Gute Nachrichten für die ZUKUNFT der Stadt VON GUNTHER LAHER

I. Einleitung

Die Wiener Smart Klima City Rahmenstrategie hat sich längst seit ihrem mittlerweile 10-jährigen Bestehen international einen Namen gemacht, weil sie nicht nur den technologischen Fortschritt fördert, sondern stets auch die soziale Dimension einbezieht. Seit Wien von einer schrumpfenden wieder zu einer wachsenden Stadt wurde, wird dieses Wachstum mit den Stadtentwicklungsplänen in verträgliche Bahnen gelenkt. Wir betrachten in Wien Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und setzen auf Lösungen, die allen Bevölkerungsschichten zugutekommen. Die zu setzenden Maßnahmen werden stets daraufhin überprüft, ob sie sozial gerecht sind und niemanden zurücklassen. Als Beispiel: Der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel in Wien sorgt nicht nur für weniger Emissionen, sondern auch für leistbare Mobilität für alle. Dieser konsequent verfolgte Ansatz macht die Wiener Smart Klima City Strategie zu einem Vorbild für viele andere Städte, die im Grunde vor denselben Herausforderungen stehen: im Spannungsfeld von Klimawandel, demografischem Wandel, Digitalisierung und Demokratisierung der Stadtentwicklung müssen Stadtpolitiker*innen und Stadtplaner*innen im Dialog mit Fachexpert*innen und der Bevölkerung zu immer rascheren Paradigmenwechseln Antworten liefern (Stichworte Pandemie, Urban Heat, Stadtwachstum und Wohnraumschaffung, Sicherung der Schulraum- und Gesundheitsversorgung u. ä.). Je schneller die Geschwindigkeit, mit der diese neuen Entwicklungen auftreten, zunimmt, desto wichtiger ist die konsequente Verfolgung der getroffenen klaren Zielsetzungen in Rahmenstrategien und den Fachkonzepten der Stadtentwicklung.

  • Die Dekarbonisierung erfordert als Reaktion auf den Klimawandel notwendigerweise eine tiefgreifende Transformation von Mobilität, Energieversorgung und Bauweise.
  • Der demografische Wandel stellt Städte vor neue Aufgaben im Bereich Wohnen, Gesundheit und soziale Teilhabe.
  • Die Digitalisierung greift nicht nicht nur in unsere Arbeitswelt ein und ist Treiber für Forschung und Entwicklung, sondern hat spätestens seit der Pandemie-Erfahrung den Blickwinkel auf die Nutzung des öffentlichen Raums und die Art, wie wir einkaufen und wie und wie oft wir uns in der Stadt bewegen verändert.
  • Die Demokratisierung der Stadtentwicklung gewinnt an Bedeutung: mehr Bürger*innen-Beteiligung, kooperative Planungsverfahren und transparente Entscheidungen sind essenziell für eine resiliente Stadt der Zukunft.

Für das prognostizierte Wachstum der Stadt bis 2050 liefern innovative Stadtentwicklungsprojekte wichtige Erkenntnisse für nachhaltige Konzepte – auch für die Bestandsstadt. Derzeit sind allein bei den größeren Stadtentwicklungsprojekten (mit über 500 Wohneinheiten) mehr als 70.000 Wohneinheiten in Vorbereitung, um den dynamischen Zuzug in Wien rechtzeitig aufnehmen zu können und leistbaren Wohnraum in der für Wien bekannten hohen Lebensqualität bereitstellen zu können. Ich möchte im Folgenden anhand einiger „Good practice“-Beispiele aufzeigen, wie in Wien Klimaneutralität, soziale Durchmischung und wirtschaftliche Dynamik zusammen gedacht werden. Sie zeigen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wo die Reise hingeht.

II. Klimabewusste Stadtentwicklung

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, und Städte tragen als Hotspots von Emissionen eine besondere Verantwortung.

