Seit Gründung der österreichischen Sozialdemokratie ist die rechtliche und ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern Teil der Programmatik. SUSANNE FEIGL beleuchtet in ihrem Beitrag wichtige Stationen und Highlights der Frauenpolitik.
50 Jahre ist es her, dass Frauenpolitik erstmals international ins Zentrum der Aufmerksamkeit getreten ist. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, wurde von und für Frauen hart erkämpft. Johanna Dohnal als 1. Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen hat hier einen wesentlichen Beitrag geleistet. Der Artikel beleuchtet die Entwicklung der Gleichstellung der Frauen in Österreich, die im rechtlichen Bereich als abgeschlossen bezeichnet werden kann, die ökonomische Gleichstellung und die ausgewogene Repräsentanz in der Politik bleiben aber weiterhin wichtige Zielsetzungen.
1975
Die Vereinten Nationen erklären das Jahr 1975 zum Internationalen Jahr der Frau. In Mexico-City findet die erste Weltfrauenkonferenz der UNO statt. Beschlossen wird ein Welt-Aktionsplan mit dem Ziel, die Stellung der Frau weltweit zu verbessern. Die Jahre 1975–1985 werden von der UNO zum „Jahrzehnt der Frau“ erklärt.
Die österreichische Bundesregierung publiziert zum ersten Mal einen umfassenden wissenschaftlichen Bericht über die Situation der Frauen in Österreich.
1975–1978
Familienrechtsreform. Das neue Familienrecht beendet die Vormachtstellung des Mannes innerhalb der Familie. Der Mann ist nicht länger das „Haupt der Familie“ und kann seiner Ehefrau nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein. Gegenüber ihren Kindern haben Vater und Mutter ab nun gleiche Rechte und Pflichten. Das während einer Ehe erworbene Privatvermögen wird im Falle einer Scheidung geteilt. Bis dahin galt die Rechtsvermutung, dass es „vom Manne stammt“.
1978
Gründung des ersten Frauenhauses Österreichs in Wien, in dem von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder Zuflucht finden. Inzwischen existieren in Österreich 30 solcher Zufluchtsstätten.
1979
Die Regierung Kreisky setzt erstmals in Österreich Frauenstaatsekretärinnen ein:
– Johanna Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt und
– Franziska Fast als Staatssekretärin für die Belange der berufstätigen Frau im Sozialministerium.
Damit wurden Frauenfragen als eigenständiger Politikbereich etabliert.
Das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft (Gesetz über die Gleichbehandlung von Mann und Frau bei der Festsetzung des Entgelts) tritt in Kraft. In der Folge werden die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerlöhnen in Kollektivverträgen beseitigt.
Einführung eines gemeinsamen Werkunterrichts für Buben und Mädchen an Volksschulen. Geometrisch Zeichnen, ein Unterrichtsgegenstand, der bis dahin in Hauptschulen für die Mädchen lediglich Wahlfach war, ist nun für Mädchen und Buben Pflichtfach.
1981
Beschluss eines Förderungsprogramms für Frauen im Bundesdienst, das konkrete Maßnahmen bezüglich Einstellung (z. B. geschlechtsneutrale Stellenausschreibung), Weiterbildung und Beförderung von Frauen enthält.
1982
Österreich ratifiziert die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen.
1983
Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Bis dahin konnte nur der Vater seine Staatsbürgerschaft an Kinder weitergeben, was zur Folge hatte, dass Kinder aus Ehen von Österreicherinnen mit Ausländern in jedem Fall ausländische Staatsbürger waren. Nun können auch Mütter ihre Staatsbürgerschaft an Kinder weitergeben.
1985
Der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft wird erweitert, und zwar unter anderem um die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.
1987
Eliminierung aller geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Lehrplänen von Schulen (z. B. betreffend Hauswirtschaft, Werkunterricht) durch eine Novellierung des Schulorganisationsgesetzes. Allerdings gibt es nach wie vor enorme Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich Berufs- und Studienwahl. Frauen stellen unter den Absolvent*innen von Studien im Bereich Geisteswissenschaften die Mehrheit (77 %), im Bereich Technik allerdings eine Minderheit von 30 Prozent (1975: 8 %).
