In ihrem Beitrag zeigen Elisabeth GROSSMANN und Evelyn REGNER, Mitglieder des Europäischen Parlaments und SPÖ-Europaabgeordnete, was sich in den letzten Jahren auf europäischer Ebene zugunsten von Frauen, Mädchen und somit der Gesellschaft getan hat und was noch zu tun ist.
I. Die EU geht voran
In Österreich haben wir immer noch eine Lohnschere von knapp 18 % und eine Pensionslücke von rund 40 %. Auch deswegen gibt es dank europäischer Mindestlöhnerichtlinie nun eine Verbesserung durch die EU. Denn 60 % der Mindestlohnbezieher*innen in der EU sind Frauen. Diese Anpassung der Mindestlöhne an Durchschnittswerte pro Mitgliedsland kann schon alleine 5 % der Lohnschere schließen. Aber natürlich braucht es noch mehr Maßnahmen, daher haben wir auch ein Lohntransparenzgesetz durchgesetzt – endlich. Damit sollte bis 2030 die Lohnschere in ganz Europa Geschichte sein. Verpflichtende Maßnahmen, harte Strafen, Beweislastumkehr zugunsten der Beschäftigten, Datenerfassung und noch vieles mehr. Für Österreich besonders wichtig: es darf keine Hemmungen mehr geben, über das eigene Gehalt zu reden und jede*r hat jedes Jahr ein Recht darauf, die Durchschnittslöhne im eigenen Job zu erfahren. Alles ungemein wichtig, damit diese schreiende Ungerechtigkeit endlich ein Ende hat.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen – online sowie offline – hat in den letzten Jahren nicht nur Österreich mit seiner hohen Anzahl an Femiziden stark beschäftigt, sondern auch uns im EU-Parlament und darüber hinaus. Wir wollten einen Mindeststandard des Gewaltschutzes in Europa etablieren – und zwar einen verpflichtenden. Jede ermordete Frau ist eine zu viel. Jede bedrohte Frau ist eine zu viel. Die Prävention, inklusive Männerarbeit, Polizeischulungen und Datenerfassung sind ein Aspekt neben dem Kern: der Definition von Straftatbeständen und Mindeststrafen.
Darüber hinaus schaffen wir auch die informellen Männerquoten ab: in Aufsichtsräten (und bestenfalls Vorständen) soll die Qualifikation zählen und Frauen verpflichtend repräsentiert werden. Und zwar objektiv. Die Richtlinie dazu konnten wir nach über 10 Jahren Blockade endlich durchsetzen. Langfristig macht die Maßnahme für Frauen in der EU Führungspositionen Richtlinie unsere Unternehmen resilienter, wenn Frauen endlich gleichberechtigt ihr Wissen und ihre Talente einbringen können.

Evelyn Regner © EP (European Parliament)
II. Erreichtes umsetzen
Es kommt also viel Gutes aus Europa, weil wir alle, die wir EU sind, daran arbeiten. Wir haben vor allem in der Frauenpolitik in den letzten fünf Jahren so viel erreicht, wie noch nie zuvor auf europäischer Ebene: Richtlinien zur Lohntransparenz, zu Frauen in Führungspositionen, zur Stärkung der Gleichbehandlungsstellen und zum Gewaltschutz sowie die Stärkung der sogenannten Istanbul Konvention. Letzteres ebenfalls ein Instrument zum Gewaltschutz von Frauen und Mädchen. Das gilt es jetzt alles auch national umzusetzen, und zwar mit sozialdemokratischer Handschrift! Hier sind unsere zuständigen Ministerinnen, allen voran Eva-Maria Holzleitner, schon fleißig am Arbeiten. Allein die Umsetzung der genannten europäischen Richtlinien wird uns bei der Gleichstellung deutlich voranbringen.
III. Wie geht es weiter?
Im großen Unterschied zu vorangegangenen Legislaturperioden haben sich im EU-Parlament nicht nur die politischen Mehrheiten verändert, sondern auch der Frauenanteil ist zum ersten Mal seit den ersten Direktwahlen im Jahr 1979 um 2,1 % rückläufig. Von 720 Abgeordneten im EU-Parlament sind – im Vergleich zur vorherigen Legislatur mit 40,6 % – in der aktuellen zehnten Legislaturperiode lediglich noch 38,5 % Frauen. Demokratiepolitisch ist diese Entwicklung besonders bedenklich. Mit einer Unterrepräsentation von Frauen ist keine echte Demokratie im Sinne der Gleichberechtigung lebbar. Das ist derzeit aber bereits europaweit auch in nationalen Parlamenten zu beobachten.
IV. Frauen sind keine Minderheit, sondern gemeinsam sind wir die Mehrheit!
Am 01. Januar 2023 leben 229 Millionen Frauen und 219 Millionen Männer in der EU. Das entspricht im Durchschnitt einem Frauenanteil in der EU von 54,6 %, wobei fast in allen EU-Ländern auch tatsächlich mehr Frauen als Männer leben, außer in Malta, Schweden, Luxemburg und Slowenien. Die höchsten Unterschiede wurden in Lettland (16 % mehr Frauen als Männer) und Litauen (14 % mehr Frauen als Männer) verzeichnet. In Österreich leben 3 % mehr Frauen als Männer.
Die neue Kommissarin für Krisenmanagement und Gleichstellung der Geschlechter, Hadja Lhabib, hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Roxana Mînzatu, Vizepräsidentin und Kommissarin für Bildung, hochwertige Arbeitsplätze und soziale Rechte, den neuen Fahrplan für Frauenrechte – Grundsatzerklärung für eine gleichstellungsorientierte Gesellschaft präsentiert, der am 11.03.2025 im Plenum des Europäischen Parlaments in Strasbourg debattiert wurde. Diese etwas oberflächliche Formulierung der Rechte von Frauen braucht aber deutlich mehr Substanz. Daher fordern wir gemeinsam mit der S&D-Fraktion die EU-Kommission dazu auf, sicherzustellen, dass der nächste Schritt die Gleichstellungsstrategie für die Zeit nach 2025 ist. Also eine Verlängerung der konkreten Verpflichtungen und eine Liste umsetzbarer Vorschläge, die durch greifbare legislative und nicht-legislative Maßnahmen zur Erreichung dieser erklärten Grundsätze und Ziele dienen soll. Wir haben über die Jahrzehnte gesehen: nur gesetzlich verbindende Maßnahmen bringen tatsächliche Veränderung.

Elisabeth Grossmann © MEP Shooting Einzelfoto
V. Gleichberechtigt ist noch nicht gleichgestellt
Für uns ist deutlich: wir können uns nicht auf den Lorbeeren der geleisteten Arbeiten ausruhen, sondern es gilt, bisher geschaffte Maßnahmen vor einem drohenden Rückschritt zu bewahren und uns kontinuierlich für die Stärkung der Frauenrechte einzusetzen: Dies betrifft sowohl gewaltbezogene Themen, bei denen wir die einheitliche und klare Definition des Straftatbestandes der Vergewaltigung fordern und EU-weit Abtreibungsrechte umgesetzt werden müssen. Besonders viel zu tun ist noch im digitalen Raum. Hier ist neben der Bekämpfung von Hate Speech, von der besonders Frauen betroffen sind, auch der verantwortungsvolle Umgang von sozialen Plattformen mit uns User*innen von Bedeutung. Auch KI-Systeme, die eigentlich als „neutral“ gelten, sind in hohem Maße von den Daten abhängig, mit denen sie trainiert werden. Diese Daten können gesellschaftliche Vorurteile widerspiegeln, die bei unreflektierter Nutzung dazu führen können, dass sexistische und diskriminierende Narrative verstärkt und weiterverbreitet werden. Insbesondere junge Männer sehen online sexistische, teils physisch gefährliche, Rollenbilder, die weder für sie noch die Gesellschaft gut sind.
Im Rahmen der Gleichstellung müssen auch Männer aktiv mitarbeiten und dafür sorgen, dass die nächste Generation von Kindern und Jugendlichen nicht durch den Backlash bedroht wird. Daher müssen wir sicherstellen, dass alle Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheiten und Diskriminierungen von allen konsequent umgesetzt und weiterentwickelt werden. Nur so können wir eine gerechtere und gleichberechtigte Gesellschaft schaffen, die für uns alle lebenswert ist.
EVELYN REGNER
ist seit 2009 SPÖ-Europaabgeordnete. Die studierte Juristin, arbeitet als Gewerkschafterin insbesondere für die Beschäftigten in ganz Europa und damit Österreich. Sie hat in den letzten Jahren einen Schwerpunkt auf Verteilungsgerechtigkeit, inklusive Steuerpolitik, und Frauenrechte gelegt. In diesen Bereichen konnte sie mit ihrem Team einige Europäische Gesetze erwirken, verhandeln und ausschlaggebend gestalten (Bsp. Lohntransparenz, Konzernsteuerbemessungsgrundlage etc.).
ELISABETH GROSSMANN
War als Juristin in der Rechtsberatung von Frauenorganisationen tätig und ist ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der zam-GmbH (Qualifizierungseinrichtung für arbeitssuchende Frauen). Durch ihr Engagement als Vorsitzende der SPÖ Frauen Steiermark bringt sie versierte Expertise mit in ihre Arbeit als EU-Abgeordnete, wo sie seit Juli 2024 aktiv im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucher:innenrechte, aber auch im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenrechte arbeitet.
Links
Frauen im Europäischen Parlament (Infografik)
https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20190226STO28804/frauen-im-europaischen-parlament-infografik
Eurostat, Demography of Europe – 2024 edition,
https://ec.europa.eu/eurostat/web/interactive-publications/demography-2024
Eurostat, Geschlechtsspezifischer Lohnunterschied ohne Anpassung https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_05_20/default/table?lang=de&category=t_labour.t_earn
EU-Kommission, Fahrplan für Frauenrechte, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_681
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