Lockdown im Studium – von Karim Hallal

Der Beitrag von KARIM HALLAL liefert einen Rückblick auf das (verlorene) Jahr 2020 und fasst die Konsequenzen der COVID-19-Pandemie für die Lebenswelt der Studierenden zusammen. Der Artikel erschien zuerst in der „Die Zukunft 11-12/2020“. Weitere Artikel aus der Zeitschrift sind hier in unserem Blog zu finden.

I. Einleitung

2020 war – gelinde gesagt – ein sehr ungewöhnliches Jahr. Wir befinden uns nach wie vor in einer Pandemie, die nicht nur die körperliche und geistige Gesundheit massiv bedroht, sondern auch die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen zerstört hat. Im folgenden Beitrag soll deshalb kursorisch auf die Schwierigkeiten verwiesen werden, die durch die Corona-Maßnahmen für die Universität und den üblichen Ablauf des Studiums entstanden sind.

II. Erste Maßnahmen

Am 27. Februar 2020 hat die Universität Wien einen Newsletter mit Informationen zum Coronavirus und zu ersten Maßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr ausgesendet. Diese beinhalteten u. a. verstärkte Reinigung der universitären Räumlichkeiten und die Installation von Desinfektionsspendern. Es wurde auf die Telefonnummer 1450 des öffentlichen Gesundheitsdienstes der Stadt Wien hingewiesen, den man über diese Hotline bei Symptomen wie Fieber, Husten, Kurzatmigkeit oder Atembeschwerden kontaktieren sollte. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Empfehlung der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (ages) verwiesen:

  • Waschen Sie Ihre Hände mehrmals täglich mit Wasser und Seife oder einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel.
  • Bedecken Sie Mund und Nase mit einem Papiertaschentuch (nicht mit den Händen), wenn Sie husten oder niesen.
  • Vermeiden Sie direkten Kontakt zu kranken Menschen“ (ages 2020)

Zu diesem Zeitpunkt war den meisten Beteiligten der Ernst der Situation keineswegs bewusst. Die Maßnahmen brachten aufs Erste keine Einschränkungen mit sich und haben auch an der Universität das Studium nicht behindert. Doch bereits am 02. März 2020 wurde ein neues Informationsblatt zur Covid-19-Situation veröffentlicht. In diesem Schreiben wurde u. a. darauf hingewiesen, dass die Regeln der Anwesenheitspflicht im Rahmen der ersten Einheit einer prüfungsimmanenten Lehrveranstaltung wie gewohnt Bestand haben und dass unentschuldigtes Fehlen zur Abmeldung führt. Ausnahmen wurden nur aus folgenden Gründen gemacht:

„Alle Angehörigen der Universität, die typische Symptome der Erkrankung an sich feststellen oder sich in einem Gebiet mit Covid-19-Erkrankungsfällen (Reisewarnungen des Außenministeriums) aufgehalten haben oder Kontakt mit daran Erkrankten hatten, sind aufgefordert, nicht an die Universität Wien zu kommen. Dies gilt auch für Besucher*innen, Gäste etc.“ (Universität Wien 2020)

III. Distance Learning?

Sollten Studierende also bei der ersten Sitzung nicht erscheinen können, wäre dies der LV-Leitung direkt mitzuteilen. Bei Abwesenheit sollte aufgrund der Situation kulant vorgegangen werden. Anhand dieser Information können wir rückblickend erkennen, dass sich die Situation grundlegend verändert hatte und die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung nunmehr gegeben war. Aber auch zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine drastischen Einschränkungen für das Studium. Etwa eine Woche nach dieser Mitteilung, am 10. März 2020, gab die Universität Wien bekannt, dass der Studienbetrieb mit dem 11. März auf Distance Learning umgestellt werden musste:

„An der Universität Wien werden von Mittwoch, 11.03.2020, bis voraussichtlich einschließlich Freitag, 03.04.2020, keine Lehrveranstaltungen/Prüfungen mit physischer Präsenz abgehalten. Der Unterricht wird auf ‚home-learning‘ (insb. unter Benützung von E-Learning) umgestellt.“ (Universität Wien 2020)

IV. Lockdown(s)

Damit blieben von diesem Zeitpunkt an alle Räumlichkeiten der Universität geschlossen. Am 11. März verkündete dann die Regierung in einer Pressekonferenz die Schließung der Schulen und Universitäten, was für Bildungspolitik und Bildungsinstitutionen eine ernste Herausforderung darstellte. Auch Bibliotheken konnten nicht mehr wie gewohnt benutzt werden. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Weiterkommen im Studium für viele Student*innen sehr erschwert. Nicht zuletzt deshalb, weil angesichts des Digital Divide die sozialen Ungleichheiten mehr als deutlich wurden, da der Zugang zu Bildung – noch stärker als zuvor – von der digitalen Ausstattung in den Familien abhängig wurde. Prüfungen wurden abgesagt und verschoben. Lehrveranstaltungen mussten nun online abgehalten werden, wodurch teilweise die Möglichkeit für sozialen Austausch und Diskurs verloren ging. Auch die Lehrenden mussten sich umstellen, wobei für viele das E-Learning komplettes Neuland war. Dadurch wurde es besonders schwer, im Masterseminar mit den Kommiliton*innen von Angesicht zu Angesicht zu diskutieren und Ratschläge auszutauschen.
Die physische Möglichkeit, sich nach einer Lehrveranstaltung zu treffen, um das Gehörte und Erlebte zu wiederholen und zu besprechen sind indes ein äußerst wichtiger Aspekt des Studiums, der durch die Maßnahmen verloren gegangen ist. Dabei wurden die Universitätsangehörigen vor allem von der Schließung der Bibliotheken hart getroffen, da es nun keine Möglichkeit mehr gab, Bücher zu bestellen und abzuholen. Dies hatte zur Folge, dass die Zusammenstellung und das Lesen von Forschungsliteratur schwierig wurde und z. B. die notwendigen Vorbereitungen für Masterarbeiten behindert und eingeschränkt wurden. Dabei handelte es sich um Maßnahmen, die nicht durchgängig nachvollziehbar waren, da sich sehr viele Abschlüsse verzögerten und Bücher teuer gekauft werden mussten. Für Student*innen, die wenig Geld zu Verfügung hatten, war – und ist – diese Beschränkung finanziell besonders belastend.

V. Schluss

Hinsichtlich des Schwerpunkts dieser Ausgabe der ZUKUNFT kann mithin betont werden, dass zumindest die erste Hälfte des Jahres 2020 für Student*innen ein verlorene Zeit war. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Distance und Home Learning nach einem Semester der Umstellung auch so manche Verbesserung und Erleichterung gebracht haben, da die Universität direkt auf die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien reagieren musste und angewiesen war. So eröffneten z. B. die Videokonferenzsysteme auch neue Formen der solidarischen Kommunikation, so wie auch manche Prüfungen durch diesen „digitalen“ Modus leichter zu absolvieren waren. Zu hoffen bleibt – in allen Wortbedeutungen – dass wir nicht nur in, sondern vor allem aus dieser Krise lernen.

KARIM HALLAL studiert im Masterstudium Geschichtswissenschaften an der Universität Wien und arbeitet derzeit an seiner Masterarbeit. Als Bezirksrat ist er für die SPÖ-Margareten aktiv.

Literatur: