Working Mums: Reproduktion und Erwerbsarbeit. Frauen in einer ungleichen Welt VON ELISABETH KAISER UND MAGDALENA MARTHA MARIA SCHNEIDER

Abstract: Der – hier in gekürzter Form – vorliegende Beitrag von ELISABETH KAISER und MAGDALENA MARTHA MARIA SCHNEIDER befasst sich mit Reproduktion und Erwerbsarbeit, welche die Hälfte der Bevölkerung, nämlich die Frauen, in enormen Maßen betrifft. Ausgehend von Interviews, die im Vorfeld mit insgesamt 12 Frauen geführt wurden, wird dabei auch die Situation von berufstätigen Müttern am Arbeitsmarkt sowie in der Familie eingehend diskutiert.

I. Die aktuelle Lage: Wie verteilt sich Reproduktion und die damit einhergehende Betreuungsarbeit?

Reproduktion[1] und Erwerbsarbeit sowie die Rolle und Rollenzuschreibung der Mutterschaft sind Themen von großem gesellschaftlichem Interesse und betreffen viele Bereiche, so auch den Arbeitsmarkt. Obwohl es ‚die eine‘ Lebenssituation einer Mutter nicht gibt, da die Mutterschaft individuell und variabel ist – verbindet der Fakt, dass Reproduktionsarbeit der Frau obliegt und sie vordergründig jene Person ist, die sowohl für die Kinderbetreuung als auch für die entsprechenden Care-Tätigkeiten zuständig ist, dass sie von dadurch entstehender Benachteiligung direkt betroffen ist. Mit beginnender Schwangerschaft starten die Überlegungen bei der werdenden Mutter, welches Karenzmodell wohl das passendste in ihrer Situation ist und ob bzw. in welchem Rahmen sich der Vater an der Karenzzeit beteiligen wird, denn die gesetzliche Möglichkeit, in Väterkarenz zu gehen, haben Männer in Österreich seit mehr als 30 Jahren! Eltern können sich die Karenz zweimal teilen und sogar für einen Monat gleichzeitig in Karenz gehen[2], und trotzdem sind die Zahlen ernüchternd: „In acht von zehn Partnerschaften gibt es keine Väterbeteiligung!“[3] Dafür gibt es vielfältige Gründe, manche Väter können es sich nicht vorstellen, eine gewisse Zeit zu Hause mit einem Neugeboren zu verbringen. Andere, die es gerne wollen würden, haben keine bis wenig Rückendeckung von dem*der Arbeitgeber*in in ihrem Wunsch, Zeit mit dem Kind zu verbringen und so auch die Vater-Kind-Bindung zu stärken. Auch wird die Karenzzeit im Allgemeinen immer noch der Mutter zugeschrieben. Österreichs Kinder erleben in ihren ersten drei Jahren klare Rollenklischees: Sie werden von ihren Müttern betreut. Noch immer sind es die Frauen, die deswegen nur in Teilzeit arbeiten (25,5 % Frauen, 8,9 % Männer), auch gibt es kaum Männer (0,7 Prozent), die in Karenz gehen.[4] Die Zahlen belegen es:

„Bei acht von zehn Paaren geht der Mann weder in Karenz noch bezieht er Kinderbetreuungsgeld. Nur 2 Prozent der Väter in Partnerschaften unterbrechen die Erwerbsstätigkeit für drei bis sechs Monate, lediglich 1 Prozent für mehr als sechs Monate. 10 Prozent der Väter in Karenz wählen eine Karenzdauer von nicht mehr als drei Monaten. Weitere 6 Prozent beziehen zwar Kinderbetreuungsgeld, unterbrechen aber ihre Erwerbstätigkeit nicht.“[5]

