Der Zwang zur Freiheit? Über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – VON HELMO PAPE

I. Einleitung

Wem gehört die Welt? Uns allen, die wir frei und gleich geboren sind! Wieso ist dann nirgendwo kostenlose Selbstversorgung möglich? Wo ist die Freiheit, wenn der Zugang zu Ressourcen versperrt ist? In einer Welt, in der Menschen sich arbeitsteilig fremdversorgen, ist die eigene Lebensgrundlage die Leistung anderer. Um die Leistung anderer für sich in Anspruch nehmen zu können, brauchen Menschen Geld. Die verlorene Freiheit kein Land zur eigenen Nutzung zu haben, könnte mit einem Recht auf Geld wiedergewonnen werden. Dieses Recht auch seinen Mitmenschen ohne Zwang zur Gegenleistung zu garantieren, macht daraus ein gesellschaftliches Freiheits- und Sicherheitsversprechen. Dieses nennt sich: Bedingungsloses Grundeinkommen.

Die Idee ist nicht neu. Seit Thomas Morus Roman Utopia von 1516 formulieren Vordenker immer wieder Konzepte, die sich auf Land und Rechte für die Besitzlosen beziehen. In Österreich gibt es den Generationenvertrag, der alten Menschen ein menschenwürdiges Leben ohne Zwang zur Gegenleistung garantiert. Dieses Umlagesystem teilt den Wohlstand, den die Erwerbstätigen erarbeiten, über Steuern und Abgaben mit dem Rest der Bevölkerung. Heute sind durch Importe, Maschinen und Energieeinsatz weit weniger Erwerbstätige zur Erarbeitung des Wohlstands nötig als früher. Die Steuern und Abgaben treffen aber immer noch hauptsächlich die Erwerbstätigen statt Maschinen, Naturverbrauch und Importe stärker einzubeziehen. Das führt dazu, dass menschliche Arbeit zum steuerintensivsten Faktor in Österreich geworden ist. Wir werden dieses Problem bei der Finanzierung des Bedingungslosen Grundeinkommens berücksichtigen.

II. Von Wertschätzung und Gemeinschaft

In Österreich gibt es heute verschiedene Grundeinkommen, denn es herrscht Konsens, dass niemand sterben soll, dem Geld fehlt. Neu wäre nur die Bedingungslosigkeit in einer Höhe, die ein Mindestmaß an Freiheit zulässt. Bedingungen wie Bedürftigkeit, Arbeitswilligkeit oder Gesundheitsstatus nicht mehr zu prüfen, bringt den Vorteil, dass alle erreicht werden und die Abwicklung sehr einfach ist. So kann Armut, bevor sie entsteht, vermieden werden. Derzeit gibt es kein einziges Land auf der Welt mit einem Recht auf Einkommen in ausreichender Höhe, also ohne Armut. Warum nicht?

Früher lautete die Begründung: Mangel. Heute gibt es keinen Mangel mehr, wir haben so viel Überfluss, dass er sogar den Planeten bedroht. Wir erzeugen die Armut nun neben dem Reichtum. Was ist der Grund dafür? Unsere Hauptsorge ist, dass Menschen, die Geld haben, nichts für andere tun und so kein Staat funktionieren kann. Stimmt das? Wer von uns hat schon unbezahlt gearbeitet? Was lässt uns tätig werden, wenn es kein Geld dafür gibt? Wir suchen Sinn in unserem Leben. Wenn das Warum einer Tätigkeit einleuchtet, erledigen wir sogar unangenehme Aufgaben dauerhaft. Wir suchen Wertschätzung in Form von Lob, Dank, Status, Anerkennung, ja auch strahlende Augen schenken uns Freude an einer Arbeit. Geradezu lebenswichtig ist persönliches Wachstum, sprich in der Arbeit Fähigkeiten und Erkenntnisse zu entwickeln und damit unseren Charakter zu formen. Arbeiten wir in einer Gruppe und wachsen in der Aufgabe zusammen, entsteht Gemeinschaft, wir haben Freude am Tun, fühlen uns verbunden, erfüllt und befriedigt – unbezahlbar.

