Außenpolitik – Der leere Raum staatlichen Handelns? VON CONSTANTIN WEINSTABL

In diesem Beitrag beschäftigt sich CONSTANTIN WEINSTABL mit den Gründen, warum Außenpolitik gegenüber anderen Politikbereichen verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zukommt und inwiefern dies gerade in der heutigen globalen Umgebung fatal ist. Im weiteren Verlauf skizziert er mögliche Wege und Herausforderungen, die sich dabei stellen, Außenpolitik wieder zu priorisieren.

I Das notwendige Bohren dicker Bretter

Der Bereich der Außenpolitik wird/wurde seit Jahren im gesamten Kontext politischen Handelns in unseren Sphären mehr als stiefmütterlich vernachlässigt. Außenpolitik ist derzeit schlichtweg nicht (so) populär (wie sie es einmal war). Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und sollen in diesem Artikel – zugegebenermaßen abgekürzt – behandelt werden, bevor wir einen vielleicht praktikablen Weg skizzieren, um wieder mehr Fokus auf diesen gerade heute unverzichtbaren Bereich staatlichen Handelns zu legen.

Politisch interessierte Beobachter*innen kommen nicht umhin, zu konstatieren, dass Außenpolitik im politischen Geschehen eine auffällig untergeordnete Rolle einnimmt – dies bis hin zu der Frage, wie notwendig bzw. sinnvoll außenpolitische Bestrebungen auf staatlicher Ebene eigentlich sind (hierzu mehr weiter unten im Kontext der agency-Debatte). Stattdessen wird Außenpolitik vielmehr standardmäßig der Innenpolitik und ihren Zielen untergeordnet. Oberflächlich betrachtet ist dieser Fokus mit Blick auf das politische Kleingeld, das sich aus den jeweiligen Bereichen schlagen lässt, durchaus verständlich. Aufseiten der Regierenden sind innenpolitische Zielsetzungen leichter erreichbar (oder die Ankündigung innenpolitischer Zielsetzungen ist zumindest leichter zu verkaufen), die innenpolitische Arena ist leichter kontrollierbar. So stieß die message control der Kurz-ÖVP nach anfänglichen Erfolgen – seine rechtskonservativen Positionen waren vor allem in Deutschland beim rechten Flügel der CDU/CSU (wo er auch gern gesehener Gast auf Parteiveranstaltungen war) bzw. der AfD sehr beliebt – international bald an ihre Grenzen. In der Innenpolitik kann auch generell mehr „aus der Hüfte“ Politik gemacht werden. Außenpolitische Materien sind gemeinhin komplexer und erfolgreiche Außenpolitik benötigt zumeist wohldurchdachte Konzepte sowie langfristige Visionen. Wenn außenpolitisch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, dann endet dies nicht selten in einem veritablen Desaster. Man denke nur an die Trump’schen Schnellschüsse auf ganzer Linie oder den überhasteten Abzug US-amerikanischer Truppen aus Afghanistan unter dem aktuellen US-Präsidenten Biden.

Um den geringen Stellenwert, den Außenpolitik derzeit leider genießt, festzustellen, muss man allerdings nicht zwingend ins Ausland blicken. Die Budget- und Personalsituation im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten ließe Platz nach oben, wobei man der Vollständigkeit halber anmerken muss, dass Einsparungen im öffentlichen Sektor in den letzten Jahrzehnten ohnehin en vogue waren. Und auch in politischen Aspekten geriert sich österreichische Politik seit Jahrzehnten so, als wäre es als verhältnismäßig kleines Land schier unmöglich, international auch nur irgendwelche Duftmarken zu setzen und initiativ tätig zu werden.

Angesichts dieser Tatsachen muss man sich vor Augen halten, dass Außenpolitik heute wie eh und je ein essenzieller und unabkömmlicher Aspekt staatlichen Handelns ist, um die komplexen Probleme zu lösen, die sich unseren Gesellschaften stellen. COVID-19, Klimawandel, Fluchtbewegungen aufgrund von Konflikten und Not, wirtschaftliche Interdependenzen auf globaler Ebene etc. – all diese Herausforderungen können weder einzelne Staaten, nicht einmal die USA oder China, noch Blöcke wie die EU allein lösen. Hier sind koordinierte außenpolitische Initiativen gefragt, wenn wir eine realistische Chance haben wollen, effektive Politik zu machen.

