Feminismus macht den Unterschied – VON EVA-MARIA HOLZLEITNER

Es ist Zeit für einen frauenpolitischen Aufbruch. In ihrem Artikel zeigt SPÖ-Frauenvorsitzende und stellvertretende Parteivorsitzende Eva-Maria Holzleitner wie wir mit guten Gesetzen unser Ziel der Gleichstellung erreichen. Lohntransparenz, Arbeitszeitverkürzung, geteilte Karenz, Rechtsanspruch auf gratis ganztägige Kinderbildung, Vermögenssteuern – Mit einem klaren Programm und guten Konzepten für die Zukunft schaffen wir mehr Gerechtigkeit.

I. Einleitung

Wann sind wir endlich gleichberechtigt? Frauen verdienen hierzulande – wenn man Teilzeitbeschäftigte miteinrechnet – mehr als ein Drittel weniger, sie bekommen etwa halb so viel Pension wie Männer, sie leisten noch immer den Großteil der unbezahlten Arbeit. All die Statistiken zur Lohn- und Pensionsschere, zur Arbeitsteilung, zur Verteilung von Macht und Ressourcen, machen eines klar und deutlich: So kann es nicht weitergehen. Die Bundesregierung sieht tatenlos zu, wie wir im internationalen Vergleich statt aufzuholen sogar Rückschritte machen. Das führt der aktuelle Gleichstellungsindex, der jährlich vom Weltwirtschaftsforum erarbeitet wird, nur allzu deutlich vor Augen. Um 26 Plätze ist Österreich in diesem Ranking in nur einem Jahr zurückgefallen.

Nur mit einer starken Sozialdemokratie schaffen wir den feministischen Umschwung, den wir so dringend brauchen. Wir wollen all die patriarchalen Muster und Strukturen in unserer Gesellschaft aufbrechen. Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten in vieler Hinsicht befreit und haben heute viel mehr Rechte als noch vor fünfzig Jahren. Aber da geht noch viel mehr. Das zeigt ein Blick nach Skandinavien, wo Väterkarenz die Regel und nicht die Ausnahme ist, wo über Rechtsanspruch in der Kinderbildung nicht mehr diskutiert werden muss, weil es ihn seit Langem gibt und wo es selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer sich die unbezahlte Arbeit teilen.

Wir wollen, dass Österreich endlich wieder zu den fortschrittlichen Ländern in Europa zählt. Dazu braucht es gute Gesetze: Lohntransparenz, Verpflichtung zur geteilten Karenz, Arbeitszeitverkürzung, Rechtsanspruch auf gratis ganztägige Kinderbildung. Echte Gleichstellung bedeutet, dass jede und jeder selbstbestimmt leben, lieben und arbeiten kann. Das wollen wir in naher Zukunft erreichen.

II. Halbe Halbe

Frauen und Männer sollen sich die bezahlte und unbezahlte Arbeit gerecht teilen. Das hat viele Vorteile: Die geteilte Verantwortung für Hausarbeit und Kinderbetreuung entlastet Frauen und gibt ihnen mehr Zeit und Energie für ihr eigenes berufliches Weiterkommen. Die Erwartungen an Arbeitsteilung und gleichberechtigte Partner*innenschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Viele Paare haben heute ein anderes Rollenverständnis als früher. Aber die Erfahrung, dass die eigenen Ansprüche an Gleichberechtigung nicht mit der Realität standhalten, machen viele Paare. Spätestens beim ersten Kind sehen sich viele mit einer Reihe von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Hürden konfrontiert, die ein gleichberechtigtes Miteinander nicht unbedingt leichter machen. Gerade in ländlichen Regionen fehlen die Kinderbetreuungsplätze. Viele Schließtage in den Ferien, Öffnungszeiten die mit einem Ganztagsjob nicht vereinbar sind – all das muss sich endlich ändern. Der Ausbau der Kinderbetreuung muss viel schneller vorangehen. Auch die Arbeitswelt muss sich verändern. Die Anforderungen des Berufslebens sollen mit dem Wunsch nach Familienleben und dem Recht auf Erholung und Freizeit gut vereinbar sein.

III. Arbeitszeitverkürzung

Mehr Zeit, weniger Druck im Alltag. In vielen Ländern Europas und in einer Reihe von Unternehmen in Österreich werden erfolgreiche Pilotprojekte zur 4-Tage-Woche umgesetzt. Die Erfahrungen sind positiv und geben Hoffnung. Die Beschäftigten berichten von weniger Stress, weniger Müdigkeit, weniger Schlaflosigkeit und weniger Burnout. Die längere Erholungszeit wirkt sich auch positiv auf die Konzentration aus. Zusätzlich zu all diesen positiven Effekten, ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich vor allem auch ein wichtiger Hebel für die Gleichstellung. Derzeit arbeitet jede zweite Frau Teilzeit, viele davon unfreiwillig und weil sie Beruf und Familie derzeit nicht anders vereinen können. Eine kürzere Vollzeit bietet mehr Frauen die Chance Vollzeit zu arbeiten. Für Männer bleibt mehr Zeit, ihren gerechten Anteil an der unbezahlten Arbeit zu übernehmen.

