Terror aus Teheran. Der Antisemitismus des iranischen Regimes und Israels Verteidigung – VON STEPHAN GRIGAT

STEPHAN GRIGAT analysiert den eliminatorischen Antisemitismus im Iran und betont, dass Frieden, eine Entspannung der Situation und eine Verbesserung der Lebensbedingungen im Nahen Osten nur zu erreichen sind, wenn die Feinde des Friedens bekämpft werden – und das sind die Hamas, die Hisbollah, die proiranischen Milizen in Irak, Syrien und Jemen sowie das iranische Regime.

I. Einleitung

Die europäische Iran- und Nahostpolitik ist mitverantwortlich für die Angriffe auf Israel vom Siebten Oktober: Die Mordaktionen der Hamas, des Palestinensischen Islamischen Djihad und der PFLP waren nur durch jahrelange Unterstützung aus Teheran möglich, und die Voraussetzung für diese Unterstützung waren unter anderem die Milliardengeschäfte europäischer Unternehmen mit dem iranischen Regime. Diese Geschäfte wurden in den letzten Jahrzehnten in Österreich und Deutschland von ausnahmslos allen Parteien und Regierungen gefördert.

Es sind die Zahlungen, die Waffenlieferungen und die Ausbildung aus dem Iran, welche die palästinensischen NGOs und GOs des Antisemitismus in die Lage versetzt haben, den schlimmsten Massenmord an Juden seit der Shoah zu begehen: eine Vernichtungsaktion djihadistischer Einsatzgruppen und ein Pogrom unter Beteiligung von Teilen der palästinensischen Zivilbevölkerung, ein koordinierter militärischer Angriff und ein antisemitischer und misogyner Blutrausch, bei dessen Beschreibung die Worte versagen.

Die iranische Ermöglichung der Schlagkraft der djihadistischen Mörderbanden im Gaza-Streifen ist seit Langem bekannt. Der Drahtzieher der genozidalen Gewaltorgie vom Siebten Oktober, Yahya Sinwar, bedankte sich bereits 2019 öffentlich für den Support aus Teheran:

„Ohne Irans Unterstützung für den Widerstand in Palästina hätten wir diese Fähigkeiten nicht erreicht. Iran hat uns mit Waffen, Equipment und Expertise unterstützt.“

Es wird geschätzt, dass der Islamische Djihad in der letzten Dekade etwa 700 Millionen US-Dollar aus dem Iran erhalten hat und die Hamas weit über 1,5 Milliarden. Deutlich höhere Summen gehen seit Jahren an die Hisbollah im Libanon, die Nordisrael seit dem 08. Oktober mit tausenden Raketen und Drohnen angegriffen hat.

Über den genauen Zeitpunkt der Attacke vom Siebten Oktober dürfte die Führung in Teheran nicht informiert gewesen sein. Vor dem Massaker hat die Hamas-Führung ihr Agieren aber kontinuierlich mit den Ajatollahs und Pasdaran koordiniert. Wenige Monate vor dem Siebten Oktober fand ein hochrangig besetztes Treffen des mittlerweile ausgeschalteten Hamas-Chefs Ismail Haniyeh mit dem obersten geistlichen Führer Ali Khamenei, dem mittlerweile tödlich verunglückten iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem damaligen Vorsitzenden des iranischen Nationalen Sicherheitsrates, Ali Akbar Ahmadian, in Teheran statt. Mit dabei war auch Saleh al-Arouri, der nach dem Siebten Oktober in Beirut getötete stellvertretende Leiter des Hamas-Politbüros, der von Israel für den von iranischen Revolutionsgardisten unterstützten Ausbau der militärischen Infrastruktur der Hamas im Libanon verantwortlich gemacht wurde.

Das iranische Regime finanziert seine Politik maßgeblich durch den Außenhandel mit europäischen Ländern. Auch 2023 belief sich das Handelsvolumen der EU-Staaten mit dem Iran auf über vier Milliarden Euro. Zudem hat das Ajatollah-Regime durch das Atomabkommen von 2015 – das aufgrund seiner gravierenden Mängel die Gefahren des iranischen Nuklearwaffenprogramms nicht beseitigen konnte – Milliardenzahlungen aus eingefrorenen Geldern erhalten.