II Außenpolitik als nicht gezogene Handlungsoption

Wollen wir ergründen, wie es wieder zu mehr außenpolitischem Fokus in der Politik kommen kann, müssen wir erst klären, woran es derzeit hakt. Parallel zu dem oben betreffend die Regierenden Gesagten wird Innenpolitik auch vom Wahlvolk als der „nähere“ und wichtigere Aspekt politischen Handelns wahrgenommen. In vielen Staaten und Gesellschaften, vordringlich den „westlichen“, ist das Interesse an Außenpolitik und an dem Abtausch, Ressourcen auf das internationale Spielfeld zu verlagern, in den letzten Jahren und Jahrzehnten merklich zurückgegangen. Man könnte dies fast als den außenpolitischen Spiegel dessen sehen, was Münkler als postheroische Gesellschaften bezeichnet, nämlich „hoch entwickelte […] Gesellschaften, in denen Opfer und Ehre für die gesellschaftliche Kohäsion keine Rolle mehr spielen“ (Münkler 2006: 22). Man ist also nicht mehr gewillt, Ressourcen für etwas zu opfern, das einem nicht unmittelbar zum Vorteil gereicht, sondern sich wie im Fall der Außenpolitik erst über einen längeren Zeithorizont und nicht vollständig unmittelbar entfaltet. Das Interesse an der Projektion außenpolitischer Gestaltungsmacht – im ambivalenten Sinn des Wortes, also von sicherheitspolitischen bis zu entwicklungspolitischen Instrumenten und Fähigkeiten reichend – hat in vielen Staaten und Gesellschaften eindeutig abgenommen. Eine wesentliche Komponente dieser Entwicklung ist ohne Zweifel die generelle Verknappung der Ressourcen des öffentlichen Sektors – Stichwort „Mehr privat, weniger Staat“ – und die dementsprechende Hinwendung zur Aufbietung des „Nötigsten“ zur Erledigung der Staatsaufgaben mit einer strengen Priorisierung der unmittelbaren Bedürfnisse. Wie gesagt, erfolgreiche Außenpolitik benötigt ausgeklügelte Konzepte und die kosten.

Ein weiterer Aspekt ist aber auch, dass es wie in vielen Politikbereichen auch in der Außenpolitik an Inhalten, Ideen und Werten mangelt, die es dann umzusetzen gelte. Kann/soll Außenpolitik rein die wirtschaftlichen Beziehungen sowie Handel fördern, soll sie die eigenen Werte oder das eigene Staatssystem exportieren, soll sie sicherstellen, dass Menschen in Not geholfen wird? Dies alles sind mögliche Inhalte von Außenpolitik, jedoch sucht man große Visionen und Pläne meist vergebens. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die außenpolitische Betätigung – gerade europäischer Staaten – in der öffentlichen Wahrnehmung sowohl gute als auch schlechte Erinnerungen wachruft und der Mangel an gewünschter Richtung mit der ambivalent aufgefassten Geschichte von Außenpolitik einhergeht.

Im Wesentlichen sind die Konzepte von internationaler „Ordnung“, Völkerrecht und dem weltweiten System von Staaten und Nationen, mit denen wir die globale Verfasstheit beschreiben, den Köpfen europäischer Denker*innen entsprungen, dies ohne die Einbindung außereuropäischer Entitäten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde unter dem Namen des „Westfälischen Systems“ eine (internationale) Staatenordnung aus der Taufe gehoben, die als zentrale Elemente die Souveränität einzelner Staaten, d. h. die Nichteinmischung in interne Angelegenheiten anderer Staaten, und ein Machgleichgewicht auf dem Kontinent hatte. In den folgenden Jahrhunderten wurden diese Konzepte mittels kolonialistischer Bestrebungen der europäischen Nationen auf dem ganzen Globus verbreitet (Kissinger 2015: 2ff.) – der Aspekt der Souveränität von Staaten war wohlgemerkt europäischen Nationen vorbehalten und somit war außereuropäisches Territorium nur Objekt, aber nie Subjekt. Das droit public européen/international, welches gleichsam von Europa ausging, lieferte im Gleichschritt damit den rechtlichen Rahmen für diese Ideen und war daher auch explizit auf das europäische Verständnis von Staaten und internationalen Angelegenheiten zugeschnitten. Prima facie ist Außenpolitik somit zumindest in Europa unterschwellig immer mit dem Beigeschmack behaftet, dass europäische Nationen anderen Völkern (mittlerweile selbst souveräne Staaten) ihre Vorstellungen und Systeme aufoktroyiert hatten.

