Im Rahmen seiner aktuellen Ausstellung What, MeWorried? zeigt FABIAN ERIK PATZAK sein neues Werk. Darin beschäftigt sich der Künstler eingehend mit den großen Krisen, die unser Leben ununterbrochen fordern und das Zusammenleben und die Umwelt seit geraumer Zeit nachhaltig transformieren. Im Interview mit der ZUKUNFT-Redakteurin HEMMA MARLENE PRAINSACK offenbart er die Beweggründe für seine Arbeiten und erläutert, wie ihm das Malen bei der Bewältigung von Sorgen hilft. Mit seinen Sichtweisen und Beobachtungen über die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg bietet er eine wertvolle Anregung, als garantiert verstandene Mechanismen zu hinterfragen und die eigene Wahrnehmung darüber zu schärfen.
Hemma Marlene Prainsack: Dein neues Werk Staying Undercover zeigt geometrische Muster, die den Betrachter durch ihreBewegungen in den Bann ziehen. Du hast fürDich ein besonderes Motiv und dafür eingroßes Format gewählt. Was hat es damit auf sich?
Fabian Erik Patzak: Der Ursprung dieses Motivs war die Bettlandschaft. Der Gedanke dazu ist mir gekommen, als meine Tochter geboren wurde und wir damals viel Zeit mit ihr im Bett verbracht haben. Das Motiv wollte ich schon lange großformatig machen, ich habe auch andere Variationen davon in Arbeit, noch klein, aber ich werde sie auch groß malen. Jetzt, da meine Tochter größer ist, und im Kontext des aktuellen Weltgeschehens scheint das Bett der einzige sichere Ort zu sein. So eine Bettlandschaft kann das vielleicht spielerisch kommunizieren. Darum habe ich mich jetzt auch mit den Farben gespielt.
H. M. P.: Was bedeuten Farben eigentlich für Dich – gerade, da wir sehr viel Zeit vor den Bildschirmen verbringen und somit vor allem digital, künstlich hergestellte Farben sehen?
F. E. P.: Farben in der Fotografie oder der digitalen Produktion können nur sehr schwer wiedergeben, was Farben in der Malerei wiedergeben können. Hintergrundlicht zum Beispiel. In der Fotografie kann man sehr schwer aus dem Fenster fotografieren und noch einen hellen Raum dabei einfangen, weil das mit der Fototechnik nicht übereinstimmt. Das kannst Du mit der Malerei natürlich anders machen. Auch Himmelsstimmungen oder so eine Lichtstimmung, wie ich sie auf dem Bild mit den Containerschiffen gemalt habe, das würde in der Fotografie nie gehen. Man würde diese Schiffe auf einem Foto nie so genau sehen, in so einer dunklen Landschaft. In der Malerei kann man wirklich ganz anders arbeiten als mit der Fotografie.
Meine Arbeiten sind zum Teil collagenartig. Vor allem, wenn ich historische Schiffe oder Flugzeuge verwende, die wirklich existiert haben, arbeite ich mit der Collagentechnik. Ich nehme einzelne Bilder und setze sie dann in andere Umgebungen ein. Das ist bei der Fotografie schwieriger, denn es sieht dann eindeutig wie eine Collage aus. Aber in der Malerei macht man sein eigenes Universum daraus.
H. M. P.: Bei der Malerei bist Du eigentlich immer mit Dir allein, vom ersten Gedanken des Motivs bis zum Abschluss des Werkes und das Bild kommt immer aus Dir heraus. Du hast in einem Gespräch erzählt, dass Du ein Bild schon in Deinem Kopf fertig hast und davon eine Skizze anfertigst, bevor Du zu malen beginnst.
F. E. P.: Wenn ich zu malen beginne, habe ich nicht die leere Leinwand vor Augen, sondern die Vision, die ich dann auf die Leinwand übertrage. Manchmal trage ich Ideen jahrelang mit mir, so wie dieses Motiv der Bettlaken, das trage ich seit 2015 mit mir. Oder diese Wand, das Aquarell dazu habe ich im Frühling gemalt. Und jetzt habe ich diese Containerschiffe gemalt, die wir von einer Brücke aus in den Chesapeake Bay sehen konnten, die wir sehr oft überquert haben. Containerschiffe, die sich in der Bucht gestaut haben. Dieses Motiv fand ich sehr aktuell hinsichtlich der Ukraine-Krise und auch davor, als es einen Versorgungsengpass während der Corona-Krise gab. Für mich ist immer der Gedanke im Vordergrund, obwohl ich hauptsächlich Maler bin und dieses Medium liebe. Wie schaffe ich mir etwas, wie baue ich mir etwas Greifbares, was andere digitale Medien nicht so können.