1988
Die Änderung des Bundesverfassungsgesetzes und des Beamtendienstrechtsgesetzes schafft eine wichtige Grundlage für die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen. Bis dahin wurden Amtsbezeichnungen und Titel sprachlich ausschließlich in der männlichen Form verwendet (z. B. der Staatssekretär für Frauenfragen), was de facto einer Verurteilung der Frauen zur sprachlichen Nichtexistenz gleichkam. Nunmehr sind Amtsbezeichnungen und Titel in jener Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt (z. B. Ministerin).
1990
Das Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen wird im Zuge der Regierungsneubildung aufgewertet: Geschaffen wird die Position einer Bundesministerin für Frauenangelegenheiten im Bundeskanzleramt.
Das Eltern-Karenzurlaubsgesetz ermöglicht es auch (unselbständig erwerbstätigen) Vätern in Karenzurlaub zu gehen. Väter und Mütter können den Karenzurlaub wahlweise in Anspruch nehmen oder sich den Karenzurlaub teilen.
Die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft verlangt die Einsetzung einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen. Wer sich im Beruf aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt fühlt, hat seitdem eine direkte Ansprechpartnerin. Seit 1998 auch in den Bundesländern, wo Regionalbüros und Regionalanwältinnen für Gleichbehandlungsfragen bestellt werden.
1993
Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz regelt die Förderung von Frauen im Bereich des Bundesdienstes. Das im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz verankerte Gleichbehandlungsgebot entspricht jenem, das für die Privatwirtschaft Geltung hat, es enthält zusätzlich aber auch ein Frauenförderungsgebot, das die Chancengleichheit von Frauen aktiv fördert.
Einbeziehung des Krankenpflegepersonals ins Nachtschwerarbeitsgesetz.
1994–1997
In diesem Zeitraum beschließen auch die einzelnen Bundesländer Landes-Gleichbehandlungs- bzw. Frauenförderungsgesetze.
1995
Vierte (und letzte) UN-Weltfrauenkonferenz in Peking. Gender Mainstreaming wird als gleichstellungspolitische Strategie zur Verwirklichung tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen eingeführt. In der Folge verpflichtet sich auch die österreichische Bundesregierung zur Umsetzung der Strategie und gründet die Interministerielle Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming/Budgeting.
Eine Änderung des Namensrechtes ermöglicht es, dass bei einer Eheschließung jede Person ihren bisherigen Familiennamen behält.
1997
Die Europäische Union verpflichtet sich im Amsterdamer Vertrag, Gender Mainstreaming in allen Phasen politischer Prozesse und in allen politischen Maßnahmen zu berücksichtigen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Damit wurden alle Mitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik verpflichtet.
Gründung einer Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt zur nationalen Koordinierung und Förderung der Frauen- und Gleichstellungspolitik.
Das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie ermöglicht es, dass die polizeiliche Wegweisung einer gewalttätigen Person aus der Wohnung bzw. ein Verbot der Betretung der Wohnung erfolgt.
2000
In der neuen Regierung (ÖVP-FPÖ-Koalition) gibt es keine Frauenministerin. Drei Jahre lang ist ein Mann (Minister Herbert Haupt, FPÖ) auf Regierungsebene für Frauenfragen zuständig.
2004
Das Recht auf Elternteilzeit wird gesetzlich eingeführt. Unselbständig erwerbstätige Väter und Mütter haben bis zum Ablauf des 8. Lebensjahres des Kindes die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren (allerdings nicht beide gleichzeitig), sofern sie in einem Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten tätig sind.
2010
Das Bundeskanzleramt publiziert den letzten wissenschaftlichen Bericht zur Situation der Frauen in Österreich.
2011
Der Ministerrat beschließt, den Frauenanteil in Aufsichtsgremien staatsnaher Unternehmen sukzessive bis auf 40 % zu erhöhen.
2013
Österreich ratifiziert das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention).