Warum ist das so? Wollen Mütter und Väter das? Oder sind es vielmehr die Rahmenbedingungen, die Eltern zu dieser ungleichen Aufteilung sowohl der Kinderbetreuung als auch sogenannter Care-Tätigkeiten bringen? Beides ist Teil der Antwort: In Österreich ist nach wie vor ein Weltbild verbreitet, das auf traditionellen Geschlechterrollen und Stereotypen basiert. Männer gelten nach wie vor als Hauptverdiener, während die Frau im Privaten für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig ist und aufgrund ihrer neuen Rolle als Mutter ihre subjektiven Bedürfnisse aufgibt. Erschwerend kommt hinzu, dass in Österreich genderbezogene Lohnunterschiede weiterhin Realität sind. Faktenlage ist: Karenz ist für den Mann eine mögliche Option, für die Frau aber eine notwendige Selbstverständlichkeit. Weiter gehen die Überlegungen nach der Karenzzeit mit einer notwendigen Entscheidung, ob und mit wie vielen Stunden die Mutter ins Erwerbsleben zurückkehrt. Die Folgen dieser Faktoren sind allgemein bekannt: Die Entscheidung einer Frau, Kinder in die Welt zu setzen, wirkt sich in den meisten Fällen negativ und nachteilig auf ihre zukünftige ökonomische Situation aus, sei es nun monetär oder ihre Karriere betreffend.

Dieser Beitrag stützt sich auf die Interpretation von qualitativen Interviews, die im Vorfeld mit 12 Frauen geführt wurden und in denen sie aus ihrem Alltagsleben berichteten. Dabei wurde darauf geachtet, unterschiedliche Lebensrealitäten abzubilden. Der allgemeine gesellschaftliche Duktus besagt, Frauen wollen so lange wie möglich bei ihren Kindern zu Hause bleiben – die Aussagen der interviewten Mütter haben aber gezeigt, dass Frauen oftmals zu Hause in der Kinderbetreuung sind, weil es nicht genügend Kinderbetreuungsplätze gibt, weil Männer nicht in Karenz gehen, weil Arbeitgeber*innen Väter nicht in ihrem Wunsch unterstützen, in Karenz zu gehen oder weil vonseiten der Gesellschaft erwartet wird, dass die Mutter sich um die Kinderbetreuung kümmert, wenn sie eine „gute Mutter“ sein will. Die Antworten unserer Interviewpartnerinnen haben ein klares Bild gezeichnet: Frauen fühlen sich nach wie vor nicht gleichberechtigt wahrgenommen – weder in der Gesellschaft noch auf dem Arbeitsmarkt. Alle von uns interviewten Frauen haben sich für flächendeckende Kinderbetreuung ausgesprochen, als Hebel für die eigene Erwerbstätigkeit, aber auch die Notwendigkeit erwähnt, den Arbeitsmarkt zukünftig familienfreundlicher zu gestalten und Rollenbilder aufzubrechen, damit eine Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung erst möglich gemacht wird.

Auch die Einkommensgerechtigkeit war ein wichtiges Thema für die Frauen. Um endlich eine gleichberechtigte Bezahlung für Frauen und Männer sicherzustellen und eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen, gibt es konkrete Forderungen der Arbeiterkammer, wie beispielsweise jene nach Lohntransparenz.[6] Wie aber reagiert der Arbeitsmarkt auf Reproduktion und Mutterschaft? Es braucht zum einen die Arbeitskräfte der Zukunft und damit auch die Kinder von heute, zum anderen scheint es einen gesellschaftlichen Konsens zu geben, dass die Frau als liebende Mutter sich selbst sowie ihre Bedürfnisse zurückstecken und die Kinder als Arbeitskräfte von morgen aufziehen soll. Sie nimmt sich damit zum Teil selbst aus dem Arbeitsprozess und dem Erwerbsleben heraus und akzeptiert nachteilige monetäre Konsequenzen bis hin zur Gefahr der Altersarmut. Genauso akzeptiert sie damit auch das mögliche Ende ihres eigenen beruflichen Erfolgs. Interessanterweise reagiert die Arbeitswelt wenig auf Bedürfnisse von Müttern sowie Familien und Kindern.