Bauweise: Dass heute bereits in der Planung auf Ressourcenschonung durch den Einsatz vor Ort vorhandener Materialien gesetzt wird, zeigt beispielsweise die Seestadt aspern. Durch Urban-Mining-Ansätze und Materialrecycling werden hier wertvolle Ressourcen vor Ort wiederverwendet, was zur Reduktion von CO₂-Emissionen beiträgt. Hohe Gebäudestandards (aspern klimafit 2.0) für alle Bauwerke der Seestadt, sei es im Wohn-, Schul-, Gewerbe-, oder Betriebsanlagenbau und insbesondere die Weiterentwicklung von Ideen für eine nachhaltige Energieversorgung setzen diesbezüglich neue Maßstäbe. Auch auf einem weiteren Gebiet nimmt die Stadt Wien mittlerweile international eine Vorreiterrolle ein: Besonderer Fokus wird auf das kreislauffähige Planen und Bauen gelegt. Im Rahmen des magistratsinternen Programms DoTank Circular City 2020–2030 werden Strategien und Maßnahmen für eine Transformation hin zum kreislauffähigen Planen und Bauen erarbeitet. So wurde ein Zirkularitätsfaktor als Tool zur Bewertung der Kreislauffähigkeit von Gebäuden entwickelt, der aktuell in verschiedenen Testanwendungen erprobt wird und künftig maßgeblich zur Emissionsreduktion und Ressourcenschonung in Neubau und Sanierung beitragen soll. Ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt das Ziel, die Lebensdauer von Gebäuden zu erhöhen und mögliche Nachnutzungen frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Dabei werden Langlebigkeit, Tauschbarkeit sowie die Reparatur- und Rückbaufähigkeit von Bauteilen und Gebäuden gezielt gefördert. Der kurz vor Baubeginn stehende Campus am Nordwestbahnhof wurde so mit einem „materiellen Gebäudepass“ und einem Rückbaukonzept entwickelt, um eine nachhaltige „zirkuläre Nutzung“ zu garantieren.

Energieversorgung: Ein echter „Game-Changer“ für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sind bauplatzübergreifende Anergienetze. Zunächst beim Bildungscampus Liselotte Hansen Schmidt gemeinsam mit der Forschungsgesellschaft ASCR (Aspern Smart City Research) als Kombination von Tiefensonden, Solarpaneelen und Wärmepumpen bei einem Bildungscampusbau bei einem Einzelgebäude erfolgreich umgesetzt, werden mittlerweile ganze Quartiere geplant, um sie derart effizient mit Wärme im Winter, aber auch mit Kühlung im Sommer zu versorgen. Das reduziert den Gesamtenergiebedarf erheblich und macht fossile Heizsysteme überflüssig. Dieses Prinzip wird bereits beim Quartier Village im Dritten umgesetzt und ist auch jetzt schon in unterschiedlicher Ausformung je nach vor Ort gegebenen Rahmenbedingungen als Modell für zukünftige Stadtentwicklungsprojekte in Wien vorgesehen.

Mobilität: Ein frühzeitiger und gut geplanter Ausbau des öffentlichen Verkehrs parallel zum Ausbau von Entwicklungsgebieten ist in Wien Standard. Mit Großinvestitionen wie der U2-Verlängerung im Zielgebiet Donaustadt oder mit der aktuellen Erweiterung der Straßenbahnlinie 27 werden gleich mehrere Stadtentwicklungen hochfrequent erschlossen. In Kombination mit Sharing-Angeboten der WienMobil-Stationen mit Leih-(Lasten-)Rädern und einer intelligenten Mobilitätsplanung in den neuen Wohn- und Arbeitsgebieten fällt es immer leichter, auf das Auto zu verzichten. So sorgen etwa in der Seestadt multifunktionale Sammelgaragen für weitgehend autofreie und ruhige Wohnquartiere, weitläufige Fußgänger*innen-Zonen und breite Fahrradwege eröffnen viel Raum für ein entspanntes Leben. Die Kombination mit einem umfassenden Versorgungsangebot im Sinne einer 15-Minuten-Stadt bewirkt dort eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs – ein Großteil der Wege werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Forschungsprojekte wie das aspern.mobil-LAB untersuchen das Mobilitätsverhalten, ermöglichen unter Einbindung der Bevölkerung Mobilitätslücken zu erkennen sowie zu schließen und liefern damit wieder wertvolle Informationen für die Gesamtstadt und andere große Stadtentwicklungsprojekte wie Rothneusiedl mit dem ehrgeizigen Ziel, sogar eine 5-Minuten-Stadt zu konzipieren.

Klimabewusste Stadtentwicklung darf nicht nur technologische Lösungen fördern – sie muss auch soziale Gerechtigkeit berücksichtigen. Eine gendergerechte Planung von Parkanlagen für alle Bevölkerungsschichten mit großen, begrünten Flächen sorgt dafür, dass Regenwasser versickern und in heißen Sommermonaten zur Kühlung beitragen kann. Im Straßenraum wird das in Wien weiterentwickelte Schwammstadt-Prinzip in neuen Quartieren, aber auch in der Bestandsstadt angewandt. Damit können Hitzeinseln vermieden werden, Regenwasser wird effizient für den Pflanzen- und Baumbestand genutzt und gleichzeitig das Risiko von Überflutungen minimiert. Diese Art der klimaresilienten Stadtgestaltung verbindet ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Gerechtigkeit, da sie die Stadt kühlt und besonders an heißen Sommertagen Rückzugsorte auch für vulnerable Gruppen schafft.

III. Soziale Stadt: Infrastruktur als Basis für Lebensqualität

Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann nur dann gelingen, wenn die soziale Infrastruktur von Beginn an gegeben ist und mit den etappenweisen Ausbaustufen mitwächst. Vorausschauend werden schon in ersten Planungsphasen Bildungseinrichtungen (Bildungsneubauprogramm, Schul- und Kindergartenversorgung), Gesundheitsversorgung (Abgleich mit dem Regional Strukturplan Gesundheit), betreute Wohnformen (für Senior*innen, für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen), das Kultur- und Nahversorgungsangebot als integrale Bestandteile neuer Stadtteile mitgedacht und mit der umliegend bestehenden Angebots- und Nachfragestruktur abgeglichen. Das sorgt nicht nur für Lebensqualität, sondern beugt auch sozialer Segregation vor.

Auch hier lohnt sich wieder ein Blick auf Seestadt aspern als[LA1]  Vorzeigeprojekt dieser Strategie. Allein im Bildungsbereich wird mit bestehenden und geplanten Einrichtungen wie Kindergärten, drei Bildungscampusstandorten, einer Zentralberufsschule, einem Bundesrealgymnasium, zusätzlich geplanten Schul- und Hochschulstandorten die Seestadt im Endausbau annähernd ebenso viele Ausbildungsplätze wie Einwohner*innen umfassen. Ein Volkshochschul-, Bücherei- und WienXtra-Standort ergänzen das Angebot bei Halbzeit des Ausbaues jetzt schon im Sinne eines neuen Zentrums, das auch in die umliegenden Besiedlungsgebiete dieses Angebot von sozialer Infrastruktur zur Verfügung stellt.

Damit zeigt sich: Eine Stadt funktioniert nicht nur durch Wohn- und Gewerbeflächen, sie braucht eine ausgewogene soziale Infrastruktur, die den Bedürfnissen aller Generationen gerecht wird. Der Ausbau sozialer Infrastruktur ist somit kein „Zusatz“, sondern das Fundament einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Ohne ihn bleibt jede bauliche Planung unvollständig.

Apropos Gewerbeflächen: wichtig ist in diesem Kontext auch das Prinzip der „produktiven Stadt“. Wohnraum wird nicht isoliert geplant, sondern je nach Gegebenheiten mit Gewerbeflächen oder Betriebsansiedlungen kombiniert, um lokale Arbeitsplätze zu schaffen. Das ermöglicht kurze Wege zwischen Wohnen und Arbeiten und reduziert die Verkehrsbelastung. Der zukunftsweisend vertikal und mitten im Wohngebiet errichtete Gewerbehof der Wirtschaftsagentur Wien und das Technologiezentrum Seestadt[LA2]  aspern, das ideale Bedingungen für zukunftsträchtige Start-ups und Kooperationen mit laufend neuen Betriebsansiedlungen bietet, zeigen wie dieses Konzept funktioniert. Also keine Rede mehr vom immer noch vorauseilend vielstrapazierten Wort der „Schlafstadt“. Innovative Projekte wie die „Hauswerkstatt“ im Nordbahnviertel oder die Konzeption des Nordwestbahnhofs zeigen auch im innerstädtischen Bereich, wie Wohnen und Arbeiten im selben Grätzl zusammengedacht werden.

Gunther Laher_c_Luiza Puiu

Gunther Laher_c_Luiza Puiu

IV. Digitalisierung als Werkzeug

Die Digitalisierung verändert derzeit aber auch Stadtplanungsprojekte rasant. Nur ein Beispiel dafür ist das mehrfach ausgezeichnete Forschungsprojekt Aspern Smart City Research (ASCR). In der Seestadt[LA3]  aspern wird seit 2015 in einem Reallabor untersucht, wie intelligente Energielösungen mit digitalen Steuerungssystemen zur Effizienzsteigerung für die Energieversorgung und den Energieaustausch zwischen unterschiedlichen Funktionsgebäuden unter Realbedingungen genutzt werden können. Über 100 Forscher*innen aus verschiedenen Disziplinen arbeiten unter Nutzung unterschiedlicher erneuerbarer Energiequellen an Lösungen zum vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Bereits 2016 mit dem World Smart City Award ausgezeichnet, konnten seither 60 weltweit relevante Forschungsfragen gelöst werden, 15 Lösungsbeispiele im Bereich intelligente Gebäude- und Netzinfrastruktur erarbeitet und elf Patente dazu angemeldet werden. Ergebnisse, die in Use Cases auch in anderen Projekten in Wien ihre Fortsetzung finden. Digitale „Gebäudezwillinge“ zum rechtzeitigen Erkennen von Planungs- und Energieeffizienzmängeln, eine mittlerweile digitale Baueinreichung und vieles andere mehr, haben die Planungs- und Bauablaufprozesse wesentlich verbessert und rasant beschleunigt.

V. Conclusio: Partizipation als Fundament der Stadt von morgen

Die Stadt der ZUKUNFT ist nicht nur ökologisch nachhaltig und sozial gerecht, sie ist auch demokratisch. Und das bedeutet: Wer hier lebt, soll auch mitentscheiden können. Die Zeiten zentralistischer Masterpläne sind vorbei, stattdessen setzen in Wien Stadtentwicklungsstrategien schon seit Längerem auf kooperative Planungsverfahren und frühzeitige Bürger*innenbeteiligung. Das beste Beispiel für digitale Bürger*innenbeteiligung in Wien sind Plattformen wie mitgestalten.wien.gv.at oder mitwirkung.wien.gv.a. Hier können Bürger*innen Planungsprozesse mitverfolgen und eigene Vorschläge einbringen. Das zeigt: Digitalisierung kann nicht nur Prozesse effizienter machen, sondern auch neue Räume für Mitbestimmung öffnen.

Bereits vor der Flächenwidmung werden bei städtebaulichen Leitbildprozessen Anrainer*innen und Bürger*innen auch „analog“ eingebunden. In Workshops, bei Führungen und Informationsveranstaltungen können Wünsche und Ideen eingebracht werden. Das gilt auch für die festgelegten Stellungnahme-Möglichkeiten zu Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen. Damit aber die erarbeiteten Ergebnisse auch ihre konsequente Umsetzung finden, werden sie in Qualitätenheften als Teil von städtebaulichen Verträgen festgehalten und in einem Qualitätssicherungsprozess einbezogen, an dem mittlerweile sowohl geförderte, als auch freifinanzierte Wohnbauträger bis hin zur Fertigstellung an funktionierenden neuen Quartieren und Grätzeln in Hinblick auf Mobilität, Grünraum, Nutzungen und Angeboten arbeiten. Resümee:

„Die ausgewählten Beispiele zeigen ansatzweise, wie wir in ZUKUNFT leben werden. Vor allem aber zeigen sie, was wir Wiener*innen alles schaffen können. Wir haben viele gute Gründe, mit Lust und Optimismus auf die Zukunft zuzugehen.“[1]

GUNTHER LAHER

ist Teammitglied der Programmleitung Stadtenwicklungsareale für lebenswertes Wohnen (Stadt Wien, Magistratsdirektion Geschäftsbereich Bauten und Technik) und betreut seit 2011 unter anderem das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt aspern im Programm-Management und der Sozialen Infrastruktur.


[1] Zitat Andreas Trisko im Vorwort zur den eben erschienen Drucksorten Good Practice in den Wiener Stadtentwicklungsarealen im Kontext der Smart Klima City Strategie Wien, 27, online unter: https://www.wien.gv.at/pdf/ma21/good-practice-smart-klima-city-strategie.pdf (Vgl. dazu auch den Poster online unter: https://www.wien.gv.at/pdf/ma21/stadtentwicklungsareale-poster.pdf (letzte Zugriffe: 01.05.2025)