H. M. P.: Du beschäftigst Dich gerade intensiv mit Krisen und formulierst das auch in Deiner Werkgruppe What, Me Worried?. Was macht die Krise mit Deiner Kunst?
F. E. P.: Ich wünschte, dass es bei mir nicht so wäre, denn es ist sehr anstrengend, eine Krise zu thematisieren, aber bei mir war es immer so. Ich habe die Aufnahmeprüfung auf der Akademie gemacht, zwei Tage nach dem Terroranschlag am 11. September 2001. Schon in der High School habe ich Protestkunst gegen die erste schwarz-blaue Regierung gemacht. Es war immer wieder so. Die Reihe Direct Transit ist aus der Flüchtlingskrise 2015 herausentstanden. Ich hoffe, es ist nicht zu anstrengend, meine Kunst zu rezipieren, wenn sie krisenartig informiert. Andererseits denke ich, dass es in der Kunstgeschichte oft so war. Die ganze Moderne ist eine Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg gewesen. Auch der Aktionismus war ein Produkt seiner Zeit, dieses Loslassen von strengen, traditionellen Werten.
H. M. P.: In Direct Transit hast Du begonnen, Passagierschiffe zu malen. Deine Großeltern sind auf einem der Schiffe emigriert, Du hast Dich intensiv mit deren Reiseroute und auch der Geschichte der Emigrationsschiffe auseinandergesetzt. In Deinen aktuellen Werken finden sich nun große Containerschiffe. Wie kam es zu dieser Verschiebung?
F. E. P.: Als ich diese Containerschiffe von der Chesapeake Bay Brücke aus gesehen habe, wie sie dastehen und sich nicht wirklich bewegen, wurde mir bewusst, wie langsam diese Mechanismen im Grunde sind. Das haben wir auch während der Corona-Krise gemerkt, als beispielsweise das Toilettenpapier knapp war oder man keine Schutzmasken bekommen hat. Darüber wurde auch offensichtlich, welch enormer Aufwand für die Amazon- Schnellzustellungen betrieben wird. Die Mechanismen dahinter auf einmal zu sehen, die wir eigentlich immer als garantiert angenommen haben. Überall auf der Welt wird viel mit Flugpost geschickt, und auf einmal, durch den Ausbruch der Pandemie, fiel der Großteil des Flugverkehrs aus und die Regierungen mussten sogar Charterflüge für Medizinprodukte organisieren. Das hat unsere Wahrnehmung verändert und fließt für mich in diese Arbeiten ein. Vielleicht sieht man in dem Bild What Goes Around diese Langsamkeit auch. Die Schiffe sind alle leer, nicht beladen. Und nach den Passagierschiffen, wo ich immer nur eines gemalt habe, hatte ich die Vision, mehrere auf einmal zu machen. Zuerst mit dem Gedanken historischer Schiffe in einer Landschaft, aber dann hat es mich aufgrund der aktuellen Situation und der einprägsamen Bilder zu dem Motiv der Industrieschiffe gezogen.
H. M. P.: Mit Deinen Razzle Dazzle-Bildern greifst Du auf Motive von Kriegsschiffen der Royal Navy und der United States Navy zurück. Im Ersten Weltkrieg wurden Marineschiffe zwecks Tarnung und zur Täuschung der Gegner mit bunten Farben und geometrischen Formen bemalt. Wie bist Du auf dieses Motiv gekommen?
F. E. P.: Es tut mir wirklich leid, dass ich dieses Thema behandle, denn Krieg ist etwas so Schreckliches, ich möchte mich eigentlich nicht damit beschäftigen. Aber es ist so gegenwärtig, dass ich ihm nicht aus dem Weg gehen kann. Und diese Verbindung zwischen Kunst und Krieg hat mich sehr interessiert. Und eben, dass einige dieser Emigrationsschiffe, die teilweise für den Krieg eingesetzt worden sind, so bemalt wurden. Es ist fast so, dass sich der Fokus von Emigration auf Krieg verschoben hat. Damals wurden einige der Emigrationsschiffe angemalt, um sie zu tarnen und für den Kriegseinsatz zu verwenden. Das ist auch eine Transformation, die stattgefunden hat. Transformation spiegelt sich in meinem Werk, meiner künstlerischen Laufbahn wider. Und sie spielt natürlich mit diesen Mustern, die mich schon so lange beschäftigen, das ist stimmig in meiner Arbeit.
