Digitalisierung betrifft uns alle, als Gesellschaft und als Individuen. Ein neues Lehrbuch vermittelt nicht nur technologische Grundlagen, sondern beleuchtet vor allem auch ethische und gesellschaftliche Fragen rund um Künstliche Intelligenz und Digitalen Humanismus. Mit praxisnahen Übungen und offenen Lernformaten setzt das Lehrbuch Digitalisierung und Wir neue Maßstäbe für Bildung und Reflexion und ist Open Access online verfügbar. ANITA EICHINGER, Direktorin der Wienbibliothek im Rathaus, berichtet für die ZUKUNFT …
I. Einleitung
Von Albert Einstein gibt es den schönen Vergleich, auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, wäre wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten. Diese Einsicht hat zwei Institutionen, deren Kernaufgaben eigentlich in anderen Bereichen liegen, dazu bewogen, ein Lehr- und Arbeitsbuch zu Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz zu schreiben.
II. Ein Manifest
Die Umstände dabei waren glückliche: Die Wienbibliothek im Rathaus denkt seit vielen Jahren darüber nach, was die digitale Transformation für sie als Wissens- und Erinnerungsinstitution bedeutet, und ist seit Verabschiedung des Manifests zum Digitalen Humanismus[1] (2019) etablierter Denk- und Diskursort für diese Fragen. Der Initiator dieses Manifests Hannes Werthner, Professor für Informatik an der TU Wien i. R., hat zu diesem Themenkomplex Konferenzen und Lectures organisiert sowie zwei Standardwerke herausgegeben. Gemeinsam mit der Wienbibliothek rief er die sogenannte Montagsrunde ins Leben, in der über Digitalisierung und KI diskutiert wird. Peter Knees, ebenfalls Informatiker an der TU Wien, ist UNESCO Chair für Digital Humanism und hat mit dem Gymnasium Stubenbastei (GRG1) erste Fäden für eine Kooperation geknüpft. Der dortige Direktor, Horst Eichinger, denkt nämlich ebenfalls schon lange über die Frage nach, wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in den Unterricht integriert werden könne. Das Wahlpflichtfach Digitaler Humanismus und KI ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Allerdings sah man sich mit dem Problem konfrontiert, dass es bisher einfach keine Lehrmaterialien dazu gab.
III. Ein (digital humanistisches) Lehrbuch
Wir haben deshalb im Frühjahr 2024 beschlossen, ein Lehrbuch auf Grundlage von Introduction into Digital Humanism (hrsg. Hannes Werthner, Carlo Ghezzi, Jeff Kramer u. a.)[2] zu erarbeiten, und dafür 15 Artikel ausgewählt, übersetzt, gekürzt, zusammengeführt und didaktisch aufbereitet. Die Didaktisierung hat dabei Tina Lechner übernommen. In zwölf Kapiteln beleuchten wir die wichtigsten Themen rund um Digitalisierung. Wichtig dabei war uns, nicht nur die technologischen Entwicklungen aufzuzeigen, sondern den Blick auch auf die gesellschaftlichen Auswirkungen zu richten. Aktuell setzen die USA Europa massiv mit ihrem Credo unter Druck, dass Regulierung Innovation hemme. Die Auswirkungen von KI müssen mitbedacht werden, das Feyerabend’sche „anything goes“ darf hier nicht gelten: Wissenschaftler*innen haben Verantwortung für ihre Forschungen, negative Folgen müssen von Anfang an mitgedacht werden – auch aus dieser Überzeugung heraus entstand 2019 das Manifest für Digitalen Humanismus.
IV. Conclusio: Ein erster Schritt
Das Lehrbuch ist ein erster Schritt zur breiten Vermittlung der Themen rund um Digitalisierung, denn Digitalisierung betrifft uns alle – als Gesellschaft und als Individuen. Im besten Fall findet es sowohl in Schulen als auch in Erwachsenenbildungseinrichtungen Anwendung. Bibliotheken haben in diesem Prozess eine zentrale Position, nicht nur als Vermittler, sondern auch als Wissens- und Informationsspeicher, die originale Quellen nachhaltig für alle zugänglich machen.
Das Buch soll in digitaler Form offen sein für permanente Erweiterung, besonders auch vonseiten der Lehrenden und Lernenden. Eine europäische Crowd-Plattform schwebt uns dabei als Modell vor, nicht zuletzt als Gegenmodell zu den Lern-Plattformen von Google und Co, die gerade in den USA entstehen. Besonders erfreulich ist, dass bereits an Übersetzungen des Lehrbuchs ins Englische und Italienische gearbeitet wird – das sind die ersten Schritte zu einer digitalen und bor allem humanistischen Plattform!

DIGITALISIERUNG UND WIR. LEHRBUCH ZUM DIGITALEN HUMANISMUS MIT PRAKTISCHEN ÜBUNGEN
HRSG. ANITA EICHINGER, PETER KNEES, HANNES WERTHNER
Wien: Residenz Verlag 2024; 180 Seiten | kostenfrei
ISBN: 978-3-7017-3641-6; Erscheinungstermin: 2024
Open Access:
https://www.digital.wienbibliothek.at/urn/urn:nbn:at:AT-WBR-1565583
ANITA EICHINGER
ist Direktorin der Wienbibliothek im Rathaus. Als promovierte Philosophin setzt sie sich theoretisch wie praktisch mit Bibliotheken als Wissensinstitutionen in Zeiten der digitalen Transformation auseinander. Praktisch baute sie nicht nur die Digitale Wienbibliothek auf, sondern spielte auch eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Wien Geschichte Wiki sowie bei der Crowdsourcing-Plattform Wir schreiben Geschichte.
[1] Vgl. online unter: https://dighum.ec.tuwien.ac.at/wp-content/uploads/2019/07/Vienna_Manifesto_on_Digital_Humanism_DE.pdf (letzter Zugriff: 01.03.2025).
[2]Vgl. online unter: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-45304-5 (letzter Zugriff: 01.03.2025).