IV. Geteilte Karenz

Väterkarenz ist in Österreich noch immer die Ausnahme. Derzeit gehen nur 2 von 100 Männern länger als drei Monate in Karenz, 1 von 100 länger als 6 Monate. Bei 8 von 10 Paaren geht der Mann überhaupt nicht in Karenz. Dringend notwendig sind stärkere Anreize. Auch hier zeigt der Vergleich, was mit guter Gleichstellungspolitik alles möglich ist. In Ländern, in denen es eine Verpflichtung zur geteilten Inanspruchnahme gibt, ist der Väteranteil rapide gestiegen. In Island hat jeder Elternteil Anspruch auf sechs Monate Karenz, wobei sechs Wochen getauscht werden können. Nimmt ein Elternteil die Zeit nicht in Anspruch, verfällt die Karenz. Mehr als 90  % der Väter gehen in Island in Karenz. Auch in Norwegen werden mit einer staatlichen Förderung der geteilten Karenz ähnlich gute Werte erzielt. Österreich mit seinem vergleichsweisen minimalen Anteil von Vätern in Karenz von nur 4 %, hat da großen Aufholbedarf.

V. Lohntransparenz

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit ist in Österreich im Gleichbehandlungsgesetz verankert. Ob das Gesetz auch tatsächlich eingehalten wird, ist nicht einfach zu überprüfen. Frauen haben ein Recht zu erfahren, wie viel ihre männlichen Kollegen verdienen. Das stärkt sie in Gehaltsverhandlungen. Auf europäischer Ebene ist dank der Initiative der Vizepräsidentin des Europaparlaments Evelyn Regner ein historischer Meilenstein gelungen. Die EU-Lohntransparenzrichtlinie verpflichtet Unternehmen (!) dazu, Informationen offenzulegen, mit denen Arbeitnehmer*innen ihre Gehälter vergleichen und Unterschiede aufdecken können. Die österreichische Bundesregierung ist nun gefordert, diese Richtlinie in Österreich unter Einbindung der Sozialpartner*innen umzusetzen. Die Zeit der Ausreden ist nun vorbei!

VI. Befreiung vom Druck

Neben all den messbaren Unterschieden, die sich in Lohn- und Gehaltsstatistiken so drastisch niederschlagen, gibt es auch eine versteckte Ungleichheit, die der Gleichbehandlung im Wege steht. Für das Gefühl, die alleinige Verantwortung im Alltag zu tragen, gibt es den Begriff des „Mental Load“. Es sind in erster Linie Frauen, die einen unsichtbaren Rucksack an Pflichten mit sich herumtragen. Höchste Zeit, dass diese Zuständigkeit für die unbezahlte Arbeit von den Frauen wegkommt und Männer ihren Teil, mit all der dazugehörigen Verantwortung, übernehmen. Männer müssen weg kommen von der Erzählung, sie helfen eh. Es geht nicht um mithelfen, es geht darum, dass Frauen und Männer ihren gerechten Anteil an der Care-Arbeit übernehmen.

VII. Sozialstaat stärken

Während Frauen die Teuerung am stärksten spüren und die Inflation weiter hoch ist, macht die Bundesregierung vor allem eins: wegschauen. Es braucht mehr denn je einen starken Staat, in dem Vermögen gerecht verteilt ist. Die Schere in der Gesellschaft zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Während die einen nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, werden andere immer reicher und reicher. Ein Prozent der Menschen in Österreich besitzt die Hälfte des gesamten Vermögens. Da müssen wir einen Ausgleich schaffen. Vermögens- und Erbschaftssteuern sind dringend notwendig, um den Sozialstaat zu sichern. Teuerungsstopp, Mietpreisbremse, Unterhaltsgarantie, das Schließen der Lohn- und Pensionsschere – Nur mit mehr Gerechtigkeit schaffen wir die Voraussetzung für eine gute Zukunft für alle.

Eva-Maria Holzleitner © SPÖ

EVA-MARIA HOLZLEITNER
ist Abgeordnete zum Nationalrat, stellvertretende Klubvorsitzende, sowie Bereichssprecherin für Frauen. Die gebürtige Oberösterreicherin übt zudem die Funktion der Bundesvorsitzenden der SPÖ-Frauen und stv. Bundesparteivorsitzenden aus.