Gleichzeitig haben sich die Ideen von internationaler Ordnung und das Völkerrecht aber auch für positivere Aspekte der Außenpolitik verantwortlich gezeichnet, so z. B. für internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die OSZE. Gerade die österreichische Sozialdemokratie der Zeit des Kalten Krieges hat, auch aufgrund der von ihr propagierten Neutralität Österreichs, diese Institutionen extensiv dazu genutzt, außenpolitische Ziele zu erreichen – so etwa die Förderung von Freiheit und Selbstbestimmung souveräner Nationen, Kampf gegen Diskriminierung und Verfolgung, Vermittlung in internationalen Konflikten etc. (vgl. Konecny 1987: 9, 46ff.). Auch die Europäische Union bzw. ihre Vorläuferorganisationen EGKS, EWG und Euratom wurden anfänglich noch unter völkerrechtlichen Begriffen abgehandelt, während sich Europarecht mittlerweile als Recht eines supranationalen Gebildes und somit als Rechtsbereich sui generis emanzipiert hat.

Ein zusätzliches Problem, das sich im Zusammenhang mit Außenpolitik stellt, ist das des Mangels an agency, also von Handlungsmöglichkeiten, egal ob real oder nur eingebildet. Ein Paradebeispiel ist auch hier die EU. Einerseits werden außenpolitische Entscheidungen und ihre Umsetzung nach oben an die EU delegiert und dies auch von nationalen Politiker*innen ausgenutzt, um die EU zum Sündenbock für nichterfolgte oder nachteilige Entscheidungen zu machen bzw. wird dies als Feigenblatt für fehlenden außenpolitischen Mut und Visionen verwendet. Was sie also nicht beherrschen oder sich nicht trauen, dafür soll sich jemand anderer verantwortlich zeichnen. So schränken sie folglich auch den eigenen Handlungsspielraum der Mitgliedsstaaten ein. Andere Staaten wiederum fühlen sich „wohler“ dabei, ihre außenpolitischen Ambitionen über die EU zu kanalisieren – so Deutschland, das sich selbst gerne als wirtschaftliche Macht aber nicht unbedingt als außenpolitisches Schwergewicht sieht. Andererseits sind die Möglichkeiten der EU, außenpolitisch auf globaler Ebene zu agieren, durch das vertraglich festgeschriebene Einstimmigkeitsprinzip limitiert – bereits ein, zwei abweichende Staaten können so den schönsten Plan zu Fall bringen. Der Grund hierfür ist dann aber zumeist eben nicht der, dass diese Staaten selbst außenpolitische Konzepte hätten, die sie umsetzen wollen. Vielmehr sind es innenpolitische Motive dafür, warum ein bestimmtes Handeln am internationalen Parkett eben nicht gewünscht ist. Bei allen Bemühungen, die die EU dahingehend unternimmt, sich noch stärker als außenpolitische Akteurin zu positionieren, sucht sie immer noch ihre Rolle und kann das Mit-Denken von Außenpolitik auf nationaler Ebene (noch) nicht ersetzen.