Es stimmt schon, reiche Menschen sind befreit von Arbeit, die sie nicht machen wollen und frei für Arbeiten, die sie interessieren. Reichtum gilt als das Freiheitsideal schlechthin. Ohne Reichtum muss man seine Arbeitskraft in einen immer härter umkämpften Arbeitsmarkt verkaufen, bis man nicht mehr gesund ist. Neun Millionen Menschen leben in Österreich, knapp vier Millionen haben eine bezahlte Arbeit. Noch viel weniger haben eine, die sie selbst sinnvoll finden und davon eine Familie ernähren können. Die Abhängigkeit von Geld bedeutet für jene, die noch eine bezahlte Arbeit haben, Dauerstress. Für jene, die keine finden, auch. Das macht etwas mit uns als Menschen, das macht etwas mit uns als Gesellschaft.

Wir sind unter Druck. Finanziell, körperlich, zeitlich sowieso und immer öfter emotional. Wir versuchen eine funktionierende Demokratie hinzubekommen und verheddern uns in Konkurrenz. „Was machen Sie beruflich?“ fragt nach dem persönlichen Interesse, aber auch, ob das Gegenüber eine Leistungsträger*in ist. Denn nur wer Geld verdient und Steuern zahlt, gehört zu den Guten. Der Mann, der nur seine Eltern pflegt, tut nichts für das Bruttoinlandsprodukt und liegt anderen auf der Tasche. Die Frau, die ihre Kinder versorgt, arbeitet nicht wirklich. Ist das so?

III. Was genau ist Arbeit?

Kommen wir zur zentralen Frage: Was ist eigentlich alles Arbeit und wem dient sie? Aus dem Alltag kennen wir fünf Kategorien von Arbeit. Die Eigenarbeit dient der Erstellung und Wiederherstellung meiner Fähigkeiten. Damit sind Bildung, Training, aber auch Pausen, Heilung, Erholung ein wichtiger Teil der Eigenarbeit. Die Sorgearbeit dient Menschen, Tieren und Pflanzen, für die ich verantwortlich bin, ohne Bezahlung. Die Freiwilligenarbeit ist der Einsatz meiner Fähigkeiten in Gemeinden, Vereinen, Politik und Kultur. Die Erwerbsarbeit widmet als einzige Arbeitsform gegen Geld, die eigenen Fähigkeiten sogar Fremden. Die Arbeit, die noch nicht gemacht ist, ist die Potenzialität oder die Belastung, die erst real werden will. So gesehen ist das Leben voller Arbeit und arbeiten wird Ausdruck unserer Persönlichkeit.

Dabei ist Erwerbsarbeit nur eine von fünf Arbeitsarten, aber für viele die einzige Einkommensquelle. Warum vergöttert die Politik Arbeitsplätze? Weil sie weiß, dass Menschen durch diese Arbeit Geld bekommen. Dabei geht es um Erwerbs-Arbeitsplätze. Fragen wie „Arbeitet deine Frau schon wieder oder ist sie noch daheim bei den Kindern?“ zeigen, dass selbst wir noch nicht klar vor Augen haben, was alles Arbeit ist. Natürlich ist es Arbeit, wenn man Kinder betreut. Sagen wir also nicht mehr, jemand ist „arbeitslos“, sagen wir jemand ist erwerbslos. Uns stehen die Begriffe im Weg. „Freizeit ist ein Arbeitsunfall“. Dieses Wortspiel macht deutlich, dass das Wort Freizeit nur Sinn ergibt, wenn es unfreie Zeit gibt, die mit Freizeit und Geld entschädigt wird. Es entspricht auch nicht unserer Wahrnehmung, dass wir für unsere Arbeit bezahlt werden, sonst hätten Einkommen und Arbeit nicht so wenig miteinander zu tun. Der Begriff Wertschätzung trifft es schon eher. Wie sollte auch die Arbeit einer Mutter oder eines Politikers objektiv gemessen werden? Messen wir Fürsorge oder Urteilskraft in Euros? Würden wir dann nicht gerne mehr Geld für bessere Politik zahlen? Arbeit kann man weder objektiv bewerten, noch bezahlen. Menschliche Arbeit ist unbezahlbar, aber das Einkommen ermöglicht uns, einer Aufgabe dauerhaft Lebenszeit zu widmen. Einkommen ist daher nicht das Ergebnis von, sondern die Voraussetzung für Arbeit! Wie beim Auto: Erst muss ich tanken, dann kann ich fahren. Erst muss ich leben, dann kann ich arbeiten. Ich muss mir Arbeit „leisten“ können.

