Im Rahmen der letzten Jahrzehnte wurde in der Frauenpolitik Einiges erreicht. Und dennoch weisen unsere demokratischen Gesellschaften nach wie vor gravierende sozioökonomische Ungleichheiten auf, die sich direkt auf die Lebenswelten von Frauen auswirken und die Forderung nach Gleichstellung erneut und mit Nachdruck ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit rücken. Dabei dürften die verschiedenen Wellen und Formen des Feminismus – zwischen sex und gender, zwischen biologischem und sozialem Geschlecht – in dieser Frage nicht divergieren, würde sich doch damit Frauenpolitik in ihrem eigenen Namen auslöschen, wenn es nicht mehr um Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit für alle Menschen ginge. Erst wenn Frauen – wie etwa im Iran – wirklich befreit und gleich sind, sind wir alle frei und gleich.

Deshalb hat sich die Redaktion der ZUKUNFT entschlossen, dem Thema Gleichstellung braucht Zukunft eine eigene Ausgabe zu widmen, für die wir eine mehr als kompetente Runde von insgesamt sieben Autorinnen gewinnen konnten. Dabei blicken wir auf die historischen Meilensteine des Feminismus genauso zurück, wie wir die Zukunft der Frauenpolitik diskutieren wollen. Das Equal Pay angesichts der (unsichtbaren) Arbeit von Frauen eine notwendige Forderung bleibt, bestimmt dabei unsere (politischen) Interessen ebenso, wie die Forderung nach einem österreichischen Gleichstellungsrat und eine Diskussion von Gleichstellungsstrategien in Unternehmen, die nach wie vor nur teilweise greifen.
Deshalb freut es uns, dass Elisabeth Grossmann und Evelyn Regner – Mitglieder des Europäischen Parlaments und SPÖ-Europaabgeordnete – unsere Ausgabe mit einer Bestandsaufnahme und einem Blick in die Zukunft der europäischen Frauenpolitik eröffnen. Wenngleich schon viel erreicht wurde, stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Ausgangspunkt der Argumentation ist der Umstand, dass Gleichberechtigung noch nicht Gleichstellung bedeutet, wodurch auch deutlich wird, dass das Erreichte noch nicht in der Wirklichkeit von Frauen angekommen ist. Rekapitulieren wir, was sich in den letzten Jahren auf europäischer Ebene zugunsten von Frauen, Mädchen und somit der demokratischen Gesellschaft getan hat, sehen wir klarer, wo wir auf dem Weg in die Zukunft frauenpolitisch ansetzen müssen. Die Autorinnen halten dabei ein Plädoyer für einen Feminismus, dessen Agenda darin bestehen muss, eine gerechte und gleichberechtigte Zukunft für alle Menschen zu schaffen. Es gilt also frauenpolitische Errungenschaften zu schützen und auf dem Erreichten aufzubauen.
Davon handelt auch der Beitrag von Eva-Maria Holzleitner – Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung der Republik Österreich – die der Überzeugung folgt, dass wir Gleichstellung nur gemeinsam schaffen können. Dabei geht es um die Abschaffung von Lohnunterschieden, das Eröffnen von Chancen und mehr Freiräume für Frauen sowie um gerechte Arbeitsteilung. Entscheidend ist dabei auch im Blick auf die Wissenschaft, das frauenspezifische Forschung gefördert und ausgebaut werden muss, um damit auch in möglichst allen Disziplinen die Demokratie zu schützen. Ein zentrales Anliegen der Frauenministerin ist es auch, die Sicherheit zu erhöhen und damit der Gewalt an Frauen einen Riegel vorzuschieben. Denn Gewalt ist kein Einzelschicksal, sie trifft Frauen jeden Alters, unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Hintergrund. Gleichstellung ist dabei die Grundlage einer funktionierenden und lebendigen Gesellschaft. Es geht in der Frauenpolitik mithin um faire Chancen, um Solidarität und Zusammenhalt. In diesem Zusammenhang ist auch für Eva-Maria Holzleitner klar: Es gibt noch viel zu tun!
