I. Ausgangslage
Die politische Landschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Wo einst „Blockparteien“ das Bild bestimmten, sehen wir heute eine Vielzahl kleinerer, vielfältiger Parteien. Diese Entwicklung stellt die Sozialdemokratie vor neue Herausforderungen, eröffnet aber auch Chancen für eine erneuerte und gestärkte Ausrichtung. In diesem Artikel werden die aktuellen Veränderungen in der politischen Landschaft beleuchtet und die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen für die Sozialdemokratie diskutiert. Insbesondere wird das Spannungsfeld zwischen Paternalismus und Populismus analysiert sowie die Frage nach der Positionierung sozialdemokratischer Parteien in dieser komplexen Umgebung erörtert. Die politische Landschaft hat sich von einstigen „Blockparteien“ zu einer vielfältigen und dynamischen Arena entwickelt. Kleine, diverse Parteien gewinnen an Bedeutung und spiegeln die steigende Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen wider. Dies erfordert von der Sozialdemokratie eine Anpassung ihrer Strategien und Herangehensweisen, um weiterhin relevant zu bleiben.
II. Im Spannungsfeld zwischen Paternalismus und Populismus
Die zentrale Frage für die Sozialdemokratie ist, wie sie in dieser neuen Realität agieren soll. Ein interessantes Spannungsfeld ergibt sich zwischen Paternalismus und Populismus. Während der traditionelle Paternalismus auf Expertise und Erfahrung basiert, setzen populistische Strömungen auf emotionale Themen und einfache Lösungen. Die Herausforderung liegt darin, einen Mittelweg zu finden, der sachkundige politische Arbeit mit den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang bringt.
Die Positionierung sozialdemokratischer Parteien in dieser neuen politischen Landschaft wirft Fragen auf. Wie passen paternalistische Konzepte zwischen Bevormundung und politischer Vertretung zusammen? Können populistische Tendenzen mit einer faktenbasierten, zukunftsorientierten Politik vereinbar sein? Die Balance zwischen diesen Extremen ist entscheidend. Wie kann die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft dazu beitragen, dass es dadurch auch zu einer Entsolidarisierung gekommen ist? Wichtig ist, dass die SPÖ erkennt, dass all diese Entwicklungen für eine erfolgreiche Politik berücksichtigt werden müssen.
Paternalismus[i] bedeutet im politischen Kontext einerseits, sich der Verantwortung zu stellen, die vom politisch agierenden Menschen erwartet werden kann. Es wird verlangt, dass wir uns den Themen widmen, die für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft notwendig sind. Und es werden Antworten erwartet. Antworten darauf, wie wir auf Klimaveränderungen reagieren wollen, auf Fortschritte im digitalen Bereich und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt, auf individuelle Selbstverwirklichungsmöglichkeiten und wie wir diese in die Parteiarbeit einbeziehen werden können. Andererseits hat die politische Praxis gezeigt, dass gesellschaftliche Veränderungen, welche die Politik vorantreiben möchte, nur dann gelingen, wenn die Betroffenen eingebunden beziehungswiese emotional mitgenommen werden.[ii]
Auch das System des Populismus[iii] beinhaltet seine Gefahren. Wenn Politik ausschließlich darin besteht, den einfachsten Weg zu gehen und anderen deren Wünsche zu erfüllen, kann dies leicht zu Fehlentwicklungen führen.[iv] Da gab es vor allem in den letzten Jahren typische Beispiele dafür, einige davon werden sogar gerichtliche Nachspiele haben. Trotzdem muss eine erfolgreiche sozialdemokratische Politik im Sinne der Menschen, gemeinsam mit den Betroffenen, entwickelt werden.
Beide Extrempositionen treffen noch dazu auf Menschen, die seit den 1970er- und 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts zunehmend individualisiert wurden. Dem grundsätzlich positiven Ansatz für mehr Diversität und gegen menschliche Vereinheitlichung hat sich ziemlich schnell ein kapitalistisches Konzept breit gemacht. Die Individualisierung der Gesellschaft wurde fast ausschließlich dazu benutzt, um die solidarischen Beziehungen der gemeinsamen Anliegen der arbeitenden Menschen zu erschweren.[v] Auf den ersten Blick wirkte es attraktiv, herausgelöst von der Masse als Individuum wahrgenommen zu werden. In Wirklichkeit hat uns die zunehmende Individualisierung zu einsameren Kämpfer*innen gegen das System werden lassen. Für die kapitalistische Steuerung des entsolidarisierten Menschen ist Tür und Tor geöffnet worden.[vi]
III. Die wegweisende SPÖ-Bundesbildungs-Konferenz
Um diese Fragen zu diskutieren, veranstaltet die SPÖ Bundesbildung eine wegweisende Bundesbildungs-Konferenz zum Thema „Die Zukunft der Sozialdemokratie“. Die Konferenz bietet eine Gelegenheit, führende Köpfe der Sozialdemokratie zusammenzubringen. Unter anderem werden die Bundestagsabgeordnete Saskia Ecken, Bundesparteivorsitzende der SPD, und Michael Ludwig, stellvertretender Bundesparteivorsitzender der SPÖ, beim gemeinsamen Gespräch vertreten sein. Auch Gerhard Schmid, Bundesbildungsvorsitzender der SPÖ, wird seine Perspektiven einbringen. Mit Michaela Schmidt, (dann) Nationalrätin und Landesbildungsvorsitzende Salzburg, wird die regionale Relevanz ebenso behandelt wie die internationale.