IV. Das bedingungslose Grundeinkommen und die Arbeit

Die meistgestellte Frage zum BGE ist „Wer geht dann noch (Erwerbs-)arbeiten?“. Wir kennen das: für Erwerbslose zahlt sich Erwerbsarbeit oft nicht aus. Der Grund für diese unglückliche Situation ist, dass derzeit als Folge der Mühe ein eigenes, offizielles Einkommen zu erzielen, das Geld vom Arbeitsmarktservice gestrichen wird. Menschen, die das wissend einen Job nicht annehmen oder schwarzarbeiten, werden „Sozialschmarotzer“ genannt. Doch halt: Mit BGE wäre Schwarzarbeit ja nicht mehr nötig, oder? Wie ist dieses Bedingungslose Grundeinkommen also eigentlich definiert?

Es gibt vier Kriterien: Es ist ein Recht, das die gesamte Bevölkerung in ausreichender Höhe bedingungslos erreicht. In einem Satz: Eine Gesellschaft garantiert allen Mitgliedern einen regelmäßigen Betrag, genug menschenwürdig leben zu können, ohne Zwang zur Gegenleistung. Die Neuigkeit ist, dass das BGE erhalten bleibt, wenn für Geld gearbeitet wird. Wie sieht es mit der Höhe aus? Armut wird zwar statistisch gemessen, doch empfundene Armut ist das echte Problem. Der Betrag muss menschenwürdiges Leben ermöglichen. Alle sollen damit gesundheitsversichert sein und weiterhin eine öffentliche Daseinsvorsorge wie sozialen Wohnbau, Schulen und tolle Infrastruktur vorfinden. Auf Antrag hilft, wie bisher, der Sozialstaat bei besonderen Bedürfnissen, die über das BGE hinausgehen. Der Betrag wird in Österreich zwischen 1.000 und 1.500 Euro monatlich liegen und tatsächlich pro Kopf ausgezahlt. Familien und Wohngemeinschaften haben dann mehrere BGE gleichzeitig. Es wird in der Stadt gleich hoch sein wie am Land und zwischen Menschenwürde und Konsumsehnsucht balancieren. Österreich muss im globalen Wettbewerb bestehen. Daher sollen durch ein BGE, Arbeitskosten, Steuern und Verwaltungsaufwand sinken. Lassen sich die Vorteile der einfachen Finanzierung unserer heutigen Grundsicherungssysteme (1), mit dem administrativen Trumpf, dass es alle erreicht und so Armut unmöglich wird (3), kombinieren? Wir präsentieren: die umwandelnde Einführung des BGE.

Abbildung 1: 1 Grundsicherung / 2 umwandelndes BGE / 3 zusätzliches BGE © Generation Grundeinkommen

Diese Art der Einführung (2) erfordert mehr Fantasie als einfach nur mehr Geld für alle. Zwischen der Abstimmung für ein BGE und der Einführung liegen 2–3 Jahre der Vorbereitung, wie bei der EURO Einführung 1999–2002. Die Einführung gliedert sich in Umwandlung und Verhandlung.

  1. UMWANDLUNG: Zum Einführungsstichtag werden bestehende Netto-Einkommen um den BGE-Betrag verringert und gleichzeitig das BGE an alle ausgezahlt. So hat garantiert niemand weniger als vorher und alle mindestens das BGE.
  2. VERHANDLUNG: Vor dem Einführungsstichtag werden die Nettoeinkommen für die Zeit danach vereinbart. Das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung findet sich wie bei Vorstellungsgesprächen in der Vorstellung. Die umwandelnde Einführung erlaubt Unternehmen ihren Mitarbeitenden, den existenznotwendigen Teil der Einkommen, die BGE-Summe, nicht mehr auszuzahlen, da dieser Betrag nun vom Staat kommt. Unternehmen werden diesen Vorteil über den Umsatz später anteilig an den Staat zurückzahlen. Mehr dazu weiter unten.

