Die Wichtigkeit der Europäischen Union, die kommenden EU-Wahlen am 09. Juni 2024 und das rege Interesse unserer Autor*innen haben uns veranlasst, nach der letzten Ausgabe 05/2024 Europa – Wahlen nun auch ein zweites Heft zu gestalten, das auf mehreren Ebenen den Grundgedanken der Sozialdemokratie im europäischen Rahmen gewidmet ist. Denn auch Europa – Wahlen II handelt als sechste Ausgabe der ZUKUNFT im Jahr 2024 von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität auf lokaler, nationaler, kontinentaler und globaler Ebene, wenn wir uns erneut dem Friedensprojekt Europa aus verschiedenen Perspektiven nähern, um damit auch deutlich zu machen, dass die Redaktion der ZUKUNFT sich im Sinne der Sozialdemokratie durchgängig zu diesem Projekt bekennt. Dabei präsentieren wir themengebundene Beiträge, die u. a. den Feminismus, die Außen- und Sicherheitspolitik der EU aber auch grundlegende Fakten und Informationen zu Europa zur Diskussion stellen.
Dies beginnt mit dem Beitrag von Ruth Manninger, die mit ihrem Appell an Europa die Bedeutung der Europäischen Union bei der Umsetzung nationaler Ziele in der Frauenpolitik hervorhebt und so das Bild von einer sozialdemokratisch geprägten, feministischen Allianz als Bollwerk gegen antidemokratische Tendenzen in Österreich, Europa und der Welt zeichnet. Es ist ihr dabei ein dringendes Anliegen, zu zeigen, dass Frauen eine mehr als entscheidende Rolle in unseren Demokratien spielen, weil z. B. ein frauenhassender Autokrat wie Jair Bolsonaro 2022 durch die wortstarke Beteiligung von Frauen an gegen ihn gerichteten Massenprotesten zum Rücktritt gezwungen wurde. Ganz in diesem Sinne benötigen wir auch in Europa einen internationalen Schulterschluss der Frauen, der nach einem Diktum von Johanna Dohnal nicht nur mit der feministischen Vision einer weiblichen, sondern mit einer universalistischen menschlichen Zukunft für alle Mitbürger*innen verbunden ist. Denn auch der Frieden ist zu wichtig, um ihn den Männern zu überlassen.
In der Folge kümmert sich Gerhard Marchl (Renner Institut) um die Außen- und Sicherheitspolitik der EU und stellt dabei die Frage in den Raum, ob der Ukraine-Krieg als Game Changer gelten kann. Dabei analysiert er zunächst die Stärken und Schwächen in der Reaktion der Europäischen Union auf die Aggression Russlands gegen die Ukraine, befasst sich daraufhin mit aktuellen Debatten zur Stellung der EU in der Welt und zeigt die nötigen Schritte auf dem Weg zu einer handlungsfähigeren EU auf. Diese benötigt, so Marchl als Antwort auf einen Ausspruch Ursula van der Leyens, dringend eine geopolitische Ausrichtung mit strategischer Autonomie, um unabhängig Entscheidungen treffen zu können. Dabei gilt es u. a., die unterschiedlichen Interessen und Egoismen gerade der großen EU-Mitgliedstaaten, die für ein Europa sorgen, das mit vielen widerstreitenden Stimmen spricht, zu kanalisieren und zu überwinden. Und so braucht es auch einen klaren Willen der EU, sich in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik zu emanzipieren und Abhängigkeiten zu reduzieren. Es geht mithin um ein Europa, das sich für Frieden, Gerechtigkeit, diplomatische Lösungen und Demokratie einsetzt, aber im äußersten Fall bereit und fähig ist, diese Werte und Ziele auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen.