Gleichzeitig erleben wir aber auch, dass sich angestammte internationale Akteur*innen zunehmend nach innen orientieren und ihre außenpolitischen Bestrebungen zurückfahren bzw. den Betätigungsraum oder den modus operandi ihrer Politik ändern. Wie Bremmer bereits 2012 festgestellt hat, befinden wir uns heute zunehmend in einer Situation, in der bisherige Anführer*innen, seien dies internationale Organisationen oder einzelne Staaten, immer weniger (Themen-) Führerschaft leisten – als Beispiele bieten sich die USA oder die UNO an – ein Zustand, den er als „G-Zero“ bezeichnet. Gekennzeichnet wird dieser Zustand einerseits dadurch, dass diese althergebrachten Institutionen oder Staaten diese frühere Dominanz oder Themenführerschaft nicht mehr besitzen bzw. für sich in Anspruch nehmen, während andererseits aufsteigende Akteur*innen dieses Vakuum noch nicht füllen können oder wollen (Bremmer 2012: 3f.). Die Gründe hierfür können variieren, sie können wirtschaftlicher, militärischer, politischer etc. Natur sein. Maßgeblich ist lediglich, dass internationale Politik tendenziell immer multilateraler und somit unüberschaubarer wird, während die Akteur*innen alleine oder gemeinsam mit ihren unmittelbaren Verbündeten immer weniger Gestaltungsmöglichkeiten sehen, andere Staaten oder sogar die Weltgemeinschaft in einem oder mehreren Aspekten zu dominieren.

III Keine Außenpolitik stärkt die Außenpolitik der Anderen

Aus dieser Einsicht ergibt sich aber ganz wesentlich, dass Außenpolitik an Wichtigkeit zu- und nicht abnimmt. Und da sie als zentrales politisches Betätigungsfeld weiterbesteht, stellt sich lediglich die Frage, ob man selbst tätig werden, oder ob man die Handlungsinitiative anderen Staaten und Institutionen überlassen will. Im Falle der EU würde dies bedeuten, sowohl dem Vereinigten Königreich und den USA – die ja selbst gerade ihre internationale Rolle neu definieren – einerseits, als auch China, die Russische Föderation, Indien, der Türkei oder den Staaten des Nahen Ostens (die in der EU-Außenpolitik wichtige Rollen spielen) andererseits mehr Spielraum zu geben, bzw. weniger mit ihnen zu interagieren.

Gerade mit Blick auf China und die Russische Föderation muss gesagt werden, dass sich diese als zwei der Hauptproponenten für systemische Alternativen zu dem allgemein als „westlich“ wahrgenommenen Entwurf einer liberal-demokratischen, globalisierten und marktwirtschaftlich organisierten Demokratie sehen. Die ambivalente Rolle Chinas wurde bereits 2019 in einem Papier der EU-Kommission und der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik beschrieben als einerseits Kooperations- und Verhandlungspartner und andererseits Rivale, welcher einen alternativen Entwurf einer Regierungs- und Gesellschaftsform repräsentiert (European Commission & High Representative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy 2019: 1). Währenddessen gilt die Rolle des russischen Präsidenten Putin als Doyen rechter Parteien in Europa, der das Gesellschaftsmodell der illiberalen Demokratie gepaart mit christlichem Konservatismus fördert wo möglich, ohnehin als unbestritten und auch Modi oder Erdogan repräsentieren alles andere als gemäßigte, säkulare und tolerante Regierungsentwürfe. Für einen begrenzten Zeitraum schien ihre Politik immerhin dazu geeignet, die jeweiligen Problemfelder ihrer Staaten zu übertünchen – geflissentlich wurde auf eine aggressive Außenpolitik bzw. sektiererische Gewalt gegen interne Opposition abgestellt – mittlerweile häufen sich allerdings immer mehr Indizien dafür, dass ihre Politik über kurz oder lang die Umstände nicht zum Positiven verändern wird. Nichtsdestotrotz rücken sie aber bislang noch nicht von ihren Vorgaben ab. Als zusätzliches geopolitisch-strategisches Plus auf der Seite dieser Staaten steht eindeutig die Tatsache, dass sie – wenn denn regelmäßige Wahlen stattfinden – diese üblicherweise nicht fürchten müssen und daher über einen weiten Planungshorizont verfügen, um ihre außenpolitischen Konzepte zur Entfaltung zu bringen, und sie auch nicht so leicht von ihren (politisch fragwürdigen) Inhalten abrücken.