Bei Pensionierten, Beamten, Erwerbslosen, kurz allen, die ihr Einkommen vom Staat bekommen, besteht nach der Umwandlung das Einkommen aus dem bedingungslosen Sockel, dem BGE, und dem eventuell höheren Anspruch, der das vorherige Nettoeinkommen wieder herstellt. Nochmal: Niemand wird gekürzt, es wird nur umgewandelt. Da ein BGE viele Veränderungen bringt, die demokratisch legitimiert werden müssen, wäre eine Volksabstimmung, wie 1994 beim EU-Beitritt, zu seiner Einführung abzuhalten. Dies verhindert, dass es ohne Volksabstimmung wieder abgeschafft werden kann.

Ist ein ausreichendes BGE eingeführt, stellt sich die Frage, wie bekomme ich eine Aufgabe erledigt? Das BGE verschafft uns die Freiheit Nein, aber auch Ja zu sagen. Dass Arbeit nicht erledigt wird, lässt sich – wie heute – mit drei Strategien begegnen. Arbeit attraktiv machen, heißt mehr Mitbestimmung über Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsweisen, aber auch mehr Geld für unattraktive Arbeit. Neu ist jedoch, dass die attraktivsten Tätigkeiten viele Menschen anziehen, die, dank BGE, diese sogar ohne Zusatzeinkommen erledigen können. Evidenz dafür ist die professionelle Arbeit, die heute in Feuerwehren, Parteien oder Vereinen ohne Bezahlung geleistet wird. Arbeit kann sich mit Grundeinkommen nun jeder Mensch leisten, dennoch wird es für Vieles noch Geld brauchen. Die zweite Strategie lautet Arbeiten automatisieren. Werden unattraktive Jobs teurer, rentiert sich deren Automatisierung sogar schneller. Zuletzt kann man die Arbeit selbst machen. Was weder attraktiv für andere ist, noch automatisiert werden kann, wird von mir selbst erledigt. Erziehung, Pflege, Bildung, Klimaschutz, Heilung oder Kunst, was mir wichtig ist, bekommt meine Zeit.

V. Zur Finanzierung

Wir kommen nun zur Finanzierung. Für eine isolierte Volkswirtschaft ist der finanzielle Nutzen minus der Kosten für ein BGE immer Null. Die Bevölkerung erhält das BGE vom Staat, der dafür Steuern einhebt, die von Unternehmen in die Preise einkalkuliert werden, die die Bevölkerung zahlt. Das BGE hat nie eine Finanzierungsfrage gestellt, es stellt eine Verteilungsfrage. Wir müssen nichts mehr zusätzlich produzieren, sondern über unser Steuersystem Aufgaben, Macht und Ressourcen gerecht und nachhaltig verteilen. Drei große Fehler sollten dabei unbedingt saniert werden:

Erstens: Steuern auf Arbeit müssen nicht sein. Einkommenssteuern spalten uns in eine schrumpfende Zahl an Leistungsträger*innen und eine wachsende Zahl von Leistungsempfänger*innen. Das schwächt den sozialen Zusammenhalt. Schluss damit. Zweitens ist es schädlich, dass Maschinen und Importe kaum Steuerbeiträge liefern.Das führt dazu, dass Unternehmen automatisieren und im Ausland mit geringeren Sozial- und Umweltstandards billiger produzieren, um hier Menschen und deren Steuerbeiträge zu sparen. Drittens braucht es neben einer Armuts- eine Überreichtumsgefährdungsschwelle. Unser Steuersystem muss der Armut und dem Überreichtum Rechnung tragen. Es wird neben dem BGE als Fundament eine Vermögenssteuer als Dach brauchen, um einen Wohlstandsraum zu definieren, der unsere Demokratie vor zu viel Ungleichheit schützt:

Ein Zahlenbeispiel für ein kleines BGE in Österreich:

7,250.000 Erwachsene1.000 Euro 12 x jährlich87 MRD Euro
1,750.000 Kinder und Jugendliche500 Euro 12 x jährlich  10 MRD Euro
9,000.000 BevölkerungGesamt97 MRD Euro

Tabelle 1: Ein Zahlenbeispiel für ein kleines BGE in Österreich © Generation Grundeinkommen

Abbildung 2: Einkommenshöhe je Bevölkerungsmitglied
© Generation Grundeinkommen

Dieses Gesamtvolumen eines BGE von knapp 100 MRD Euro gilt gemeinhin als unfinanzierbar, denn Österreichs Wirtschaftsleistung (BIP) betrug 2018 knapp 400 MRD Euro. Die Umwandelnde Einführung berücksichtigt bestehende Netto-Einkommen und senkt so das Gesamtvolumen von einem Viertel auf ein Fünfundzwanzigstel des BIP. Gemäß einer Simulationsrechnung der GAW-Innsbruck und der Uni Linz für 2018 sind nur etwa 15 MRD Euro pro Jahr bzw. 4 % der Wirtschaftsleistung von oben umzuverteilen oder neu zu finanzieren.