Der Artikel von Susanne Feigl kümmert sich dann um die Geschichte des österreichischen Feminismus und um Meilensteine der Frauenpolitik. Denn seit den Gründungstagen der österreichischen Sozialdemokratie ist die rechtliche und ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern Teil der politischen Programmatik, weshalb mit diesem Beitrag wichtige Stationen und Highlights der Frauenpolitik zusammengefasst werden können. So wurde seitens der Bundesregierung erst 1975 ein umfassender wissenschaftlicher Bericht über die Situation der Frauen in Österreich publiziert, was auch mit der zeitgleichen Familienrechtsreform verbunden war. Im Nachhinein ist es fast unglaublich, dass Frauen erst so spät ohne Zustimmung des Mannes berufstätig werden konnten. Mit der Gründung von Frauenhäusern und der ersten Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen, Johanna Dohnal, folgt dann auch ein wichtiger und mehr als richtiger Schritt in Richtung Frauenemanzipation. Im Blick auf die Gegenwart kann so des Weiteren festgehalten werden, dass Frauen zwar hinsichtlich der Ausbildung in den letzten 50 Jahren aufgeholt haben, aber brutto pro Stunde um 18,4 % weniger als Männer verdienen. Dieser Gender Pay Gap gehört zu den höchsten innerhalb der Europäischen Union, weshalb hier rasch etwas besser werden muss.
Christine Mayrhuber, Nadja Bergmann, Andrea Leitner und Trude Hausegger gehen dann mit ihrem Beitrag auf die strukturelle Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ein und zeigen anhand ausgewählter „Geschlechter Gaps“, dass der Weg zur ökonomischen und gesellschaftlichen Gleichstellung noch ein langer ist, zumal in wirtschaftlich angespannten Zeiten Rückschritte drohen. Deshalb fordern sie unter dem Titel Mind the Gaps! und im Namen der Gleichstellung von Frauen und Männern einen österreichischen Gleichstellungsrat, der als dringend nötiges Instrument vorgestellt wird, um Gleichstellung effektiv zu fördern. Denn wir sind von einer ökonomischen (politischen, sozialen oder kulturellen) Gleichheit der Geschlechter noch weit entfernt und neue Befunde belegen in vielen Bereichen eine Stagnation, teilweise auch Rückschritte bei Gleichstellungsindikatoren. Deshalb weisen die Autorinnen nachdrücklich darauf hin, dass wir es im Bereich der Frauenpolitik mit einem Lebensformen-Gap, einem Bildungs-Gap, einem Arbeits-Gap, einem Einkommens-Gap und einem (politischen) Repräsentations-Gap zu tun haben, die strukturelle Änderungen unserer Gesellschaft nötig machen.
Auch Ingrid Mairhuber behandelt mit Der Gender Pension Gap die Entstehung und die strukturellen Ursachen des Einkommensgaps in der Pension. Sie macht konkrete Vorschläge, was Frauen individuell für eine höhere Pension tun können und wie die Politik die Situation kurzfristig verbessern könnte. Dabei sind diesbezügliche Informationen insbesondere für Frauen wichtig. Eine Möglichkeit für Frauen, ihre Pensionsleistung zu verbessern, bietet etwa die freiwillige, sehr flexible und sichere Höherversicherung. Dabei kann neben der Höhe der Beiträge, die in die Pensionsversicherung einbezahlt werden, auch die Häufigkeit und Dauer der Zahlungen individuell gewählt werden. Je früher – im Sinne von Lebensalter – die Beiträge bezahlt werden, desto mehr sind sie „wert“ und desto größer ist die pensionssteigernde Wirkung. Abschließend betont Mairhuber, dass es in der Pensionsdiskussion vor allem um die gesellschafts- und sozialpolitische Frage geht, was mit „unseren“ Pensionsbeiträgen finanziert werden soll. Frauen sollen sich daher in die Diskussion einmischen und selbstverständlich eine gute Absicherung im Alter fordern.
Mit ihrem Beitrag Equal Pay Day im Arbeitsmarktservice arbeitet auch Hilde Stockhammer in der Folge heraus, wie Gleichstellungsstrategien ein Unternehmen verändern können. Auch dieser Artikel beschreibt, wie eine konsequente Gleichstellungspolitik die gerechte Verteilung von Aufgaben und Ressourcen erreichen kann und mit einem durchdachten Bündel von Maßnahmen der Gender Pay Gap aktiv geschlossen wird. So fiel im Jahr 2024 der unternehmensinterne Equal Pay Day im AMS auf den 22. Dezember. Der Gender Pay Gap lag bei 2.5 %. Der Blick in die Statistik zeigt durchaus eine stetige Verbesserung. Die Voraussetzung dafür, dass der Einkommensgap zwischen Frauen und Männern geschlossen wird, ist aber weiterhin eine konsequent verfolgte Gleichstellungspolitik in Unternehmen, wie sie auch im Rahmen der Lohntransparenzrichtlinie der EU gefordert wird. Unternehmensinterne und arbeitsmarktpolitische Gleichstellungsziele, so Stockhammer, bergen Synergien und leisten einen wichtigen Beitrag zur eigenständigen Existenzsicherung und ökonomischen Gleichstellung von Frauen.