Um Sicherheitspolitik geht es auch Irmtraud Karlsson, der soziale Sicherheit im Sinne der Versorgungssicherheit und des Schutzes der Zivilbevölkerung mit ihrem Beitrag ein eminentes Anliegen ist. Stehen uns in Zukunft wieder waffenstarrende Grenzen mit Stacheldraht bevor? Angesichts der EU-Wahl 2024 analysiert unsere Autorin die bedenkliche Entwicklung Europas im Bereich der Sicherheitspolitik und fragt nach einer angemessenen (feministischen und pazifistischen) Rolle der Landesverteidigung in einem vereinten Europa. Dabei erinnert sie eindringlich an die Wichtigkeit und die Erfolge der (feministischen) Friedensbewegung und betont, dass starke funktionierende Demokratien mit Systemen sozialer Sicherheit keine Kriege beginnen müssen. Insofern steht auch Karlsson für die sozialdemokratische Grundeinsicht ein, dass nur ein starker Sozial- und Wohlfahrtsstaat den Weg zum ewigen Frieden auf unserem Planeten ebnen kann.
Das Europa auch angesichts der Arbeiterkammerwahlen eine bestimmende Rolle einnimmt, wird in der Folge mit einem ZEITGESPRÄCH deutlich, das Renate Anderl mit Gerhard Schmid geführt hat. Als „g’standene“ Gewerkschafterin, Kämpferin für Gleichberechtigung sowie Präsidentin der AK Wien und der Bundesarbeitskammer erzählt Anderl, warum sie sich im nationalen und europäischen Rahmen konsequent für die Rechte der Arbeitnehmer*innen einsetzt, wie Gleichberechtigung im Job erreicht werden kann und warum Gewerkschaft- und Rapid-Mitgliedschaft bei ihr Familientradition sind. Des Weiteren betont auch sie, dass Österreich hinsichtlich der Gleichberechtigung von Frauen im EU-Maßstab schlecht dasteht und fordert deshalb, dass die europäische Lohntransparenzrichtlinie so schnell wie möglich hierzulande umgesetzt wird. Insgesamt gibt auch ihre Einschätzung zu denken, dass der Druck auf Arbeitnehmer*innen deutlich zugenommen hat, weshalb eine klare Vertretung ihrer Interessen mehr als nötig ist.
Im Sinne eines Faktenchecks präsentiert dann Gerhard Kuschnig Informationen und Argumente zur Wahl am 09. Juni, um unsere Leser*innen gut auf die EU-Wahlen vorzubereiten. Wer und was wird gewählt? Wie wird gewählt? Was macht das EU-Parlament? Wohin soll sich die EU entwickeln? Unser Autor gibt nicht nur auf diese Fragen kompetente Antworten, die ein abgerundetes Bild Europas vor Augen führen. In diesem Kontext stehen Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Grundwerte der SPÖ genauso im Raum, wie das unerschütterliche Festhalten an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Beispielhaft wird angesichts der europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik (Migration) auf die normative Ebene der Menschenrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen, um abschließend zu betonen, dass in Zeiten der Globalisierung kein Land sich zur Gänze autonom entwickeln kann, da es auf mehreren Ebenen mit kontinentalen und weltweiten Entscheidungsprozessen verbunden ist“
Welche deutlich wahrnehmbaren Wirkungen europäische Entscheidungen auf lokaler Ebene mit sich bringen, arbeitet dann Verena Dunst, Landtagspräsidentin a. D., heraus, die betont, dass kein österreichisches Bundesland vom EU-Beitritt so profitiert wie das Burgenland. Denn nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahr 1995 wurde das Burgenland zwei Mal Ziel-1-Gebiet von 1995 bis 2006 und danach bis 2013 Phasing-Out-Region und hat seit 2014 den Status einer Übergangsregion. Dies zeigt sich auf mehreren politischen Ebenen: Investitionen in Forschung und Entwicklung, Förderung von Infrastrukturen, Klimapolitik oder auch Gesamtverkehrsstrategie. Dass dabei auch der Kulturbereich – und mit ihm der Tourismus – in allen Wortbedeutungen profitiert(e), wird nicht nur an den Seefestspielen in Mörbisch deutlich, sondern auch an zahlreichen lokalen Projekten wie den Kulturzentren in Mattersburg und Güssing.