Jetzt haben wir ein genügend geringes Volumen, um bei Einführung des BGE für alle Inflation zu vermeiden. Wir erreichen seit Jahren in Österreich eine Abgabenquote von etwa 43 %. Das heißt selbst inklusive BGE werden, wie heute auch, knapp die Hälfte aller Preise nötig sein, damit Österreich funktioniert. Wer meint, Österreich sollte aber besser funktionieren, für den wird es jetzt spannend. Wir lüften zwei Geheimnisse, um ein zukunftstaugliches System zu wählen. Nummer eins: Unternehmen zahlen keine Steuern. Nie! Sie führen nur Steuern an den Staat ab. Sämtliche Steuern müssen, wie alle anderen Kosten, von der Kundschaft über die Preise gezahlt werden. Es war noch nie anders, jedes Unternehmen muss alle Kosten weiterreichen. Nummer zwei: Güter kosten nichts, alle Preise sind Einkommen.Nicht Material, Wasser oder Energie kosten Geld, die Natur schenkt uns alles. Preise sind ausschließlich Einkommen von Menschen, die entweder das Produkt oder die Rahmenbedingungen dafür hergestellt haben. Steuern sind die Einkommen jener, die im Staat arbeiten, oder noch zu jung, zu schwach oder zu alt sind.

Abbildung 3: Zwischen BGE und Steuersystem
© Generation Grundeinkommen

Heute werden alle Staatsaufgaben zu zwei Dritteln aus Steuern auf Erwerbsarbeit bezahlt. In Firmen gilt die Faustregel für Personal: Monatsnetto x 2 = Kosten. Das Dilemma der Politik ist, dass Arbeitsplätze gewollt, aber gegenüber Maschinen oder Importen steuerlich benachteiligt sind. Für Firmen ist es daher wichtig, mit möglichst wenig Personal auszukommen, um im Wettbewerb mit anderen Firmen zu bestehen. Für den Staat heißt das: Staatsaufgaben können nicht mehr lange aus Erwerbseinkommen finanziert werden, wenn gerade diese durch Automatisierung, Globalisierung und demographischen Wandel zurückgehen.

Wenn Unternehmen keine Steuern zahlen, sondern die Kundinnen, können wir das transparent machen? Was wäre dafür zu ändern? Erwerbsarbeit wäre von allen Steuern und Abgaben zu befreien und die nachhaltigste Steuerquelle heranzuziehen, den Verbrauch bzw. Konsum. Konsum ist für Firmen der Umsatz. Umsatz ist, was auf der Rechnung steht. Umsatzsteuer wird, wie jede andere Steuer auch, von den Kundinnen bezahlt, jedoch sichtbar und transparent.

VI.    Ökologische Aspekte und Steuern

Konsumbesteuerung ergibt aus Umweltschutzgründen Sinn, denn Maschinen stellen Güter günstig her, reparieren können diese aber nur Menschen. Reparieren ist die Urform von Recycling, doch oft teurer als ein Neukauf. Reparierbare Güter werden so zu Müll. Mit BGE und der Möglichkeit auf ein Zusatzeinkommen ohne Steuern und Abzüge wird Reparieren, Renovieren, Umbauen und vieles andere viel billiger. So kommt die Umwelt endlich auf ihre Rechnung.

Das letzte Argument gegen Einkommenssteuern ist die Verwaltungsvereinfachung. Umsatz ist, was auf der Rechnung steht. Einkommensermittlung ist viel schwieriger. Wer jemals einen Jahresabschluss oder eine Lohnverrechnung selbst durchgeführt hat, weiß was gemeint ist. Tausende talentierte Menschen arbeiten Millionen Stunden jedes Jahr, um Steuern zu schätzen, zu erklären, zu prüfen und darüber zu streiten. All das nährt und kleidet niemanden, ist keine echte Wertschöpfung.

