»ES MÜSSEN IMMER DIE NÄCHSTEN SCHRITTE FOLGEN« JOHANNA DOHNAL IM INTERVIEW (im Jänner 2008)

Johanna Dohnal 2008

»Es müssen immer die nächsten Schritte folgen«

INTERVIEW in der Ausgabe ZUKUNFT 01 2008, geführt von Stefanie Vasold und Laura Dobusch

Es hat den Anschein, als würden einerseits manche Errungenschaften der 70er Jahre in der SPÖ verblassen, teilweise sind die Begründungen für bestimmte Maßnahmen, etwa das Prinzip der Individualbesteuerung, schon vergessen. Andererseits sind deutliche Zeichen eines Versuchs, die Geschichte umzukehren von Seiten der politischen Rechten wahr zu nehmen. Das gilt sowohl für die Steuerpolitik, als auch für die Frage der Fristenregelung. Laura Dobusch und Stefanie Vasold haben daher Johanna Dohnal für die ZUKUNFT zu einem Interview gebeten.

Johanna Dohnal wurde 1979 erste Frauenstaatssekretärin und 1990 erste Frauenministerin Österreichs. Massive Verbesserungen für die Stellung der Frau im Familienrecht und im Gewaltschutz gehen auf ihre Kappe. Heute arbeitet sie wieder an der Basis und organisiert in Mittergrabern (NÖ) Frauenstammtische, eine Kinderfreunde-Gruppe und den Kulturverein. Johanna Dohnal spricht über die aktuelle Frauenpolitik der Regierung, über Gleichberechtigung in der SPÖ und über zukünftige Herausforderungen.

Zukunft: Eine gewisse Flexibilisierung des Kindergeldes und 45 Millionen Euro für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen in den Ländern sind beschlossen. Ein solider Kompromiss oder gibt es weiteren Handlungsbedarf?

Johanna Dohnal: Das jetzige Verhandlungsergebnis ist sehr wichtig und anscheinend steht die Spitze der Partei bis abwärts dahinter. Das war nicht immer so. Das hat sich tatsächlich zum Positiven verändert. Vorweg muss ich sagen, dass mir vollkommen klar war, dass mit der ÖVP als Koalitionspartner – noch dazu bei der Ausgangslage des Wahlergebnisses – beinharte Verhandlungen anstehen. Denn genau die Themen Bildung und Frauen sind am meisten umkämpft. Bei der Bildung geht es darum, die Menschen von der Bildung fernzuhalten, ihnen die Zugänge zu erschweren. Bei den Frauen wollen sie ihre Verfügbarkeit sicherstellen, bis hin zur Verfügbarkeit der Gebärfähigkeit. Insofern ist es natürlich ein Fortschritt, dass diese Flexibilisierung durchgesetzt werden konnte. Aber jetzt darf nicht locker gelassen werden, es muss sofort weitergearbeitet werden. Die Flexibilisierung ist nur ein erster Schritt. Es muss alles geschehen, dass die Frauen sich tatsächlich selbst ihr Einkommen verdienen können. Das heißt die Berufstätigkeit und die Vereinbarkeit – obwohl ich das Wort nicht mehr hören kann – müssen gewährleistet sein. In den vergangen Jahren wurde ziemlich viel an Porzellan zerschlagen, nicht nur unter Schwarz-Blau. Das Kindergeld ist ein gutes Bespiel dafür, denn dazu hätte es nie kommen dürfen. Da hätte die Partei ganz einfach standhaft bleiben müssen, schon in der Zeit als ich noch verantwortlich war.

Das Kindergeld wurde aber von Schwarz-Blau eingeführt.

