Zusammenhalt – Innen und Außen – VON ALEXANDER KAISER

Im Blick auf die ZUKUNFT der Sozialdemokratie betont ALEXANDER KAISER, dass der innere Zusammenhalt unserer Bewegung nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte. Denn die Einheit der österreichischen Arbeiter*innenbewegung und eine offene Diskussionskultur sind entscheidende Mittel im Kampf gegen den Kapitalismus.

I. Einleitung

Die Philosophen haben die Welt
nur verschieden interpretiert,
es kōmmt drauf an
sie zu verändern.

Karl Marx, 11. Feuerbachthese (1845)

Im Jahr 1888/89 wurde die Sozialdemokratische Deutsche Arbeiter Partei (SDAP) in Hainfeld gegründet. Die Einigkeit der ursprünglich zerstreuten Arbeiter*innenbewegung war nicht zuletzt auf das Geschick der diplomatischen Herangehensweise unseres Gründungsvaters – Victor Adler – zurückzuführen. Damals wie heute gab es sogenannte „linke“, „pragmatische“ und wenn man manchen gegenwärtigen Medienberichten (welche im Übrigen mehrheitlich von der Raiffeisenbank finanziert werden) Glauben schenkt, sogar „rechte“ Flügel innerhalb der SPÖ.

II. Unsere Leitbilder und der Kapitalismus

Die wahrscheinlich größte Errungenschaft der SPÖ war stets die innere Einigkeit der Arbeiter*innenbewegung, welche bis heute weltweit nahezu beispiellos ist. Diese kontroversielle Herangehensweise (u. a. zwischen dem reformistischen und dem revolutionären Flügel), welche die Situation von erwerbstätigen Menschen verbessern sollte, war und ist eines unserer prägenden Leitbilder. Bis heute ist es unabdingbar, diese Basis unserer Wurzeln anzuerkennen. Denn diese Form der Zusammenführung von diversen Strömungen kommt nicht von ungefähr und ist maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolg unserer Bewegung. Sie hat insbesondere damit zu tun, dass der Kapitalismus in seinem perfiden, verselbstständigten Kreuzzug zur Gewinnmaximierung auf Kosten der Bevölkerung, immer wieder darauf achtet, die Gesellschaft – egal von welcher Seite dies kommt – möglichst zu spalten.

Es sind jedenfalls nicht die Einzelkämpfer*innen, die den Kapitalismus bedrohen, sondern die Kraft des gesellschaftlichen Kollektivs. Aus diesem Grund sollten wir einzelnen Rülpsern, welche innerhalb der SPÖ immer wieder laut werden, um eine „linke“ Abspaltung von der allzu „pragmatischen“ SPÖ zu fordern, nichts abgewinnen. Eine derartige Spaltung würde das Erbe Victor Adlers mit Füßen treten und vor allem die österreichische Arbeiter*innenbewegung weiter schwächen. Es ist daher unabdingbar, dass sich politisch agierende und aktivistische Personen innerhalb der SPÖ der vielfältigen Mechanismen des Kapitalismus bewusst sind, denn anderenfalls werden auch sie in seine Falle treten und sich womöglich noch gut dabei fühlen.

Auf Basis des Hainfelder Parteitages, in dem sich diverse politische Strömungen gefunden haben, braucht es – damals wie heute – eine ordentliche Portion Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber der internen und externen Meinungsvielfalt und vor allem den konsequenten Willen, ein ökonomisches System zu überwinden, welches mehrheitlich Leid verursacht. Die Offenheit unserer durchaus ausbaufähigen Diskussionskultur kam zuletzt und bedauerlicherweise immer wieder zu kurz. Wir müssen uns also bewusstwerden, dass egoistisches Verhalten eine manifeste Prägung des Kapitalismus ist und wir seine Opfer sind, sobald wir nicht kollektiv denken oder handeln. Demnach muss der Zusammenhalt und das Weitertragen der sozialistischen Fackel an erster Stelle stehen, ohne sich dabei der Unterdrückung durch den Kapitalismus zu beugen.

II. Vom Inneren und vom Äußeren

Der innere Zusammenhalt unserer Bewegung darf keineswegs aufgrund einzelner Befindlichkeiten, welche sich subjektiv und meist in Personalentscheidungen manifestieren, aufs Spiel gesetzt werden. Daher dürfen wir unseren inneren Aktivismus niemals von temporären äußeren Aushängeschildern abhängig machen. Spätestens seit dem metaphorischen Kampf um Troja müsste uns klar sein, dass sich ein System zunächst ausschließlich von innen heraus bekämpfen lässt, obwohl bekannt ist, dass sich an dieser Stelle die Geister scheiden. Unabhängig davon könnte jedoch Einigkeit darüber herrschen, dass wir zunächst unsere innere Haltung offen und ehrlich beobachten, bevor wir sie nach außen tragen.

Denn nur wenn wir von unseren Forderungen überzeugt sind, können wir sie glaubhaft vermitteln. Die damit verbundene innere Überzeugung ist maßgeblich, um das Feuer im Äußeren zu zünden. Jede*r Einzelne muss in seinen*ihren individuellen Fähigkeiten achtsam sein und eigenverantwortlich die Veränderung der Welt ins Auge fassen, die unabdingbar mit der Umverteilung von ökonomischen Ressourcen und dem sozialen und ökonomischen Ausgleich von Klassengegensätzen verbunden ist. Der Erfolg oder Nichterfolg unserer Bewegung beginnt also bei jedem*r Einzelnen und mündet anschließend kollektiv in die Welt.