Das heißt: Die europäische Iran-Politik und der Iran-Handel tragen zur Finanzierung des Terrors gegen Israel bei. Die Tatsache, dass die iranischen Revolutionsgarden immer noch nicht auf jene Terrorliste gesetzt wurden, auf die sie schon seit Jahrzehnten gehören, lässt dem Regime weiterhin freie Hand – auch nach dem Siebten Oktober. Die Vernichtungsaktion vom Siebten Oktober wurde in den iranischen Regimemedien als vorbildliche Tat gepriesen – aber zu keinem Augenblick wurde in europäischen Hauptstädten erwogen, zumindest die Botschafter solch eines Regimes aus dem Land zu werfen und neue umfassende Sanktionen zu verhängen, die den ökonomischen Lebensnerv des Iran treffen und letztlich auf den Sturz des Regimes zielen müssten.

II. Antisemitismus der Ajatollahs

Die Massaker vom Siebten Oktober gründen in der antisemitischen Ideologie des iranischen Regimes und seiner Verbündeten an den Grenzen Israels wie der Hamas, die den palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft darstellt. Hinsichtlich der antisemitischen Ideologie der iranischen Islamisten kann zusammenfassend von einer Verherrlichung einer konkretistisch verklärten, als organisch, authentisch, schicksalhaft und harmonisch gezeichneten Gemeinschaft der Muslime gesprochen werden, die als permanent von zersetzenden Feinden bedroht halluziniert wird. Diese idealisierte Gemeinschaft, in der auch der Gegensatz von Schiiten und Sunniten ideologisch zu überbrücken versucht wird, wird gegen eine als chaotisch-abstrakt, entfremdet, künstlich, unmoralisch, materialistisch und widersprüchlich portraitierte und letztlich mit Juden oder dem jüdischen Staat und dem liberalistischen Westen assoziierte Gesellschaftlichkeit in Anschlag gebracht.

Bezüglich des verschwörungsmythischen Antisemitismus des iranischen Regimes müssen drei Punkte thematisiert werden: Erstens die traditionelle Judenfeindschaft, wie sie sich besonders ausgeprägt, aber keineswegs ausschließlich beim bis heute von den Anhängern des Regimes verehrten Ajatollah Ruholla Khomeini findet; zweitens die Leugnung und Relativierung des Holocaust; und drittens die offenen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel samt dem daraus resultierenden Agieren in der Region des Nahen Ostens. Keine dieser Komponenten verschwindet zu irgendeiner Zeit in der „Islamischen Republik“, aber in gewissen Phasen der Islamischen Revolution treten einzelne Aspekte stärker in den Vordergrund.

Die offene Judenfeindschaft war vor allem für die vorrevolutionären Schriften Khomeinis charakteristisch, sie bricht aber auch nach 1979 immer wieder durch und ist, neben traditionellen islamischen Regelungen, bestimmend für die diskriminierende Praxis gegenüber der im Iran verbliebenen jüdischen Minderheit. Die verbalen Attacken gegen Israel und die Unterstützung der gegen Israel agierenden Terrororganisationen ist eine Konstante in der Ideologie und Praxis des iranischen Regimes und wird seit 1979 bis zum heutigen Tag von ausnahmslos allen Fraktionen des Regimes formuliert und praktiziert. Die Holocaust-Leugnung hatte ihre Hochzeit während der Präsidentschaft Mahmund Ahmadinejads 2005 bis 2013. Ahmadinejad hat sie in das Zentrum seiner Politik und Agitation gerückt, aber auch seine Vorgänger Ali Akbar Hashemi Rafsandjani und Mohammed Khatami waren Holocaustleugner, und der bis heute amtierende oberste geistliche Führer Khamenei, der allein schon durch seine Befugnis zur Ernennung von über 100 Spitzenpositionen in Politik, Justiz, Verwaltung, Militär, Medien und religiösen Institutionen als entscheidender Mann des Regimes betrachtet werden muss, ist es ebenfalls. Das zentrale Motiv deutscher und österreichischer Holocaustleugner, die unumwundene Schuldabwehr, entfällt bei der iranischen Leugnung und Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen weitestgehend. Das entscheidende Motiv für die Holocaustleugnung und -relativierung des iranischen Regimes ist zum einen die nachträgliche Delegitimierung der Gründung Israels und zum anderen die auf die Zukunft gerichtete Legitimierung der Vernichtung des jüdischen Staates. Im Iran dient die Relativierung und Leugnung von NS-Verbrechen dem eliminatorischen Antizionismus des Regimes, der auf den vorrevolutionären Schriften Khomeinis beruht.