Das stimmt, aber die Diskussion gab es schon vorher und die ist nicht richtig geführt worden. Schon vor vielen Jahren hat die ÖVP das Kindergeld unter dem Titel Erziehungsgeld gefordert, unterstützt von dem Institut für Ehe und Familie, das mit sehr viel Geld von den jeweiligen FamilienministerInnen der ÖVP finanziert worden ist. Es wurde eine richtige Propagandamaschinerie angeworfen. Jörg Haider ist mit dem Kinderscheck auf den Zug aufgesprungen und führte ihn in Kärnten auch ein. Die Reaktion der SPÖ darauf war halbherzig. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der Spruch »Karenzgeld für alle« vom damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler mit »Nicht für alle, aber alle die es brauchen« kommentiert wurde. Das war keine Strategie. Da ist nichts dahinter gestanden, also keine gebündelte Kraft. Das hat sich jetzt verändert. Da sehe ich eine Verbesserung. Insofern bin ich mit der jetzigen Lösung zufrieden, weil ich den Kampf dahinter gemerkt habe und weil es tatsächlich eine Verbesserung in einigen Punkten ist, aber letztendlich kann man da nicht aufhören.

Die ÖVP heizt die Debatte mit ihrer Forderung nach dem so gennannten Familiensplitting, einer Familienbesteuerung, weiter an. Wer profitiert von einer derartigen Steuer?

Es profitieren ganz klar die Männer davon, die ein mittleres Einkommen haben und deren Frauen nicht berufstätig sind. Ob diese Besteuerung dazu führt, dass sie mehr Kinder kriegen, weiß ich nicht, glaube ich aber nicht. Jedenfalls wird das Einkommen durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt und somit müssen dementsprechend wenig Steuern zahlen. Die Familienbesteuerung gab es bis 1972, wobei damals die Ledigen am meisten gezahlt haben. Insofern halte ich vom Familiensplitting absolut nichts.

Eine Folge des Familiensplittings wäre, dass es wieder leistbarer wird, dass Frauen zu Hause bleiben. Dem gegenüber steht zum Beispiel die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer, die für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eintritt. Wie kommt es zu diesen widerläufigen Interessen?

Ich kann nur sagen, dass ich mir derartige Aussagen gewünscht hätte als wir um ein einheitliches Gesetz für die Kinderbetreuung und damit einhergehend die nötigen finanziellen Mittel gekämpft haben. Aber die Motive, die die Wirtschaftsvertreter mit solchen Forderungen haben sind ziemlich klar. Die Frauenbeschäftigung ist offensichtlich eine Größe in ihrem Wirtschaftsdenken. Das ist jedoch auch nicht neu. Denn die Frauen als Verschiebemasse, die bei Bedarf als billigst Kräfte geholt werden, zu benutzen ist alt. Die unselbstständige Beschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse betreffen heute nicht mehr nur so genannte Hilfsarbeiterinnen – wie wir es damals genannt haben – sondern auch Frauen mit akademischem Abschluss. Nach dem Ende des Studiums ist nicht klar ob nicht auf Basis eines Werkvertrages oder Projektarbeit das Geld verdient werden muss. Der Wirtschaft geht es nicht darum, dass die Frau nicht Mensch zweiter Klasse sein soll, sondern ganz klar um billige Arbeitskräfte. Im Gegensatz dazu gibt es die Konservativen, und ich sage absichtlich nicht ÖVP, denn die gibt’s nämlich überall, und die wollen die Frauen wiederum ganz woanders sehen.

Die ÖVP heizt die Debatte mit ihrer Forderung nach dem so genannten Familiensplitting, einer Familienbesteuerung, weiter an. Wer profitiert von einer derartigen Steuer?

Es profitieren ganz klar die Männer davon, die ein mittleres Einkommen haben und deren Frauen nicht berufstätig sind. Ob diese Besteuerung dazu führt, dass sie mehr Kinder kriegen, weiß ich nicht, glaube ich aber nicht. Jedenfalls wird das Einkommen durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt und somit müssen dementsprechend wenig Steuern zahlen. Die Familienbesteuerung gab es bis 1972, wobei damals die Ledigen am meisten gezahlt haben. Insofern halte ich vom Familiensplitting absolut nichts.

Eine Folge des Familiensplittings wäre, dass es wieder leistbarer wird, dass Frauen zu Hause bleiben. Dem gegenüber steht zum Beispiel die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer, die für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eintritt. Wie kommt es zu diesen widerläufigen Interessen?