Die wissenschaftliche Simulationsrechnung von GAW und JKU zeigt, dass wir ohne unsere Staatsaufgaben zu kürzen von Einkommenssteuern und Sozialversicherungsabgaben auf Arbeit völlig unabhängig werden können. Ein ökosoziales Steuersystem aus vier Steuern auf Konsum, Export, Vermögen und Finanztransaktionen reicht, um Österreich zukunftssicher zu finanzieren.

Abbildung 4: Steuersystem aus vier Steuern
© Generation Grundeinkommen

Konsum zu besteuern ist ökologisch, wenn aber alle die gleiche Steuer im Produktpreis zahlen, wie wird das sozial gerecht? Es wird einfach für einen gewissen Lebensstandard als Ausgleich für die Konsumsteuer jeden Monat eine Steuergutschrift als soziale Komponente überwiesen. Klingelt es da? Der 2022 eingeführte Klimabonus kompensiert die CO2-Abgabe für einen gewissen Konsum. Das BGE funktioniert genauso: als fixe Gutschrift auf eine Steuer, die mit dem Konsum zunimmt. Für Menschen, die nur vom BGE leben, können wir, da die Steuer nur die Hälfte aller Preise ausmacht, sogar von „negativer Konsumsteuer“ sprechen.

Wer aus dem Ausland einkauft, zahlt dann bei Einfuhr der Ware die höhere Konsumsteuer, genau wie heute die Umsatzsteuer. Internationale Konzerne erheben für das Finanzamt die Umsatzsteuer aufgrund der Kundenadresse. Einkaufen aus dem Ausland wird mit einer Konsumsteuer eher teurer. Dafür werden heimische Güter dank BGE und steuerfreier Einkommen eher günstiger. Durchschnittlich wird das Preisniveau laut Simulationsrechnung sogar leicht sinken.

Jetzt haben wir alle Nachteile der Einkommensbesteuerung mit einer flächendeckenden Konsumsteuer aufgelöst: Die Spaltung der Gesellschaft ist aufgehoben, denn: Alle, die hier leben, konsumieren – Alle, die konsumieren, zahlen Steuern – Alle die Steuern zahlen, erhalten als Steuergutschrift das BGE. Die Konsumsteuer wird auch von internationalen Konzernen einfach und transparent auf jeder Rechnung ausgewiesen. Sie bezieht Maschinen und den Freihandel in die Steuerbasis ein und lässt alle zur Gesellschaft beitragen. Jene, die viel konsumieren, durch hohe Steuern, jene die wenig konsumieren, durch Ressourcenschonung. Die Konsumsteuer allein macht aber noch nichts gegen Vermögens-Ungleichheit.

Diese Schere zwischen Arm und Reich schließt man am besten mit einer Steuer auf Privat-Vermögen. Diese progressive (siehe Abbildung 5) Steuer trifft Netto-Vermögen, also den Geldbetrag, der bei Verkauf des gesamten Vermögens abzüglich Schulden erzielt werden könnte. Steuerpflichtige können ihn selbst schätzen, ein Verkauf korrigiert die Schätzung und führt zur Nachforderung offener oder zur Gutschrift zu viel bezahlter Steuer.

Abbildung 5: Vermögenssteuersätze pro Jahr
© Generation Grundeinkommen

Was ist besser: Vermögens- oder Erbschaftssteuer? Beide fehlen in Österreich, beide dienen dem gleichen Ziel. Da wir statistisch sehr selten erben, müsste eine Erbschaftssteuer recht hoch sein, um wie eine regelmäßige und progressiv gestaltete Vermögenssteuer zu wirken. Eine jährliche aber kleine Steuer ist psychologisch leichter verkraftbar und besser kalkulierbar.

Diese Vermögenssteuer gleicht einer Versicherungsprämie, weil der Staat für Infrastruktur, Katastrophen- und Klimaschutz sorgt. Er sichert damit die Werte von Vermögenden wie etwa Grundstücke und Immobilien, die nicht aus Österreich entfernt werden können. Bei großen Vermögen kann es vorkommen, dass die Steuerforderung die Geldmittel übersteigt. Um keine Verkäufe zu erzwingen, wird mit Anmerkung im Grundbuch die Stundung der Steuer möglich.