Darüber hinaus freut es die Redaktion der ZUKUNFT mit den Werken von Käthe Schönle im Rahmen unserer Bildstrecke vom Cover weg eine dezidiert feministische Künstlerin präsentieren zu dürfen, die nicht zuletzt der Frage nachgeht, wie viele Meisterinnen der Kunst wir eigentlich kennen. Sie studierte Freie Kunst und Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel mit Abschlüssen in Malerei sowie Illustration und ihre Arbeiten wurden seither in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen national und international gezeigt. Im Interview mit Elisabeth Kaiser erklärt sie, wie sie durch ihre Werke philosophischen und feministischen Fragen im künstlerischen Austausch begegnet und sich dabei immer wieder auf die schwierige Rolle von Frauen in der Kunstwelt bezieht. Damit macht sie auch deutlich, dass feministische Kunst auf ganz unterschiedliche Art Normen, Hierarchien und Traditionen in Frage stellt. Deshalb muss es in der Kunst wie im Leben um weibliche Identität, Erfahrung, Körperverständnis und Perspektive gehen.
Darüber hinaus bringen wir als Fortsetzung unserer vorletzten Ausgabe 05/2025: Lebensraum Stadteinen Artikel von Jeremias Jobst, der sich um die Wohnumfeldmobilität in der Seestadt Aspern kümmert. Jobst fasst für die Leser*innen der ZUKUNFT seine Masterarbeit zusammen und präsentiert damit eine stadtsoziologische Studie zur Quartiersentwicklung, die für alle Urbanist*innen, aber auch Politiker*innen von Interesse ist. Denn unser Autor gibt fundierte stadtsoziologische Einblicke in die Struktur und Genese des Stadtentwicklungsgebiets Seestadt Aspern, die das Potenzial hat, ein inspirierendes Vorbild für ähnliche urbane Transformationsprozesse zu werden und zu demonstrieren, wie eine nachhaltige Wohn-, Arbeits- und Freizeitgestaltung in einem aufstrebenden Quartier erfolgreich umgesetzt werden kann. Dabei stehen in diesem Beitrag vor allem Fragen der Wohnumfeldmobilität im Mittelpunkt der Ausführungen.
Insgesamt wollen wir auch am Ende betonen, dass Gleichstellung eine Zukunft – und vielleicht auch die(se) ZUKUNFT – braucht, um mit abgesicherten Fakten zur aktuellen Lage im Bereich der Frauenpolitik aktiv werden zu können. In diesem Sinne hoffen wir als Diskussionszeitschrift, mit dem feministischen Reigen unserer Beiträge eine gute Basis für weitere frauenpolitische Aktivitäten zu liefern …
Es senden herzliche und freundschaftliche Grüße
Elisabeth Kaiser, Hilde Stockhammer und Alessandro Barberi
ELISABETH KAISER
hat das Diplomstudium Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien sowie den Masterlehrgang „Führung, Politik und Management“ am FH Campus Wien abgeschlossen. Aktuell absolviert sie das Psychotherapeutische Propädeutikum an der Universität Wien. Von 2008 bis 2016 hat sie in der Funktion der Geschäftsführerin den Verein ega:frauen im zentrum geleitet. Seit Mitte 2016 ist sie als stellvertretende Direktorin der Wiener Bildungsakademie (wba) tätig.
HILDE STOCKHAMMER
war Mitarbeiterin von Johanna Dohnal und 23 Jahre zuständig für interne Gleichstellung und Arbeitsmarktpolitik für Frauen im Arbeitsmarktservice
ALESSANDRO BARBERI
ist Chefredakteur der ZEITSCHRIFT FÜR HOCHSCHULENTWICKLUNG (www.zfhe.at) sowie der Fachzeitschriften ZUKUNFT (www.diezukunft.at) und MEDIENIMPULSE (www.medienimpulse.at). Er ist Zeithistoriker, Bildungswissenschaftler, Medienpädagoge und Privatdozent. Er lebt und arbeitet in Magdeburg und Wien. Politisch ist er im Umfeld der SPÖ Bildung und der Sektion 32 (Wildganshof/Landstraße) aktiv. Weitere Infos und Texte online unter: https://medienbildung.univie.ac.at/.