Ich kann nur sagen, dass ich mir derartige Aussagen gewünscht hätte als wir um ein einheitliches Gesetz für die Kinderbetreuung und damit einhergehend die nötigen finanziellen Mittel gekämpft haben. Aber die Motive, die die Wirtschaftsvertreter mit solchen Forderungen haben sind ziemlich klar. Die Frauenbeschäftigung ist offensichtlich eine Größe in ihrem Wirtschaftsdenken. Das ist jedoch auch nicht neu. Denn die Frauen als Verschiebemasse, die bei Bedarf als billigst Kräfte geholt werden, zu benutzen ist alt. Die unselbstständige Beschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse betreffen heute nicht mehr nur so genannte Hilfsarbeiterinnen – wie wir es damals genannt haben – sondern auch Frauen mit akademischem Abschluss. Nach dem Ende des Studiums ist nicht klar ob nicht auf Basis eines Werkvertrages oder Projektarbeit das Geld verdient werden muss. Der Wirtschaft geht es nicht darum, dass die Frau nicht Mensch zweiter Klasse sein soll, sondern ganz klar um billige Arbeitskräfte. Im Gegensatz dazu gibt es die Konservativen, und ich sage absichtlich nicht ÖVP, denn die gibt’s nämlich überall, und die wollen die Frauen wiederum ganz woanders sehen.

Als Gegenbeispiel sei hier die deutsche CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen genannt. Sie lässt mit fortschrittlichen Ideen wie Elterngeld, eine Lohnersatzleistung bis zu 1800 Euro und einem Rechtsanspruch auf Krippenplätze ab 2013 aufhorchen. Bedeutet dies eine Bestätigung der immer wieder vertretenen These, dass sich Frauenpolitik nicht in einem klassischen Links-Rechts-Schema verorten lässt?

Es ist schon wahr – in der Frauenpolitik explizit aber auch in anderen Politikbereichen –, dass man Politik nicht ganz streng in links und rechts einteilen kann. Da muss man aber zuerst definieren, was man unter links und rechts versteht. Auf alle Fälle ist übergreifend doch festzustellen, dass es sehr stark um den Abbau von Abhängigkeiten und mehr Selbstbestimmung geht. Spätestens im Detail trennt sich die Spreu vom Weizen. Überhaupt glaube ich, dass man das nur an Hand von konkreten Beispielen diskutieren kann. Man kann sagen, dass alle Frauen benachteiligt sind. Egal wie hoch ihre eigenes Einkommen oder das ihres Mannes ist. Nur wenn man hier aufhört, dann kommt man auf keinen grünen Zweig. Die alles überdeckende Schwesterlichkeit, die immer wieder gefordert wurde, jedenfalls in der Zeit als wir gekämpft haben, die gibt es nicht. Es gibt Interessensgegensätze. Und die hängen von der sozialen Situation ab in der die Menschen leben.

Wie etwa bei der Frage Schwangerschaftsabbruch, der immer wieder in Diskussion gerät. Die ÖVP setzt sich für eine verpflichtende Bedenkzeit zwischen Beratung und Durchführung des Eingriffs ein.

Auch das ist ein alter Hut. Das muss sofort in Angriff genommen werden. Die SPÖ-Frauen müssen sich für eine Weiterentwicklung der Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs einsetzen, ähnliches gilt für die Ausweitung der Schutzzonen vor Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen. Schon zu meiner Zeit hätten wir mehr für die Durchführung in den öffentlichen Krankenanstalten und die Errichtung eigener Ambulatorien kämpfen müssen. Es gab auch Verhandlungen mit der Gebietskrankenkassa und den Ländern, aber damals war auch nicht wahnsinnig viel Unterschützung vorhanden. Wie heute die Unterstützung der Partei – also Länder, Gemeinden bis in die Ortsorganisationen – aussehen würde kann ich auch nicht sagen, wahrscheinlich nicht sehr viel besser als damals.

Wie beurteilst du das Konzept Gender Mainstreaming, das mittlerweile in vielen Institutionen Einzug gehalten hat? Ist es eine Chance für Frauen, dass auch strukturell auf die Gleichstellungsbestrebungen reagiert wird oder ist es ein Schlagwort, bei dem es nur um die maximale Verwertbarkeit der Humanressource Frau maximal geht?