Der spätere Revolutionsführer war Ende der 1930er-Jahre ein regelmäßiger Hörer des nationalsozialistischen Kurzwellensenders Radio Zeesen, mit dem die antisemitische NS-Propaganda im Nahen und Mittleren Osten Verbreitung fand. Das bedeutet nicht, dass Khomeini sich mit der Ideologie Hitlers insgesamt identifiziert hätte, über die er sich mitunter abfällig geäußert haben soll, während andere Geistliche, wie Ajatollah Abu al-Qasem Kashani, zu dessen Schülern Khomeini allerdings gerechnet werden muss, sich explizit positiv auf den Nationalsozialismus bezogen haben.

Die Ideologie Khomeinis richtet sich keineswegs nur gegen den israelischen Staat, sondern proklamierte insbesondere vor 1979 offen die Feindschaft zum Judentum. Der spätere Revolutionsführer konnte dabei auf die Tradition des persisch-islamischen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts zurückgreifen. Der Revolutionsführer sah den Islam seit seiner Gründung in einer Konfrontation mit den Juden. Khomeini war in einer klassischen Projektion seiner eigenen globalen Herrschaftsgelüste davon überzeugt, er müsse gegen die Errichtung einer jüdischen Weltherrschaft kämpfen, von der er bereits in seiner zentralen Schrift Islamic Government fantasierte.

Große Bedeutung für die Verbreitung eines verschwörungsmythischen Antisemitismus im Iran hatte die 1978 ins Persische übersetzte Hetzschrift Die Protokolle der Weisen von Zion, die in den folgenden Jahrzehnten nach der Revolution von 1979 von staatlichen Stellen im Iran in großen Auflagen immer wieder neu herausgegeben wurde – mitunter mit geänderten Titeln wie Protokolle der jüdischen Führer zur Eroberung der Welt. Hier wird bereits deutlich, dass die zeitweiligen Bemühungen seitens der iranischen Führung, teilweise zwischen Juden und Zionisten deutlicher zu unterscheiden, immer wieder konterkariert werden. Zudem wird in der iranischen Propaganda über „die Zionisten“ stets in eben jenem verschwörungstheoretischen Geraune geredet, das aus dem klassischen Antisemitismus gegenüber Juden bekannt ist. Der Zionismus wird in der Ideologie und Propaganda des iranischen Regimes nicht als ein gewöhnlicher politischer Gegner attackiert, sondern als Grundübel, das für nahezu alle Probleme in der Welt verantwortlich gemacht wird, und dessen Auslöschung daher den Weg zur Erlösung bereite. 2017 erklärte Khamenei beispielsweise die westlich-liberalen Vorstellungen von Geschlechtergleichheit zu einer „zionistischen Verschwörung“. Auch diese Äußerung, die den Zusammenhang von Antisemitismus und Sexismus in Erinnerung ruft, steht ganz in der Tradition von Revolutionsführer Khomeini, der bereits Anfang der 1960er-Jahre gegen die Einführung des Frauenwahlrechts polemisierte, dem ein zionistisches Komplott zugrunde liege, als dessen Avantgarde sich die religiöse Minderheit der Bahá’i betätigen würde.

Auch wenn Khomeini, Khamenei und andere Vertreter des Regimes nach 1979 in öffentlichen Verlautbarungen mitunter betont haben, dass sich ihre Politik und Ideologie nicht gegen Juden richte, solange sich diese vom Zionismus distanzieren und dem Herrschaftsanspruch des Islam unterordnen, gibt es offen judenfeindliche Proklamationen, die sich nicht an diese rhetorische Unterscheidung halten, keineswegs nur von randständigen Vertretern der Islamischen Republik, sondern auch von wichtigen Freitagspredigern, die von Khamenei ernannt wurden.

Der antisemitische Charakter des iranischen Regimes wird häufig mit Hinweis auf die verbliebene jüdische Gemeinde im Iran bestritten. Tatsächlich werden Juden im Iran derzeit nicht in dem Maße verfolgt wie andere religiöse Minderheiten wie beispielsweise die Bahá’i, deren Religion nicht als ‚Buchreligion‘ anerkannt wird und die in der Revolutionszeit in den wahnhaften Projektionen der Anhänger Khomeinis eine zentrale Rolle bei der Herausbildung eines „nationalistischen Islam“ gespielt haben. Doch der Verweis auf die verbliebene jüdische Gemeinde blendet aus, dass Juden im Iran keine gleichberechtigten Staatsbürger sind. Die jüdische Minderheit wird gezwungen, sich mit der Existenz als systematisch diskriminierte Minderheit abzufinden und sich permanent von Israel zu distanzieren. Juden gelten als dhimmis, die zahlreichen Sonderregelungen und Diskriminierungen unterliegen, sich dem Herrschaftsanspruch des Islam unterzuordnen haben, und so wie Angehörige der meisten anderen ‚anerkannten‘ Minderheiten nicht Minister, Staatssekretäre, Generaldirektoren, Richter oder Lehrer an regulären Schulen werden können. Für Juden, wie auch für die anderen ‚anerkannten‘ Minderheiten, gelten diskriminierende Sonderregelungen beispielsweise im Erbrecht, bei Zeugenaussagen vor Gericht und beim ‚Blutgeld‘, mit dem unterschiedliche Schadenshaftungszahlungen an Muslime und Nichtmuslime, an Männer und Frauen geregelt sind. Allein schon vor diesem Hintergrund ist es alles andere als überraschend, dass rund 90 Prozent der vor 1979 im Iran lebenden geschätzten 100.000 Juden seit der Islamischen Revolution das Land verlassen haben.