III. Der Kapitalismus als Grundübel

Das Bewusstsein, nach wie vor lohnabhängig zu sein, und der Umstand, dass sozioökonomische Realitäten auf menschliche Lenkungsmechanismen zurückzuführen sind, sollte verstärkt in die Köpfe der Bevölkerung eindringen. Denn ohne ein solches Grundverständnis, welches über den Tellerrand einzelner politscher Entscheidungen hinausblickt, hat der Kapitalismus seinen allgemeinen Plan erfüllt, indem wir uns – medial gelenkt – nur mit aktuellen Gegebenheiten abfinden. Allzu gerne reden wir über kleinere Themen, die meist vom Kapital und seinen Medien gesteuert werden und letztlich vom großen Ganzen ablenken. Meist haben in dieser vermeintlichen Öffentlichkeit gravierende Fehlinterpretationen von Ökonomie, Geschichte und Volkswirtschaft das Sagen. Es wird eben nur geredet, während der Kapitalismus ungestört seine Geschäfte fortsetzen kann.

IV. Gesellschaftspolitscher Ausgleich

An diesem Punkt angelangt, sollte sich die SPÖ aber auch des gesellschaftspolitischen Gefälles annehmen. Die Schieflage einer Gesellschaft bemisst sich nicht ausschließlich am ökonomischen (Bildungs-)Status, sondern hat nach wie vor mit der jeweiligen Herkunft einer Person zu tun – und dies ganz im Marxschen Sinne, der davon ausging, dass das (ökonomische) Sein das (ideelle) Bewusstsein bestimmt. Diverse Gesellschaftsschichten wie Zuwander*innen und flüchtende Menschen sind Opfer von Kapitalismus, Staat oder auch Religion, die von der jeweiligen Kultur geprägt wurde. Das Gefühl all jener, die sich vor Einschnitten in Arbeitsrechte, Lohndumping, steigender Homophobie, Antisemitismus und der Gefahr der damit verbundenen gesellschaftlichen Polarisierungen fürchten, muss aufgenommen und offen sowie kontroversiell diskutiert werden. Dabei dürfen wir uns nicht schon zu Beginn in eine „Links-Rechts“- oder „Gut–Böse“-Schachtel drängen lassen. In der inneren Diskussion dürfen wir uns auch nicht ausschließlich von der Sprache und der damit verbundenen Ausdrucksweise leiten lassen, sondern sollten der Kernbotschaft des Gegenübers Gehör schenken und dahingehend als Übersetzer*in fungieren. Denn eine wertschätzende Diskussion, verbunden mit aufrichtiger innerer Haltung, wird dem faulen Mundgeruch des Kapitals im Rahmen einer demokratischen Öffentlichkeit widerstehen.

V. Schnelllebige Welt

Wir müssen uns aber auch klar machen, dass durch die Globalisierung eine einst große Welt zum Dorf gemacht wurde. Wir leben in einem Global Village (Marshall McLuhan). Die Veränderungen, mit denen wir z. B. angesichts der dritten industriellen Revolution durch Digitalisierung zu kämpfen haben, sind durchaus rasant. Auch hier wäre es wünschenswert, verstärkt auf die individuelle gesellschaftspolitische Realität einzugehen. An dieser Stelle dürfen wir uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in einer globalen Dorfgemeinschaft verschiedenste Herausforderungen zu meistern gilt. Denn immerhin leben auch wir in einer Welt, in der die große ihre Probe hält.

Um unserer sozialistischen Verpflichtung weiter gerecht zu werden, die das Erbe einer geeinten Arbeiter*innenbewegung tragen soll, muss die sozialdemokratische und sozialistische Partei stets für die aktive Umverteilung ökonomischer Ressourcen eintreten und soziale und ökonomische Missstände anprangern. Sie darf den Kapitalismus keineswegs stützen und muss eine deutliche Alternative anbieten können. Denn letztlich füttert die mangelnde Umverteilung von oben nach unten, sowie die Akzeptanz des Status quo eben diese kapitalistische Produktionsweise und die mit ihr verbundenen Ausbeutungsverhältnisse.

VI. Conclusio

Letztlich ist es unsere sozialistische Verpflichtung die inneren Mechanismen des Kapitalismus zu erkennen, sich mit ihnen zu beschäftigen und sie vehement im Inneren als auch im Äußeren zu bekämpfen. Wenn wir davon ausgehen, dass die große Welt (Kapital) in der kleinen (Gesellschaft) ihre Probe hält, wäre es Zeit sich von den Sitzplätzen zu erheben und den Rollentausch vorzubereiten.

Freund*innenschaft!

ALEXANDER KAISER

hat an der Universität Wien Politikwissenschaft mit Schwerpunkt österreichische Politik und EU sowie Internationale Politik studiert. Während seines Studiums hat er sich vertiefend mit politischen Theorien, insbesondere mit Otto Bauer und dem Austromarxismus, auseinandergesetzt. Weiter gilt seine Leidenschaft der Wiener Wohnbaupolitik, über die er auch seine Diplomarbeit verfasst hat. Aktuell ist er in der Mieterhilfe als fachlicher Mitarbeiter tätig.