Ich will das Gender Mainstreaming nicht total verteufeln, weil ich es schon die ganze Zeit gemacht habe. Aber mein Eindruck ist nach wie vor, dass Gender Mainstreaming auch dazu verwendet wird, um die Radikalität einer politischen Frauenbewegung zu kappen. In Wirklichkeit ist Gender Mainstreaming ja nur ein Instrumentarium und in diesem Sinn ist es zu bejahen. Ähnliches haben wir beim Frauenförderungsgesetz für den öffentlichen Dienst gemacht. Es wurden Kriterien festgesetzt, die zu erfüllen waren. Das hieß vielleicht nicht Gender Mainstreaming aber es ging um Bedingungen, die von der Bürokratie zu erfüllen waren. Und wenn von der Bürokratie was zu erfüllen ist, dann marschiert die Maschine. Das funktioniert dann. Das heißt nicht, dass die konservativen Finsterlinge nicht trotzdem dagegen sind, aber die Beamten müssen es machen

Siehst du Möglichkeiten, gesetzliche Frauenförderungsmaßnahmen auch in der Privatwirtschaft stärker einzusetzen beispielsweise durch eine Koppelung öffentlicher Auftragsvergaben oder Förderungen an den Nachweis von konkreten Gleichstellungsmaßnahmen im Unternehmen?

Das ist eine Forderung, die man stellen muss. Ich weiß nur nicht, wie das in der Umsetzung funktionieren kann, wie man das kontrollieren kann. Da müsste man mit Fachleuten sprechen.

Aber Kriterien für öffentliche Förderungen gibt es ja bereits jetzt.

Natürlich, ja. Wir haben das auch damals in Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit festgesetzt. Es wurden Richtlinien eingeführt und es musste beantwortet werden, wem das Geld wofür zu gute kommt. Das macht schon Sinn: Nicht teure Maschinen kaufen, sondern das Geld den Frauen zu geben, die dort eine Selbstversorgung aufbauen.

Lässt sich ein Teil des Fortschrittes, der in den westlichen industrialisierten Ländern in den letzten 30 Jahren von statten gegangen ist auch auf der internationalen Bühne nachvollziehen?

Ich bin in diesem Thema keine Fachfrau und gezwungen Vermutungen aufzustellen, was ich sehr ungern mache. Aber bei allem was ich sehe oder lese wird schon klar: Es gibt Bewegungen. Und es tauchen neue Themen auf, die vor 20 Jahren noch nicht wirklich diskutiert wurden, wie z.B. Menschenhandel. Ich glaube schon, dass es weltweit viele Frauen gibt, vor allem dort wo Armut herrscht, bzw. wo Armut gemacht wird, die sich wehren. Immer wieder liest man z.B. von Frauen im Iran, im Irak – überall gibt es Frauen, die aufstehen. Vielleicht sind es heute mehr als vor 50 Jahren.

In der Öffentlichkeit werden islamische Frauen vor allem im Zusammenhang mit der »Kopftuchfrage« thematisiert. Konservative und Freiheitliche verweisen in dem von ihnen propagierten Kampf der Kulturen« oftmals auf die Unterdrückung der Frau, die sich für sie am Kopftuch symbolisiert. Wird Frauenpolitik hier missbraucht?

Wir kennen die Motive der FPÖ und des BZÖ. Die haben ein eindeutiges Ziel: Es geht um Ausländerfeindlichkeit und sie nehmen das Kopftuch als Argument um Leute zu gewinnen. Aber abgesehen davon ist natürlich klar, dass es im Grunde um die Verschleierung der Frau geht – und das Kopftuch ist auch ein Symbol dafür, auch wenn es in der Diskussion verkürzt verwendet wird. Und wenn das so ist, ist es auch wichtig, dass das von Frauen – auch solchen aus anderen Kulturen und Religionen – aufgezeigt wird. Es soll jeder Frau unbenommen bleiben, ob sie mit einem kahlgeschorenen Kopf geht, ein Kopftuch trägt oder eben nicht. Diskutieren kann man das nur politisch. Im Grunde geht es doch immer darum, welche Chancen die Menschen haben. Und trotzdem darf man nicht ausblenden, was auch passiert: Wie ist das mit den Ehrenmorden und Zwangsverheiratungen? Das passiert ja. Ich finde es jedenfalls positiv, dass da auch öffentlich darüber gesprochen wird. Und der Staat muss eine Meinung dazu haben und sich äußern. Ob das Problem nur mit einem Kopftuchverbot zu lösen ist, bezweifle ich. Viel mehr braucht es Bewusstseinsarbeit und andere Aktivitäten. Für nicht abwegig halte ich trotzdem, wenn Österreich sagt, an den Schulen und beim Lehrpersonal hat das Kopftuch nichts verloren, weil es für ein Symbol steht. Es geht hier ja nicht um eine religiöse Frage, es ist eine politische Frage.