IV Ein steiniger Weg zum richtigen Ziel

Genau hier sollten Politiker*innen ansetzen, wenn sie auch wieder in Österreich, in der EU, im „Westen“ den Wähler*innen klarmachen wollen, wie wichtig Außenpolitik eigentlich ist, und die Begeisterung und notwendige Unterstützung für außenpolitische Initiativen wecken wollen. Einerseits muss vermittelt werden, warum ein Sich-Zurück-Ziehen im momentanen geopolitischen Umfeld die denkbar schlechteste Entscheidung wäre. Wie eingangs erwähnt, erlauben es die großen Probleme unserer Zeit nicht, dass sich Staaten oder sogar Blöcke (wie die EU) nur mit sich selbst beschäftigen und meinen, ihre Probleme allein lösen zu können. Dies funktioniert weder bei einer vorausschauenden Klimapolitik, noch bei einer Bewältigung der COVID-19-Pandemie, noch beim Hinwirken auf eine nachhaltige globale Ressourcenverteilung, die es mehr als nur den Bürger*innen der Industriestaaten erlaubt, ein friedliches Leben unter menschenwürdigen Umständen zu führen.

Diese Überzeugung muss mit Nachdruck vertreten werden und Politiker*innen dürfen nicht beim ersten Gegenwind dem vermeintlich innenpolitischen Druck bzw. dem außenpolitischen Widerstand gegen das Eintreten für die eigenen Werte nachgeben. Natürlich wäre es falsch, Außenpolitik der Innenpolitik unterzuordnen, wie dies heutzutage viel zu oft geschieht, aber es ist durchaus wichtig, die Grundsätze und Beweggründe für außenpolitisches Handeln so festzulegen und zu erklären, dass sie zu dem auch innenpolitisch vertretenen Wertekompass passen. Entscheidungsträger*innen, die innenpolitisch für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Pragmatismus, den Ausgleich zwischen widerstrebenden Interessen und Solidarität stehen, sollen diese Grundsätze auch nach außen vertreten. Denn schlussendlich ist Außenpolitik ja auch nie Selbstzweck an sich, sondern soll gewährleisten, dass die eigenen politischen Werte und Vorstellungen auch international zur Geltung kommen.

Vielleicht ist aber gerade dieser Punkt die größte Herausforderung daran, der Außenpolitik wieder umfangreichere Geltung zu verschaffen. Was sind eigentlich die Werte, die wir vertreten? Der Praxistest der COVID-19-Pandemie stellt hier kein gutes Zeugnis aus, wenn man sich ansieht, wie die Dialogfähigkeit und Solidarität in der Gesellschaft bröckelt. Auseinandersetzungen werden ganz dogmatisch eskaliert, die Kommunikation läuft aneinander vorbei – man spricht über die Anderen, aber nicht mit ihnen – und Teile der Gesellschaft drohen in eine Parallelsphäre abzudriften. Daher ist es unumgänglich, wenn man Außenpolitik wieder zu einem Schwerpunkt politischen Handelns erheben will, nicht auf die Hausaufgaben zu vergessen und das Profil der eigenen Werte auch im Inneren zu schärfen. Denn eine Diskrepanz zwischen den innenpolitischen Werten und den Prinzipien, die man durch außenpolitisches Handeln transportiert, hat als durchschaubares Messen mit zweierlei Maß stets zu einer Diskreditierung außenpolitischer Bemühungen geführt.

Literatur

  • Bremmer, Ian (2012): Every Nation for Itself. Winners and Losers in a G-Zero World, London: Penguin Books Ltd.
  • European Commission & High Representative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy (2019): EU-China – A Strategic Outlook, online unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/communication-eu-china-a-strategic-outlook.pdf (letzter Zugriff: 18.12.2021).
  • Kissinger, Henry (2015): World Order. Reflections on the Character of Nations and the Course of History, London: Penguin Books Ltd.
  • Konecny, Albrecht K. (Red.) (1987): Das Programm der SPÖ. Beschlossen am Bundesparteitag der SPÖ am 20. Mai 1978, Wien: Zukunft-Verlagsgesellschaft m.b.H.
  • Münkler, Herfried (2006): Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

CONSTANTIN WEINSTABL hat an der Universität Wien und der Universiteit Leiden Rechtswissenschaften mit den Schwerpunkten Rechtsphilosophie und Völkerrecht sowie an der University of Hull Politikwissenschaften mit dem Fokus Strategy and International Security studiert. Er ist Mitglied der Redaktion der ZUKUNFT.