Eine erste Diskussion wird am Vorabend der Konferenz zu dieser Thematik einleiten. In der Veranstaltung zum Thema „Comeback der Sozialdemokratie!“ werden unter anderem Ernst Woller, Wiener Landesbildungsvorsitzender und erster Präsident des Wiener Landtags, David Egger, Vorsitzender der SPÖ Salzburg, mit internationalen Gästen, Rebekka Wyler, Generalsekretärin der SP Schweiz beziehungsweise die Bayern-SPD-Vorsitzende Ronja Endres das Wort ergreifen. Hierbei wird besonders auf die besonderen Herausforderungen eingegangen, die sich aus den unterschiedlichen Bedürfnissen von Flächen- und urbanen Gebieten ergeben. Es gilt, die richtige Balance zu finden und den Weg für eine erneuerte und gestärkte Sozialdemokratie zu ebnen. Die Diskussion umfasst auch die besonderen Herausforderungen von Flächen- und urbanen Gebieten sowie die internationale Dimension.
Gerhard Schmid, Bundesbildungsvorsitzender der SPÖ, bringt auch mit seinem Beitrag zur vorliegenden Ausgabe der ZUKUNFT die Bedeutung dieses Ereignisses auf den Punkt:
„Die Zukunft der Sozialdemokratie erfordert eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen unserer Zeit. Die Vielfalt politischer Strömungen eröffnet uns die Möglichkeit, neue Ansätze zu entwickeln und unsere Werte in einer modernen Gesellschaft zu leben. Wir müssen Brücken bauen zwischen Paternalismus und Populismus, um Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden.“
IV. Fazit
„Die Zukunft der Sozialdemokratie“ erfordert Anpassung und Mut. Die Bundesbildungs-Konferenz wird den Weg für eine erneuerte Sozialdemokratie weisen, die die Komplexität und Vielfalt unserer Zeit anerkennt und mutig angeht. Die SPÖ lädt alle Interessierten ein, an dieser wichtigen Diskussion teilzunehmen und die Zukunft der Sozialdemokratie mitzugestalten.[vii]
Weitere Informationen und Anmeldungen unter: wolfgang.markytan@spoe.at
WOLFGANG MARKYTAN
ist Bundesbildungsgeschäftsführer der SPÖ. Nach einer Kellnerlehre und zehn Jahren Arbeit im Touristikbereich im Ausland kehrte er 2001 nach Wien zurück und studierte Politikwissenschaft. Seit 2003 arbeitet er im Bereich der politischen Erwachsenenbildung, ist Leiter der Wiener Parteischule der Wiener Bildungsakademie und gibt Seminare und Workshops an verschiedenen Bildungseinrichtungen in den Bereichen Kommunikation und politische Grundausbildungen.
Weitere Informationen online unter: https://spoe-bildung.at/bundesbildungskonferenz-2023/ (letzter Zugriff: 15.09.2023) oder mit diesem QR-Code:
[i] Vgl. Neumann, Robert (2013): Libertärer Paternalismus: Theorie und Empirie staatlicher Entscheidungsarchitektur, Tübingen: Mohr Siebeck.
[ii] Vgl. Nohlen, Dieter/Schultze, Rainer-Olaf (2004): Lexikon der Politikwissenschaft, Band 2, München: C. H. Beck, 649.
[iii] Vgl. Grimberg, Steffen (2022): Populismus zwischen Gut und Böse, online unter: https://www.mdr.de/medien360g/medienwissen/populismus-zwischen-gut-und-boese-100.html (letzter Zugriff: 01.08.2023) und: Simon, Fritz B. (2019): Anleitung zum Populismus oder: Ergreifen Sie die Macht!, Heidelberg: Carl-Auer.
[iv] Vgl. Nohlen, Dieter/Schultze Rainer-Olaf (2004): Lexikon der Politikwissenschaf. Band 2, München: C. H. Beck, 749.
[v] Vgl. Neumann, Franz (1984): Handbuch Politischer Theorien und Ideologien, Hamburg: Rowohlt, 259.
[vi] Vgl. Hanappi-Egger, Edeltraud/Kutscher Gloria (2015): Entgegen Individualisierung und Entsolidarisierung: Die Rolle der sozialen Klasse als suprakategorialer Zugang in der Diversitätsforschung, Berlin: Springer.
[vii] Vgl. SPÖ Bundesbildungskonferenz 2023, online unter: https://spoe-bildung.at/bundesbildungskonferenz-2023/ (letzter Zugriff: 01.08.2023).
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