II. Welche Rahmenbedingungen und welche Infrastruktur sind notwendig damit Mutterschaft und Arbeit ermöglicht werden?

Arbeit und Mutterschaft können nur möglich gemacht werden, wenn es eine gute, flächendeckende sowie hochwertige Kinderbetreuung gibt, da Mütter ohne Kinderbetreuung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können. Neben den gesellschaftlichen Vorstellungen ist es vor allem auch das mangelnde Angebot an Kinderbetreuung in Österreichs ländlichen Regionen, das einen Elternteil in die langfristige Kinderbetreuung zwingt. Durch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt übernimmt die Kinderbetreuung fast immer die Mutter. Alle befragten Frauen haben Kinderbetreuung als den zentralen Punkt angesprochen. Darüber hinaus ist eine flächendeckende Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr mit Nachmittagsbetreuung notwendig, vor allem für all jene Personen, die wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren wollen oder aber auch aus finanziellen Gründen müssen. Flächendeckende Kinderbetreuung ist der einzige Weg, Frauen die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, dem aktuell herrschenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, aber auch die Teilzeitquote bei Frauen zu senken, denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist vor allem für Frauen fast nicht zu bewerkstelligen. Hier gilt es zu erwähnen, dass in der Bundeshauptstadt Wien die Situation rund um die Kinderbetreuung um ein Vielfaches besser ist als in den Bundesländern. Beim Kinderbetreuungsgipfel, der am 10. Jänner 2023 in der Hofburg stattfand, betonten die Sozialpartner*innen:

„Gerade vor dem Hintergrund des akuten Arbeits- und Fachkräftemangels ist ein konsequenter Ausbau der Kinderbetreuungsreinrichtungen mit Öffnungszeiten, die der Arbeitswelt angepasst sind, ein Muss.“[7]

Auch die ländlichen Gebiete in Österreich sehen sich langsam im Zugzwang, was das Thema Kinderbetreuung betrifft, denn Frauen sind wichtige, unverzichtbare Arbeitskräfte. Die Wirtschaft profitiert davon, diese auch in der Arbeitswelt zu halten. Außerdem wollen ländliche Gemeinden der Abwanderung von Frauen und Jungfamilien entgegenwirken, indem die Lebensqualität vor Ort erhöht wird. Ein Teil davon ist die flächendeckende Kinderbetreuung, die eine Erwerbstätigkeit der Frau zulässt, denn die wenigsten Familien können es sich noch leisten, auf ein Einkommen zu verzichten. Die Befragung des Frauenservice der Stadt Wien unter dem Titel „Wien, wie sie will“[8], initiiert von Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál, hat beispielsweise eine überdurchschnittliche Zufriedenheit hinsichtlich der in Wien angebotenen Kinderbetreuung bei Frauen ergeben, die in Vollzeitbeschäftigung tätig sind. Beim Kinderbetreuungsgipfel vom 10. Jänner 2023 unterstrich auch die Präsidentin der Arbeiterkammer, Renate Anderl, die Notwendigkeit von einer Milliarde Euro mehr pro Jahr für Kinderbetreuung. Dass Kinderbetreuungsplätze auch genutzt werden, wenn sie zur Verfügung stehen, zeigt die Statistik: Insgesamt stieg bei den Kindern im Alter von null bis drei Jahren die Quote der Kinderbetreuung von 29,9 % im Jahr 2020 auf 31,2 % im Jahr 2021. Bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt die Betreuungsquote schon fast bei 100 %.[9]

III. Profitiert das Arbeitsleben von der Rolle der Mutter, und profitiert das Familienleben davon, dass die Mutter erwerbstätig ist?

In einem waren sich alle interviewten Frauen einig: Nicht nur den Müttern tut es gut, wenn Sie arbeiten gehen, sondern die gesamte Familie hat einen Benefit davon. Auf der Hand liegt zunächst der finanzielle Aspekt: Jedes weitere Einkommen vergrößert das Familienbudget, zusätzlich ist die Frau unabhängiger und finanziell nicht auf ihren*ihre Partner*in angewiesen. Auch langfristig gesehen ist es für Frauen profitabel, arbeiten zu gehen: Für die Pension rentieren sich jedes Jahr und jede Stunde, die man mehr gearbeitet hat, den es sind vor allem die Frauen, die im Alter von Altersarmut betroffen sind.[10] Jedoch gibt es auch einen persönlichen Aspekt, wenn die Mutter erwerbstätig ist, und zwar die individuelle Bereicherung welche die Mutter durch ihre Arbeit als Ausgleich und Bestätigung erfährt. Denn die Frau wird am Arbeitsplatz anders gebraucht und auch anders gesehen als in ihrer Rolle als Mutter in der Familie.