Wir haben nun eine fertige Skizze. Arbeit ist erstmals komplett steuerfrei! Auf jeder Rechnung steht, wie viel frau/man für seinen Konsum Steuern zahlt. Alle, die hier wohnen, sehen am Monatsanfang auf ihrem Konto das BGE. Dadurch wird Österreich das erste Land ohne Armut!Das Grundeinkommen als sozialen Ausgleich für bezahlte Konsumsteuern macht das Konzept ökosozial und transparent. Wir haben nachhaltige Angebote für Gesundheit, Bildung, Transport, und besondere Bedürfnisse, aber kaum mehr Erwerbs-Arbeitslosigkeit. Seit dem BGE melden sich nur noch jene als erwerbslos, die vom AMS vermittelt werden wollen. Alte Pensionsansprüche bleiben erhalten, aber für neu in das Erwerbsleben Einsteigende wurde das Pensionsantrittsalter –abgeschafft.

Abbildung 6: Best-of: Sozialstaat und Grundeinkommen
© Generation Grundeinkommen

VII.  Conclusio

Aus der Pflicht bis 65 erwerbstätig zu sein, wurde das Recht zum Grundeinkommen steuerfrei dazuverdienen zu können. Statt in Teilzeit zu verarmen oder in Vollzeit auszubrennen, passen Menschen ihre Arbeitsleistung mit BGE an ihre Bedürfnisse an, um gesund und erfüllt zu leben. Jede Aufgabe, ganz gleich ob Firma, Projekt, Familie, Pflege, Ehrenamt, Demokratie, Klimaschutz etc. alles organisiert sich leichter, wenn das ganze Umfeld BGE erhält.

Zuwanderungwird weiter reglementiert und als Bereicherung unserer Gesellschaft verstanden. Es gilt: wer hier lebt, konsumiert, zahlt Konsumsteuern und erhält das BGE als Steuerfreibetrag. Die Wirtschaft profitiert gleich vierfach vom BGE. Erstens als Start-Up-Bonus, denn jede Gründung gelingt mit Grundeinkommen leichter. Zweitens als Beschäftigungsbonus, weil alle, die mitarbeiten wollen, bereits Grundeinkommen haben und sich nur über Zusatzeinkommen einigen müssen. Drittens wirkt es als Konjunkturbonus, wenn alle über ein Mindestmaß an Kaufkraft verfügen, was Familien und Wohngemeinschaften stärkt. Und viertens verweisen wir auf den Bonus, dassdie Steuer nicht wie heute die Wertschöpfung bremst, sondern erst fällig wird, wenn ein Umsatz gemacht wurde.

Fassen wir zusammen: Die Idee eines Rechts auf Leben in Freiheit gibt es seit Jahrtausenden und scheint nun zum Greifen nahe. Wir haben unsere Techniken weit genug entwickelt, um erstmals eine Gesellschaft freier Menschen werden zu können. Mit einem garantierten Einkommen als Freiheit Nein, aber auch Ja sagen zu können. Wir machen uns dadurch verantwortungsfähig, für das, was wir tun und was wir unterlassen. Auch juristisch geht es um eine ökosoziale Steuerreform mit dem BGE als allgemeine Steuergutschrift. Faktisch ist das BGE also die Voraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaft, denn nur, wenn wir keine Angst vor der Zukunft haben, können wir uns gegenseitig helfen, sie besser zu gestalten. Die Möglichkeit ist noch jung, wir können das Potenzial erst erahnen. Vieles ist davor gründlich zu besprechen, abzuwägen und gemeinsam zu entscheiden. Es ist also an der Zeit Bürger*innenräte zum BGE einzurichten, um der Idee die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient, damit die Zukunft besser werden kann. Die Freiheit wartet mithin auf unsere Bereitschaft zur Verantwortung. Für uns, für alle, für immer …

Weitere Informationen zur Generation Grundeinkommen finden sich online unter: https://fuereinander.jetzt/ (letzter Zugriff: 01.10.2023)

HELMO PAPE

kam als Derivatehändler in der Finanzkrise 2008 mit dem Grundeinkommen in Berührung und nicht mehr davon los. Er gründete 2017 nach der Schweizer Volksabstimmung zum BGE die Generation Grundeinkommen Österreich und initiierte 2020 ein Volksbegehren dazu. Helmo Pape (50) ist Mitglied des Freiburg Institute of Basic Income Studies und lebt in Wien.
Kontakt: helmo.pape@fuereinander.jetzt