H. M. P.: Deine neue Ausstellung betitelt sich What, Me Worried?. Wonach hast Du diesen Titel ausgewählt?
F. E. P.: Der Spruch What, me worried? war zuerst eine Reaktion auf die Überforderungen und Ereignisse, quasi ein Schutzmechanismus, weil ich eben sehr besorgt war, nicht, weil ich es nicht war. Und es ist natürlich eine Anspielung auf das Motto des MadMagazine „What, me worry?“– „Was, ich soll mir Sorgen machen?“. Das Satiremagazin hat in den 1960er-Jahren geopolitische Ereignisse aufgegriffen. Darin gab es zum Beispiel die Comic-Reihe Spy vs. Spy, in der zwei sehr ungeschickte Spione den Kalten Krieg auf den Arm genommen haben. Und dieser Spruch hat eine Absurdität, je mehr Krisenereignisse sich gehäuft haben, umso mehr Absurdität hat dieser Spruch gewonnen. Ich weiß nicht, ob man die Aussage von What, me worried? direkt ins Deutsche übersetzen kann, es ist eine Attitüde.
Als Einzelperson kann man nicht alles erfassen oder verarbeiten, man braucht dazu einfach Humor. Meine Werke sind nicht humoristisch, aber vielleicht ist das Humoristische in meinen Werken eine gewisse Leichtigkeit, ein Schutzmechanismus: das Bett, die Buntheit oder die Razzle Dazzle-Muster, die Schiffe sind so komisch angemalt wie Clowns oder Zebras. Vielleicht findet sich da dieser Humor, von dem ich spreche. Es ist so eine fürchterliche Situation, in der wir uns gerade durch den Krieg in der Ukraine und den weltweiten Folgen befinden. Man weiß nicht, was man sagen soll, außer, dass man jeden Tag hofft, dass es vorüber geht. Auch wenn ich frage What, me worried?, bin ich natürlich sehr besorgt und war es. Aber meine Arbeit ist auch eine Art der Selbstverteidigung oder hilft vielleicht, ein bisschen Dampf abzulassen von den Sorgen, die man hat. Wenn ich im Atelier arbeite, ist das eine Beruhigung für mich, ich brauche das für mein seelisches Wohlbefinden. Ich liebe das Malen eigentlich. Aber auch das Leben als Maler bringt viele worries, viele Sorgen mit sich.
H. M. P.: Du variierst seit geraumer Zeit wiederkehrende Motive in Deiner Arbeit. Wohin glaubst Du, wird sich Deine Arbeit in den nächsten Jahren entwickeln?
F. E. P.: Meine Arbeit war immer eher eine Evolution als Revolution, ich glaube, das wird so weitergehen. Ich werde vermehrt auf ältere Motive und Techniken zurückgreifen. Das war mir lange und oft ein Bedürfnis, verschiedene Phasen zu besuchen. Ich habe vor Kurzem auf meiner Webseite unter Selected Works die Angaben von Daten entfernt, weil ich die Arbeiten nicht so sehr als abgeschlossen sehe, sondern als unterschiedliche Beschäftigungen und Interessen, die ich habe, auf die ich zurückgreifen möchte. Und diese Freiheit möchte ich mir nehmen. Ich freue mich, dass ich zu dem Punkt gekommen bin, wo ich sanfter mit mir umgehen kann und nicht sagen muss, das ist jetzt dieses eine Thema und dann muss es ein anderes sein. Ich muss also nicht immer alles ganz neu machen. Es geht vielmehr darum, dass in den Arbeiten alles ich war und bin, und dass ich das weiterentwickeln und neu aufsuchen kann. Das hat glaube ich auch ein bisschen mit Reife zu tun. Auf das freue ich mich einfach. Darum war dieses Bett für mich so wichtig, weil ich es lange machen wollte und nicht gemacht habe, weil es ein „altes Motiv“ war. Es kommt hier auch auf den Kontext an, jetzt ist es für mich wieder relevant.
FABIAN ERIK PATZAK
hat an der Akademie der bildende Künste Wien (Muntean/Rosenblum) diplomiert. Er ist Preisträger des Theodor-Körner-Preises, des Naomi Anolic Early Career Awards und des Erste Bank MehrWERT-Kunstpreises. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt und sind in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Ausgehend von einer mehrere Generationen überspannenden Migrationserfahrung, insbesondere zwischen Österreich und den USA, behandeln Patzaks Arbeiten ineinander zusammenhängende Themen wie kulturelles Erbe, verlegte Erfahrungsräume und Erinnerungen.
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