„Ja, mein Familienleben profitiert davon, dass ich arbeiten gehe. Weil ich an den Tagen, an denen ich arbeiten bin, mit anderen Sachen im Kopf zurück nach Hause komme. Irgendwie so frisch und gestärkt.“[11]

Oder:

„Man hat nicht immer denselben Trott, immer dasselbe zu tun, sondern hat eben Abwechslung. Das glaube ich schon, dass es das in der Familie entspannter, einfacher macht.“[12]

Zusätzlich sehen sich die interviewten Frauen auch als Vorbild für ihre eigenen Kinder: Diese sollen sehen, dass es befriedigend ist, einer geregelten Arbeit nachzugehen, und dass es natürlich entlastet, wenn man als Frau keine Geldsorgen hat und es auch der Familie finanziell gut geht:

„[Ich zeige] meinen Kindern, dass ich mich jeden Tag beschäftige. Ich bin natürlich auch viel selbstbewusster. Ich habe meine Ziele, ich bin zielstrebig, ich bin leistungsorientiert. Das vermittle ich natürlich auch meinen Kindern. Ich habe Freude an meiner Arbeit, ich bin engagiert und […] auch wenn wir zum Beispiel über verschiedene Sachen sprechen, vermittle ich ihnen dann diese Emotionen weiter.“[13]

In der Frage, ob auch das Arbeitsleben von der eigenen Rolle als Mutter profitiere, waren sich die interviewten Mütter uneins: Acht bejahten dies, zwei fanden, dies träfe nicht zu, und zwei waren unschlüssig und wollten sich nicht festlegen. Die Argumente der Letzteren bezogen sich vor allem auf die Verpflichtungen der Mütter den Kindern gegenüber und darauf, dass man zum Beispiel bei Krankheit oder ausgefallener Kinderbetreuung in der Arbeit fehlen würde. Hier spiegelten die Frauen die gesellschaftliche Meinung wider, die es gutheißt, dass die Mutter zu Hause sämtliche Betreuungspflichten übernimmt, während der Vater in der Arbeitswelt als Hauptverdiener aktiv ist. Dass auch Väter Pflegefreistellung in Anspruch nehmen können, erlebten diese Frauen als unmöglich, da deren Arbeitgeber*innen so etwas nicht akzeptieren würden und es diese Option somit realistisch nicht gibt. Mütter werden so sowohl indirekt als auch direkt vom Arbeitsmarkt diskriminiert und in die Rolle der betreuenden Mutter gedrängt, die nicht unbedingt von allen Frauen freiwillig eingenommen wird. Die anderen acht interviewten Frauen hingegen waren sich sicher, dass die Arbeitswelt von Müttern profitieren kann. Viele gute Argumente wurden genannt, so etwa folgendes:

„Ich habe richtig gemerkt in der Arbeit, dass ich viel pragmatischer geworden bin und viel präziser, viel strukturierter mit jedem weiteren Kind. Und das ist etwas, wo mich auch viele darum bewundern, weil auch viele sagen, wie kannst du eine Ordination eröffnen mit vier Kindern? Aber genau das kriegt man ja auch mit jedem Kind mehr, man muss daheim auch alles strukturieren und ordnen können. Und so funktioniert es in der Arbeit halt auch – man taktet alles durch.“[14]

Oder:

„Für einige war es auch ein wichtiger Faktor, dass man nach mehreren Monaten/Jahren der Kinderbetreuung ganz gierig ist auf eine andere Form der Selbstverwirklichung und Bestätigung und dass Mütter dadurch mit hoher Motivation in die Arbeit gehen.“[15]