Den Reigen unserer Beiträge schließt dann Karin Dollinger, die ohne direkten Schwerpunktbezug aber im Sinne einer sozialen Ökologie die Entsorgung und Nachnutzung von alten Batterien und Akkus thematisiert. Denn leider landen immer noch 57 % der Batterien und Akkus im Restmüll. Das ist im wahrsten Sinn des Wortes brandgefährlich, weil diese dort mit dem anderen Müll gepresst werden, was zu Explosions- und Brandgefahr führt. Dies liegt auch daran, dass es kein durchgängiges Anreizsystem für die Entsorgung gibt, das die Menschen motiviert, diese Problemstoffe nicht in den Restmüll zu werfen. Damit diskutiert unsere Autorin eine symptomatische ökologische Problemzone unserer Gesellschaft, um einer richtigen Entsorgung genauso das Wort zu reden, wie der Einführung eines Pfandsystems, der nachhaltigen Nutzung von Rohstoffen oder der Schaffung von Blackout-Vorsorge-Inseln.
Die Redaktion kann sich immer wieder darauf verlassen, dass sich hervorragende Künstler*innen freimütig bereit erklären, unsere Bildstrecke mit ihren Arbeiten zu bestücken. Dieser Umstand gehört á la lettre zu den schönsten Seiten der ZUKUNFT. Deshalb freut es uns erneut, Ihnen mit den Kunstwerken von Ana Loureiro vom Cover weg die Möglichkeit zu geben, Orte der Erinnerungaufzusuchen. Im Interview, das sie dankenswerterweise Elisabeth Kaiser gegeben hat, gibt unsere sensible Künstlerin Einblicke in ihre Philosophie, ihre Inspirationen und ihre Produktionsweise, wodurch sich wie in einem Vexierbild die Bilder und Gedanken unserer Künstlerin verschränken. Damit kann auch die visuelle Serie unserer Ausgabe als Reise gelten, in der es um Kommunikation(en), eine gefangene Seele und Substrate von Erinnerung geht …
Insgesamt bleibt uns nur zu betonen, dass auch diese Ausgabe zu Europa – Wahlen II unser Anliegen verdeutlicht, die Leser*innen der ZUKUNFT zu den Urnen zu bewegen. Vielleicht ist es aber gerade in unserem sozialdemokratischen Netzwerk gar nicht nötig, daran zu erinnern, dass Wahlen mit der Demokratie identisch sind. Auf nach Europa!
Es grüßen Sie im Namen der gesamten Redaktion
Alessandro Barberi und Elisabeth Kaiser
ALESSANDRO BARBERI
ist Chefredakteur der Fachzeitschriften ZUKUNFT (www.diezukunft.at) und MEDIENIMPULSE (www.medienimpulse.at). Er ist Historiker, Bildungswissenschaftler, Medienpädagoge und Privatdozent. Er lebt und arbeitet in Magdeburg und Wien. Politisch ist er im Umfeld der SPÖ Bildung und der Sektion 32 (Wildganshof/Landstraße) aktiv. Weitere Infos und Texte online unter: https://orcid.org/0000-0003-4228-8172.
ELISABETH KAISER
hat das Diplomstudium Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien sowie den Masterlehrgang „Führung, Politik und Management“ am FH Campus Wien abgeschlossen. Aktuell absolviert sie das Psychotherapeutische Propädeutikum an der Universität Wien. Von 2008 bis 2016 hat sie in der Funktion der Geschäftsführerin den Verein ega:frauen im zentrum geleitet. Seit Mitte 2016 ist sie als stellvertretende Direktorin der Wiener Bildungsakademie (wba) tätig.