Aufgaben und weniger Chancen, sich zu beweisen. Weil sie so nicht genug Erfahrung sammeln können, ist es wahrscheinlich, dass sie während ihrer Karriere nicht oft befördert werden.

Das hat auch zur Folge, dass Frauen selten in Führungspositionen kommen und somit auch nur wenig Einfluss auf Entscheidungen haben, die sie betreffen. Das führt zu einem Teufelskreis: Betriebe sind nicht nach den Bedürfnissen von Frauen gestaltet, weil sie nicht in Führungspositionen sind. Und weil das Arbeitsumfeld nicht ihren Bedürfnissen entspricht, ist es weitaus schwieriger, dorthin zu kommen. Mehr Frauen in Führungsposition hieße auch, ausgewogenere Entscheidungen und verbesserte Arbeitsbedingungen.

IV. Gewerkschaftliche Lösungsansätze: Eltern gleichermaßen beteiligen

Um diese Probleme anzugehen, gibt es verschiedene feministische und ökonomische Ansätze. Besonders wichtig ist, dass Arbeitgeber*innen und Regierungen Maßnahmen ergreifen, um die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz zu bekämpfen. Dazu gehören beispielsweise Frauenförderungsplänetransparenten Löhne und GehälterQuotenregelungen in Führungspositionen und die Möglichkeit von Führen in Teilzeit zu schaffen.

Um die Aufteilung von unbezahlter Care-Arbeit gerechter zu gestalten, haben der ÖGB und die Arbeiterkammer ein Familienarbeitszeitmodell entwickelt. Dieses sieht vor, dass beide Eltern etwa gleich viel Zeit für Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit zur Verfügung haben. Jeder Elternteil soll eine 250 Euro-Pauschale pro Monat erhalten, wenn die Arbeitszeit in den ersten vier Jahren des Kindes zwischen 28 und 32 Stunden beträgt. Auch Alleinerziehende sollen diese monatliche Pauschale bekommen. 

Auf diese Weise können Frauen und Männer Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren. Die Karrierechancen der Frauen würden sich verbessern, Männer könnten eine aktivere Rolle in der Familie einnehmen.

Das ÖGB/AK-Familienarbeitszeitmodell hilft aber nicht nur dabei, traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen, sondern ist auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll: Wenn Frauen und Männer gleichermaßen am Erwerbsleben teilnehmen, verringert sich auch das Einkommensgefälle.

Korinna Schumann © Mirjam Reither

V. Conclusio: Pflege und Kinderbildung –Ausbau notwendig

Ein weiterer Lösungsansatz liegt in der Kinderbildung: Viele Frauen müssen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus dem Beruf aussteigen, weil es an Kinderbetreuungsplätzen mangelt – vor allem in ländlichen Gebieten. Ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung mit längeren Öffnungszeiten und einem Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag des Kindes könnte Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern und ihre finanzielle Unabhängigkeit stärken.

Leistbare Kinderbetreuung ist auch ein wichtiger Faktor für die Chancengleichheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn sie die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit vollständig auszuschöpfen, sind sie finanziell unabhängig, können ihren beruflichen Weg gehen und tragen auch zum Wirtschaftswachstum bei. Eine bessere Kinderbetreuung kann auch dazu führen, den Fachkräftemangel in vielen Bereichen zu mildern. Außerdem trägt eine leicht zugängliche, elementare Kinderbildung auch zur Chancengleichheit bei den Kindern bei – es ist dabei besonders wichtig, dass im gesamten Bildungsverlauf gendergerechter Pädagogik und dem Aufbrechen typischer Rollenmuster volle Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Ähnlich sieht die Situation für Frauen es, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht. Auch hier übernehmen sie den Großteil der Aufgaben. Damit sie aufgrund privater Pflegearbeit ihre Berufstätigkeit nicht aufgeben müssen, ist ein Ausbau von mobilen Diensten, Pflegeheimen und Tageszentren enorm wichtig.

Kurz gesagt: Im Kampf um Gleichberechtigung braucht es nicht nur ein Umdenken in der Gesellschaft, sondern vor allem auch ausreichend Mittel von der Regierung. Denn nur gemeinsam schaffen wir eine Welt, in der wir alle auf Augenhöhe leben können.

KORINNA SCHUMANN

geboren am 10. April 1966 in Wien, ist Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und Politikerin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Seit 1989 war sie im Sozialministerium tätig, wo sie 1990 auch mit ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit als Personalvertreterin begann. 2007 wurde sie zum Mitglied des ÖGB-Bundesfrauenpräsidiums und zum Mitglied im ÖGB-Bundesvorstand gewählt. Seit Mai 2018 ist sie vom Wiener Landtag entsandtes Mitglied des Bundesrates.

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