IV. Wo sieht die Mutter ihren Platz in der Gesellschaft und sind Männer und Frauen gleichberechtigt?

Indem sich eine Person einen Platz in der Gesellschaft gibt, geht sie von einer beobachtenden in eine handelnde Rolle über. Der Platz in der Gesellschaft, den man sich selbst gibt, ermöglicht Partizipation und Teilnahme sowie Teilhabe an gesellschaftlichen sowie Entscheidungsprozessen. Durch größere Handlungsspielräume gelingt es der sich einbringenden Person, auf individuelle Lebenssituationen aufmerksam zu machen und sich für die eigenen Bedürfnisse, aber auch die Bedürfnisse von Interessengruppen einzusetzen, um so Machtunterschiede aufzuzeigen, zu thematisieren und aufzubrechen. „Partizipation heißt gleichzeitig auch gleichberechtigtes Teilhaben – an Bildung, Einkommen, Wohnqualität oder bei Freizeitangeboten.“[16] Rollen können selbst vergeben oder auch zugeschrieben werden. Wo sieht nun die Mutter ihren Platz in der Gesellschaft? Welche Rolle gibt sie sich? Zum einen ist die Rolle, die Mutterschaft bedeutet, bewusst und wird gelebt. Darüber hinaus definierten sich Teile der befragten Frauen in einer selbstbestimmten Rolle der aktiven Multiplikatorin durch die jeweils ausgeübte Erwerbstätigkeit. Denn Erwerbstätigkeit führt neben der finanziellen Entlastung beispielsweise auch zu Selbstermächtigung. Ein eigenes Einkommen ermöglicht ein selbstbestimmtes, unabhängiges sowie freies Leben und ist darüber hinaus einem gesteigerten Selbstwert förderlich. Durch den Platz in der Arbeitswelt gelingt es der Frau, in einem Bereich zu leben, der individuell zu ihr gehört und durch den sie sich auch definieren kann.

Das Thema Gleichberechtigung wurde von den befragten Frauen sehr klar beantwortet, indem bis auf eine Frau alle eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verneinten. Diese Ungleichheit zwischen Männern und Frauen bildet sich in den unterschiedlichsten Bereichen ab und zieht sich von Sorgetätigkeiten, die zum großen Teil von Frauen ausgeübt werden, über den Arbeitsmarkt bis hin zum Gender-Pay-Gap:

„Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede verringert werden konnten, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern.“[17]

Auf dem Arbeitsmarkt erfahren weiblich konnotierte Tätigkeiten oftmals eine Abwertung. Die Devaluationshypothese[18] geht davon aus, „dass von Frauen ausgeübte Tätigkeiten häufig als einfache(re) Tätigkeiten gesehen werden, welchen deshalb weniger Wert, sprich Lohn, zukomme.“[19] Davon betroffen sind unter anderem Bereiche wie

„Pflegetätigkeiten, Reinigungstätigkeiten oder [die] Erziehung. Diese Berufsfelder unterliegen im Vergleich zu männerdominierten Berufen oft einer ökonomischen und gesellschaftlichen Abwertung. Vermeintlich wird in diesen Branchen keine ‚echte‘ zu erlernende Arbeit geleistet, sondern von den vorwiegend weiblichen Beschäftigten ‚natürliches‘ Arbeitsvermögen eingebracht, welchem kein Marktwert zugeordnet wird.“[20]

Diese Ungleichheit zeigt sich deutlich in der Kinderbetreuung, die zu großen Teilen von der Frau übernommen wird. Ein männlicher Arbeitnehmer wird weniger danach gefragt, wie sich Familie und Beruf vereinbaren lassen, denn diese Frage hat sich die Frau zu stellen und auch zu beantworten. Nicht nur in der Arbeitswelt zeichnet sich eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ab, sondern auch im Privaten, was die Aufteilung der unbezahlten Arbeiten im Haushalt betrifft. Bei der Befragung Wien, wie sie will

„gibt die Hälfte der Frauen, die mit einem/r Partner*in im Haushalt wohnen, an, sich überwiegend selbst um Haushaltstätigkeiten zu kümmern, bei 42 % der Wienerinnen sind diese Arbeiten ungefähr gleich zwischen ihnen und dem/r im gleichen Haushalt lebenden Partner*in aufgeteilt. […]. Vor allem Frauen zwischen 30 und 49 Jahren (55 %) sind in ihrer Partner*innenschaft vorwiegend dafür zuständig, hier sind nur 39 % der Haushaltstätigkeiten aufgeteilt. […]. Ein klares Bild zeigt sich auch bei arbeitenden Frauen: 42 % der Wienerinnen, die mit ihrem/r Partner*in im gleichen Haushalt leben und Vollzeit berufstätig sind, kümmern sich überwiegend selbst um die Erledigung des Haushalts, nur bei knapp der Hälfte kümmern sich beide Partner*innen darum. Eine Vollzeitbeschäftigung schützt also nicht vor Ungleichverteilung bei der Aufgabenverteilung im Haushalt.“[21]

Es gilt, politisch anzusetzen und den Weg hin zur Gleichberechtigung der Geschlechter stetig weiterzugehen, denn die Ungleichheit findet sich in privaten wie auch in öffentlichen Bereichen des Lebens:

„Bis heute hält sich hartnäckig das Missverständnis, dass Gleichberechtigung erreicht sei, wenn Frauen in die Arbeitsbereiche der Männer, die eben mit mehr Autonomie verbunden werden, vordringen können. Nicht berücksichtigt wird, dass wirkliche Gleichberechtigung nur dann funktionieren kann, wenn auch Männer die Arbeit übernehmen, die Frauen tun: Fürsorge, Pflege, Haushalt und Kinderbetreuung. Fürsorgetätigkeit darf nicht mehr an ein Geschlecht gebunden, also als weiblich dargestellt werden, sondern als eine allgemein menschliche Qualität.“[22]

V. Was kann vonseiten der Politik getan werden, um den Arbeitsmarkt für Wiedereinsteigerinnen attraktiver zu gestalten?

„Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass sich das Leben der meisten Frauen mit dem ersten Kind radikal verändert. Im Weiteren geht es nicht um die Frage, wie sehr das Wohlbefinden der einzelnen Frau durch die Mutterschaft beeinträchtigt wird. Es geht vor allem darum, zu klären, wieso sich das Leben vieler Frauen nach der Geburt des ersten Kindes derartig verschlechtert.“[23]

Ein Kind ändert das Leben einer Mutter nachhaltig, auch jenes der Väter, wenn sie sich darauf einlassen. Denn die Mutterschaft in Österreich und Deutschland ist im Verständnis von außen eine andere als in weiteren europäischen Ländern. In Österreich und Deutschland wird weitgehend erwartet, dass die Frau in ihrer Rolle der Mutterschaft aufgeht und weitere persönliche Ambitionen hintanstellt:

„Das sich Geschlechterrollen nicht so entwickeln müssen, zeigen vergleichende Recherchen mit anderen Ländern, wie beispielsweise Frankreich. […]. Während eine französische Maman ihre Rolle als Frau pflegen darf, wird ihr deutsch-österreichisches Pendant auf ihre Rolle als Mutter reduziert, die die Aufgabe des unabhängigen, selbstbestimmten Lebens der Mutter zum Wohl des Kindes einfordert. Die folkloristische Behauptung, dass die Mutter unersetzlich für das Kind und deshalb unabkömmlich sei, schlägt sich […] nicht nur in der fehlenden externen Kinderbetreuung und dem fehlenden partnerschaftlichen Ethos nieder. Tatsächlich macht kaum ein junges Elternpaar halbe-halbe.“[24]

Von politischer Seite braucht es daher ein Bekenntnis, Rollenbilder aufzubrechen und vor allem die Rolle der Väter zu stärken. An diesem Punkt sind wirtschaftlich gesehen auch die Unternehmen in Zugzwang: Sie sollten Männer im Bestreben unterstützen, ihre Rolle als Vater einzunehmen (zum Beispiel in der Frage einer geteilten Karenz), anstatt Männern, die Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, Steine in den Weg zu legen. Wie bereits ausgeführt, ist das Modell der Väterkarenz in Österreich ein Nischenprogramm, bei dem auch die Politik gefragt ist, Anreize zu schaffen, um eine gerechtere Verteilung der Kindererziehung, aber auch Familienzeit zwischen beiden Elternteilen zu ermöglichen. Zusammenfassend gilt für österreichische Gegebenheiten, dass es einer angepassten Familienpolitik bedarf, die auch die Bedürfnisse der Frauen und Mütter sieht und diesen folgt. Inhaltliche Punkte dazu sind unter anderem, flächendeckende Ganztageskinderbetreuung ab dem 1. Jahr sicherzustellen und den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass Erwerbsarbeit im Familiengefüge lebbar ist. Damit ist die Schaffung von flexiblen Arbeitszeiten genauso gemeint wie prinzipielle Überlegungen zur Arbeitszeit bzw. Arbeitszeitreduktion. Hier sei das von ÖGB und AK entwickelte Modell zur Familienzeit erwähnt. Dieses Modell sieht vor,

„dass beide Eltern ungefähr gleich viel Zeit für die Kinderbetreuung und für die Erwerbsarbeit zur Verfügung haben. Anders als bei der bisherigen Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit, die sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt war, würden beide Eltern von diesem Modell profitieren.“[25] Väter hätten hierbei mehr Zeit für Kind und Familie und Frauen mehr Geld durch Erwerbsarbeit.