Müsste man dann nicht auch aus ähnlicher Logik heraus die Kreuze in den Klassenzimmern abmontieren?

Von mir aus natürlich sofort.

Viele rechtliche Ungleichheiten wurden beseitigt. Unterdrückung ist heute subtiler, Stichwort Schönheitswahn

Wir sind uns einig, welche Mächte dahinter stehen, wie Menschen beeinflusst und manipuliert werden. Welche Industrien daran Interesse haben und warum etwas Mode wird. Die wollen ihr Klumpert anbringen, das oft in unwürdigsten Arbeitsbedingungen in Asien von Kindern hergestellt wurde. Durch die Fair-Trade- Kampagne oder Aktivitäten der Frauensolidarität wird zum Glück aufgezeigt, wie das läuft. Ansonsten ist Mode für mich wirklich etwas uninteressantes, in jeder Form. Ich habe mich immer so gekleidet, wie ich mich wohl fühle.

Angela Merkel ist die erste deutsche Kanzlerin. Inwieweit können solche Frauen als Vorbilder für Jüngere dienen? Hat es eine Auswirkung auf das Selbstverständnis von Mädchen, die damit aufwachsen?

Ich denke, es hat eine Auswirkung. Dass Merkel diese Position erreicht, besser erkämpft hat – so locker vom Hocker wird das nicht gewesen sein – hat sicher eine Bedeutung. Es sagt aber noch nichts über deren Politik aus. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass heute Heinz Fischer in der Hofburg sitzt und nicht Benita Ferrero-Waldner. Ferrero-Waldner stellt für mich die Inkarnation des Bildes von Frau-Sein dar, gegen das ich mein ganzes Leben angekämpft habe.

Wie siehst du die junge Frauengeneration? Bist du optimistisch, dass die feministische Arbeit weitergeht oder hast du den Eindruck die jungen Frauen ruhen sich auf dem Erreichten auf dem Erreichten aus?

Nein, ich habe nicht das Gefühl, dass sie sich ausruhen. Auf der einen Seite bin ich fest davon überzeugt, dass es immer wieder und überall Frauen gibt, die kämpfen. Auf der anderen Seite bin ich total deprimiert darüber, was mit Frauen weltweit passiert. Aber das muss man sich differenziert ansehen: »die Frauen« gibt es weder in Österreich noch in der ganzen Welt. Das Gerede, dass die jungen Frauen das alles nicht interessiert, beeindruckt mich nicht. Das glaube ich nicht. Und außerdem weiß ich, dass die Frauenbewegung ja noch nie eine Massenbewegung war, das wird sie auch in Zukunft nicht sein. Aber ich bin überzeugt, dass es weiter Frauen geben wird, die kämpfen

Wie steht es um die Frauen in der SPÖ? Auch nach dieser Nationalratswahl wurde der 40 Prozent-Frauenanteil im Parlamentsklub wieder nicht erreicht. Was bedeutet das für den Stellenwert von Frauenpolitik in der SPÖ selbst?

Ich kann nur sagen, was ich vor gehabt hätte. Der nächste Schritt wäre gewesen das Parteistatut so zu verändern, dass der 40 Prozent Frauenanteil ein Muss ist. Dass es trotz aller möglichen Schwierigkeiten Sanktionen bis auf die niedrigsten Ebenen gibt. Die nächste Stufe wäre gewesen das Ganze überhaupt auf die gesetzliche Ebene zu bringen und zwar auf die bundesgesetzliche. Ich warte auf beide Maßnahmen, sowohl auf parteiinterner als auch gesetzlicher Ebene. Anders wird es nicht gehen. Und wenn man es schleifen lässt, dann wird der Anteil immer geringer werden. Fast automatisch. Hätten wir damals nicht die 40 Prozent durchgekämpft, dann wären die 25 Prozent nie erfüllt worden. Denn das war noch zu einem Zeitpunkt wo die 25 Prozent noch nicht einmal erfüllt waren. Und auch da war schon sofort der nächste Schritt notwendig. Die nächsten Schritte müssen konsequent folgen.