2014
Im Interesse der Verringerung der geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede, sind alle Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gesetzlich verpflichtet, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen.
Nationale Strategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Präventionsmaßnahmen, Schutzangebote, Erweiterung der Frauenhäuser)
2017
Das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat sieht Geschlechterquoten von 30 % für Aufsichtsräte sämtlicher börsenorientierter Unternehmen sowie für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten vor. Tatsächlich stieg der Anteil der Frauen in den Aufsichtsräten von 16,1 % im Jahr 2017 auf 35,1 % im Jahr 2022.
2018
Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig weiblich oder männlich ist, können im Personenstandsregister die Option „divers“ wählen. Das bedeutet auch, die der Gleichstellungspolitik zugrundeliegende Konzeption zu überdenken.
2019
Der Rechtsanspruch auf den „Papamonat“ wird eingeführt. Das bedeutet, dass alle unselbständig erwerbstätigen Väter, aus Anlass der Geburt eines Kindes, das im gemeinsamen Haushalt lebt, einen Rechtsanspruch auf eine einmonatige Freistellung von der Arbeit gegen Entfall des Entgelts haben.
Hier und jetzt
Immer mehr Frauen sind erwerbstätig. Der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen beträgt lt. Statistik Austria inzwischen 47 % (1981: 40,4 %, 1991: 41,4 %)
Die unbezahlten familiären Arbeiten fallen traditionell in die Zuständigkeit von Frauen. Dass sich daran kaum etwas ändert, zeigt die aktuelle Zeitverwendungsstudie von Statistik Austria. Frauen tragen nach wie vor die Hauptverantwortung für Haushalt und Kinderbetreuung und sind zeitmäßig damit unvergleichlich mehr belastet als Männer. Frauen erledigen im Durchschnitt zwei Drittel der im Haushalt anfallenden Arbeiten. Und selbst wenn Mann und Frau in einer Familie gleich viel an Erwerbsarbeit leisten, bleiben Frauen trotzdem für 64 % der Hausarbeit zuständig und für einen Gutteil der Kinderbetreuung. Der ohnehin immer sehr geringe Anteil an Männern, die in Karenz gehen, geht seit 2016 zurück. Unter den Bezieher*innen von Kinderbetreuungsgeld finden sich derzeit nur 3,4 % Väter.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass knapp mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen (50,6 %) in Österreich Teilzeit arbeitet, von den Männern hingegen nur 13 %. Der Anteil der Teilzeit arbeitenden Frauen ist enorm gestiegen. 1975 lag er bei 15 %. (Statistik Austria 2023)
Dazu kommt: Frauen haben in den letzten 50 Jahren zwar hinsichtlich der Ausbildung aufgeholt. Unter den Absolvent*innen allgemeinbildender höherer Schulen und Hochschulen sind Frauen inzwischen die Mehrheit. Frauen verdienen aber brutto pro Stunde um 18,4 % weniger als Männer. Dieser Gender Pay Gap gehört zu den höchsten innerhalb der Europäischen Union. Und die „Spitze des Eisbergs“ (Christine Mayrhuber, Wifo): die Pension von Frauen ist im Durchschnitt um 41 Prozent geringer als jene der Männer.
2025
Obwohl sich in den letzten 50 Jahren sehr viel im Interesse der Frauen verändert hat, sind die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft nicht wirklich überwunden. Es bleibt noch viel zu tun, nicht zuletzt in der Politik.
Von den 183 Abgeordneten im Nationalrat sind 67 Frauen, das sind 36,6 % (1975: 7,6 %). 2021 allerdings war der Frauenanteil bereits höher (42 %) als gegenwärtig.
Nur 11,1 % der Bürgermeister*innen in Österreich sind Frauen (2011: 5 %). In den Gemeinderäten beträgt der Frauenanteil durchschnittlich 26 % (Daten Österreichischer Städtebund).
SUSANNE FEIGL
ist Journalistin und Autorin (unter anderem der Johanna-Dohnal-Biografie „Was gehen mich seine Knöpfe an?“).