VI. Fazit

Die Analyse der Fragen zum Verhältnis von Arbeitswelt und Muttersein sowie den Visionen über die Vereinbarkeit dieser zwei Aspekte haben eines eindeutig gezeigt: Wenn eine Frau das möchte, dann ist es auch richtig und förderlich, erwerbstätig zu sein – einerseits für das Familieneinkommen und andererseits für das Selbstwertgefühl der Frau. Was dem allerdings oftmals im Wege steht, ist das konservative Weltbild, das in der österreichischen Gesellschaft vorherrscht. Entweder sollen sich Mütter ganz den Kindern verschreiben und sich ins Private zurückziehen, oder sie sollen, wenn sie trotz Mutterschaft ins Erwerbsleben zurückkehren, ihrer Arbeit so nachkommen, als hätten sie keine Kinder und könnten sich voll und ganz ihrer Arbeit verschreiben.

Diesem Spannungsverhältnis sind ein Großteil der Frauen, die sich für eine Mutterschaft entscheiden ausgesetzt, sie erleben das Gefühl, keine eigenen Entscheidungen treffen zu können, sondern von schlechten Rahmenbedingungen in Kinderbetreuungseinrichtungen, Unverständnis vonseiten der Arbeitgeber*innen und Meinungen anderer bestimmt zu werden. Zurück bleibt das Gefühl, als Mutter nicht zu genügen, weil es nie genug ist, was getan wird – sei es daheim, im Privaten oder in der Arbeit. Dabei ist es für unsere Interviewpartnerinnen offensichtlich, dass die Arbeitswelt von ihnen als Mutter profitieren würde, denn Mütter sind stressresistent, belastbar, zäh und entscheidungsfreudig. Diese Attribute würde natürlich auch ein Vater mitbringen, der sich gleichwertig in die Kindebetreuung einbringt, denn die Kinder und ihre Erziehung und Pflege sind es, die solcherlei Eigenschaften verlangen und fördern. Damit liegt die Forderung nach jeglichem Mittel, um immer mehr Väter in Karenz zu bringen, klar auf der Hand. Es gilt, eine an die Bedürfnisse angepasste, mutige Familienpolitik zu betreiben, die starke Maßnahmen und Anreize setzt und Frauen in ihren individuellen Lebensrealitäten nicht im Stich lässt.

Es braucht einen politischen Weg, der Maßnahmen setzt, um Geschlechterungleichheiten im Arbeitsleben zu beseitigen: gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit, gleiche Karrieremöglichkeiten und eine angemessene Work-Life-Balance für beide Geschlechter – beispielsweise durch Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich. Es braucht Visionen und den Mut, neue Möglichkeitsräume zu denken – und zwar jetzt!

Der Beitrag Working Mums: Reproduktion und Erwerbsarbeit findet sich in ungekürzter Form im aktuellen Band der kommunalpolitischen Reihe der Wiener Perspektiven mit dem Titel BESCHÄFTIGUNG FÜR ALLE. Die Zukunft der Arbeit, den wir in dieser Ausgabe der ZUKUNFT eigens vorstellen. Der Band befasst sich unter anderem mit der Frage, wie ein Arbeitsmarkt der Zukunft im Sinne der Arbeitnehmer*innen aussehen kann.