Woran liegt es, dass genau die Schritte nicht gesetzt werden? Sind die Frauen satt, fehlt ihnen der Biss oder sind die männlichen Machtstrukturen immer noch so massiv?

Ob die Machtstrukturen weniger stark sind als sie es waren, weiß ich nicht. Grundsätzlich sind sie vorhanden. Dennoch ist bei den Frauen eine gewisse Dynamik nicht vorhanden und Dynamik wird nur erzeugt, wenn jemand etwas in Bewegung bringt. Von selbst ist die noch nie entstanden. Es geht um ein permanentes Handeln ohne Rücksicht auf Fragen nach der Stärke des Machtgefälles. Die Frauen mussten sich noch immer alles selbst erkämpfen, auch innerhalb der SPÖ. Und wenn sie das nicht tun, dann bewegt sich auch nichts. Und nun gibt es sehr viele Frauen in hohen Positionen die auch Rücksicht zu nehmen haben auf andere Interessen. Aber im Grunde genommen hat sich nicht viel verändert, die Themen und die Problematiken sind immer noch da.

Was erwartest du dir von der SPÖ in den nächsten Jahren? Wohin soll es gehen?

Grundsätzlich muss die SPÖ alles dafür tun, damit sich die Menschen eine selbstständige Existenz aufbauen können. Das ist natürlich ein globaler Begriff, der mit konkreten Beispielen gefüllt werden muss. Einige frauenpolitische Themen sind ja schon gefallen. Für ganz wichtig halte ich es, das Gewaltschutzgesetz weiter zu entwickeln. Bei der Kinderbetreuung auf keinen Fall locker zu lassen, so dass die Betreuungsangebote auch wirklich geschaffen werden. Und das geht – das geht auch in kleinen Gemeinden, es ist eine Frage des politischen Willens und des Drucks von Bundesseite. Darüber hinaus muss die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs gewährleistet sein. Da muss die SPÖ Farbe bekennen und sich in den Ländern auseinander setzen. Es geht vor allem um die Realisierbarkeit der Durchführung in öffentlichen Krankenhäusern, bis hin zur Errichtung von Ambulatorien. Außerdem muss den Belästigungen, denen Frauen vor den Kliniken ausgesetzt sind, durch die Errichtung von Schutzzonen ein Ende gesetzt werden. Die SPÖ muss immer aufpassen zum einen die Schäfchen zusammen zu halte und zum anderen die Grenzen zu achten, die man nicht überschreiten darf. Ich denke im Großen und Ganzen ist uns das auch gelungen. Ich kann es allerdings nicht für jedes einzelne Gesetz sagen. Es muss der Wille der SPÖ sein, Grenzen zu achten, aber auch nicht aus Feigheit den Mund zu halten. Aber zur SPÖ muss ich ehrlich sagen, dass ich mich mit der jetzigen Zusammensetzung der Partei in Bund und Ländern wohler fühle als ich das bereits getan habe.

Gewinnt die SPÖ die nächste Wahl?

Ja, das ist möglich. Nicht leicht, aber möglich.

LAURA DOBUSCH war lange Jahre jugendpolitisch tätig und studiert Gender Studies. (Zur Zeit des Erscheinen des Artikels: Jänner 2008)

STEFANIE VASOLD ist SJ-Frauensprecherin und studiert Politikwissenschaft. (Zur Zeit des Erscheinen des Artikels: Jänner 2008)

Titelbild:

Johanna Dohnal 2008

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Werner Faymann, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons

SPÖ-Vorsitzender, Spitzenkandidat Werner Faymann, die ehemaligen SPÖ-Frauenministerinnen Johanna Dohnal, Helga Konrad, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures sowie die amtierende Frauenministerin Heidrun Silhavy nehmen in einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema „Konzepte für eine moderne Frauenpolitik“ teil. Wien, 22.09.2008© Thomas Jantzen/SPÖ