Die österreichische Künstlerin Sonja Gassner hat die Bildstrecke der aktuellen Ausgabe gestaltet. In ihrem hier folgenden Artist Statement reflektiert sie über die Möglichkeiten bzw. Fallstricke sprachlichen Ausdrucks und die daraus abzuleitenden Implikationen für ihr Werk. Wenig überraschend begegnen wir darin Fragen nach Gespenstischem, Identität oder uneinlösbarer Nähe:
Ich müsste keine Bilder malen, würde ich tatsächlich in Worte fassen können, was ich in diesen auszudrücken versuche. Vielleicht findet sich deshalb aber gerade in diesem Streben nach dem (Un-)Aussprechbaren ein Einsatzpunkt, um über meine Arbeit nachzudenken.
Was zunächst paradox erscheinen mag, jedoch eine Grundbedingung jedes sprachlichen Ausdruckes darstellt, ist, dass wir, sobald wir sprechen, nicht nur etwas, sondern immer auch schon uns selbst mitteilen. Mit Hannah Arendt gesprochen, treten wir als einzigartig und von anderen differierend in Erscheinung, sobald wir das Wort ergreifen. Zugleich ist jeder Versuch, sich in dieser Einzigartigkeit mitteilbar zu machen, jedoch immer schon kompromittiert von der Tatsache, dass wir uns einer Sprache bedienen müssen, von der alle anderen ebenso Gebrauch machen – eine Sprache, die angeeignet wird, die interpretiert und umgedeutet werden kann. In jedem sprachlichen Ausdruck überkreuzen und bedingen sich Differenz und Gleichartigkeit, Singularität und Allgemeinheit somit wechselseitig. Dies gilt, so denke ich zumindest, auch für die Malerei und für die gegenständliche Malerei vielleicht in besonderem Maße.
Jedes meiner Bilder gibt etwas von mir preis. Was mich thematisch interessiert, ist die malerische Erkundung des Traumhaften einerseits und der Beziehungen, die Körper zueinander eingehen, andererseits. Dabei spielen auch Fragen nach sexueller und geschlechtlicher Identität eine Rolle. Dennoch ist die Suche nach Ausdruck immer schon vermittelt durch eine Bildsprache, die nie nur meine ist. In Komposition oder Motivik nehme ich oft Anleihen an Kunstwerken der älteren und jüngeren Kunstgeschichte, manchmal auch am Film oder an der Fotografie. Ich arbeite mit Zeichen und Symbolen, die verschoben, angeeignet, in neue Sinnzusammenhänge eingewoben und immer wieder anders interpretiert werden können. Perspektiven werden fragmentiert und Räume multiplizieren sich. Die Kuratorin Johanna Thorell, deren Imaginationsfähigkeit und Wissen ich unheimlich schätze, hat einmal gesagt, die geisterhaften Figuren, die in vielen meinen Bildern auftauchen, seien wie Simulakren: Spuren von Spuren eines Anwesenden, das sich verdoppelt, verschiebt und, wie Jacques Derrida sagen würde, „eigentlich nicht stattfindet“.
Im Grunde genommen ist jedes Bild bereits eine Doppelung – Ausdruck von etwas, das im selben Moment, in dem es interpretierbar wird, ebenso unausdrückbar bleibt. Es ist diese unauflösbare Spannung, welche überhaupt erst einen Prozess bildhafter Übersetzung anstößt und die mich beim Malen interessiert. Einer meiner Professoren meinte, meine Bilder seien geprägt von einer Bewegung nach innen und es würde sich in ihnen ein Bedürfnis nach Verbindung ausdrücken. Das mag zuerst paradox anmuten, scheint aber treffend. So streben noch die Protagonist*innen meiner Bildwelten nach einer Intimität und Verbundenheit, die für sie letztlich niemals vollkommen erreichbar zu sein scheint.
Kontakt zur Künstlerin über die Redaktion der ZUKUNFT oder unter ihrem Instagram Account: sonja_gassner
Disclaimer Die Künstlerin betont ausdrücklich ihre Distanzierung von allen anderen namentlich gekennzeichneten Beiträgen im vorliegenden Heft, in denen eine aus ihrer Sicht unkritische Rehabilitierung von historischen Personen bzw. die Verharmlosung von deren Entscheidungen und Verhaltensweisen unternommen wird.