Endnoten

[1] Unter Reproduktion wird in diesem Beitrag die geschlechtliche Fortpflanzung verstanden. (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[2] Online unter: https://www.arbeiterkammer.at/beratung/berufundfamilie/Karenz/Teilung_der_Karenz.html (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[3] Online unter: https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/familie/Vaeterkarenz.html (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[4] Kaindl, Markus/Schipfer, Rudolf Karl (2022): Familien in Zahlen 2022. Statistische Informationen zu Familien in Österreich. Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, online unter: https://www.oif.ac.at/fileadmin/user_upload/p_oif/FiZ/FiZ_2022.pdf (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[5] Online unter: https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/familie/Vaeterkarenz.html (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[6] Online unter: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12098-Geschlechtsspezifisches-Lohn-und-Gehaltsgefalle-Entgelttransparenz-zwischen-Frauen-und-Mannern/F503420_de (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[7] Online unter: https://www.oegb.at/themen/gleichstellung/kinderbetreuung/kinderbetreuungsgipfel (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[8] Stadt Wien – Frauenservice Wien (Hg.) (2022): Wien, wie sie will. Ergebnisse der Wiener Frauenbefragung. Wien, online unter: https://frauenbefragung.wien.gv.at/documents/2751648/0/Frauenbefr_Gesamtbericht_barrierefrei.pdf/06b8772e-1657-86c2-c73d-f3c99640de5c?t=1666182774230&download=true (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[9] Kaindl, Markus/Schipfer, Rudolf Karl (2022): Familien in Zahlen 2022. Statistische Informationen zu Familien in Österreich. Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, online unter: https://www.oif.ac.at/fileadmin/user_upload/p_oif/FiZ/FiZ_2022.pdf (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[10] Online unter: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gender-statistiken/armuts-oder-ausgrenzungsgefaehrdung (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[11] Zitat aus einem Interview.

[12] Zitat aus einem Interview.

[13] Zitat aus einem Interview.

[14] Zitat aus einem Interview.

[15] Zitat aus einem Interview.

[16] Online unter: https://www.wien.gv.at/menschen/frauen/stichwort/kunst-kultur/frauen-wissen/ (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[17] Online unter: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gleichstellung-am-arbeitsmarkt/einkommen-und-der-gender-pay-gap.html (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[18] Klammer, Ute et al. (2022): „Evaluative Diskriminierung“: Arbeitsbewertung als blinder Fleck in der Analyse des Gender Pay Gaps. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 74, 233–258; online unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-022-00851-6 (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[19] Bergmann, Nadja/Pretterhofer, Niclas/Meißner, Janis (2022): Aufwertung frauendominierter Berufsfelder! Digitalisierung als Chance? A&W-Blog v. 13. 12. 2022; online unter: https://awblog.at/digitalisierung-als-chance/ (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[20] Bergmann, Nadja/Pretterhofer, Niclas/Meißner, Janis (2022): Aufwertung frauendominierter Berufsfelder! Digitalisierung als Chance? A&W-Blog v. 13. 12. 2022; online unter: https://awblog.at/digitalisierung-als-chance/ (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[21] Stadt Wien – Frauenservice Wien (Hg.) (2022): Wien, wie sie will. Ergebnisse der Wiener Frauenbefragung. Wien, 24; online unter: https://frauenbefragung.wien.gv.at/documents/2751648/0/Frauenbefr_Gesamtbericht_barrierefrei.pdf/06b8772e-1657-86c2-c73d-f3c99640de5c?t=1666182774230&download=true (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[22] Pro- statt Anti-Feminismus Nr.8, online unter:  https://www.wien.gv.at/menschen/frauen/stichwort/kunst-kultur/frauen-wissen/ (letzter Zugriff: 15.04.2023).

[23] Hirn, Lisz (2019): Geht’s noch! Warum die konservative Wende für Frauen gefährlich ist. Molden Verlag: Wien – Graz, 76.

[24] Hirn, Lisz (2019): Geht’s noch! Warum die konservative Wende für Frauen gefährlich ist. Molden Verlag: Wien – Graz, 78.

[25] Online unter: https://www.oegb.at/familienarbeitszeit (letzter Zugriff: 15.04.2023).

ELISABETH KAISER

hat das Diplomstudium Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien sowie den Masterlehrgang „Führung, Politik und Management“ am FH Campus Wien abgeschlossen. Aktuell absolviert sie das Psychotherapeutische Propädeutikum an der Universität Wien. Von 2008 bis 2016 hat sie in der Funktion der Geschäftsführerin den Verein ega:frauen im zentrumgeleitet. Seit Mitte 2016 ist sie als stellvertretende Direktorin der Wiener Bildungsakademie tätig.

MAGDALENA MARTHA MARIA SCHNEIDER

1985 geboren, wuchs in Südtirol auf. Sie absolvierte das Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie den Universitätslehrgang „Library and Information Studies“ und ist Bibliothekarin in Leitungsfunktion. Politisch engagiert sich Magdalena Martha Maria Schneider im 15. Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus, wo sie sich als gewählte Bezirksrätin einbringt.

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