III. Antisemitische Kontinuität

DIE EINSAMKEIT ISRAELS:
ZIONISMUS, DIE ISRAELISCHE LINKE
ND DIE IRANISCHE BEDROHUNG
VON STEPHAN GRIGAT
Hamburg: konkret texte
184 Seiten | € 19,00
ISBN: 978-3930786732
Erscheinungstermin: Oktober 2014

Unter dem ab 2021 amtierenden Präsidenten Ebrahim Raisi knüpfte das iranische Regime nahtlos an die Tradition der Holocaustleugnung und -verharmlosung an: 2022 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution gegen Holocaustleugnung, und der Iran war das einzige Land, das seine Zustimmung verweigerte. Der iranische UN-Botschafter forderte (erfolglos) alle anderen Staaten auf, es ihm gleichzutun.

Die Zielrichtung seiner unverminderten militärischen Aufrüstung demonstrierte das Regime 2022 nochmals, indem es seine neuen Präzisionsraketen mit einer Reichweite von über 1400 Kilometern den Namen Khaybar-Shekan (Khaybar-Buster) gab – eine unmissverständliche Bezugnahme auf die Schlacht Mohammeds gegen die Juden in Khaybar 628 und auf die sowohl im Nahen und Mittleren Osten als auch in europäischen Großstädten regelmäßig bei antiisraelischen Aufmärschen skandierte Drohung „Khaybar khaybar, ya yahud! Jaysh Muhammad sa-ya’du“ („Kaybar, Khaybar, oh ihr Juden! Mohammeds Herr kommt bald wieder“).

Auch an seinen globalen Herrschaftsambitionen, die sowohl von Khomeini als auch von Khamenei immer wieder betont wurden, hält das iranische Regime fest. Ende 2021 verkündete Esmail Qaani als Kommandant der Quds-Einheiten der Revolutionsgarden, das „Endziel“ bleibe die „Errichtung der globalen Herrschaft des verborgenen Imams“. Mit dem verborgenen Imam ist der Mahdi gemeint, der zwölfte schiitische Imam, der einst zurückkehren soll. Laut Verfassung der Islamischen Republik ist er, nicht der oberste geistliche Führer, das Staatsoberhaupt im Iran. Khomeini hat mit seinem aktivistischen Zugang mit dem traditionellen schiitischen Quietismus gebrochen, was von anderen hohen Geistlichen des schiitischen Islam wie dem irakischen Großayatollah Ali al-Sistani abgelehnt wird. Das von Khomeini entwickelte Welāyat-e Faghīh, die „Herrschaft“ oder „Statthalterschaft des Rechtsgelehrten“, soll durch islamischen Tugendterror nach innen und Export der Islamischen Revolution die Rückkehr des Mahdi aktiv vorbereiten. Ideologisch untermauert werden die Exportversuche unter anderem durch Attacken auf das saudische Königshaus, deren Mitglieder in Äußerungen iranischer Revolutionsgardisten als Nachfahren jener Juden attackiert werden, die sich schon zu Zeiten Mohammeds gegen die Herrschaft des Propheten auf der saudischen Halbinsel gestellt hätten. 2022 war es der Parlamentsabgeordnete Ahmad Hossein Falahi, der nochmals in aller Deutlichkeit den Zusammenhang von eliminatorischem Antizionismus und Heilserwartung aussprach: „Die Vernichtung des zionistischen Regimes ist eine der Voraussetzungen für die Ankunft des Mahdi“.

Die Außenpolitik des iranischen Regimes war von Beginn an durch eine Gleichzeitigkeit von Pragmatismus und Vernichtungswahn gekennzeichnet, die es Kommentatoren im Westen bis heute ermöglicht, die Vernichtungsfantasien gegenüber Israel regelmäßig durch den Hinweis auf Ersteren zu verharmlosen. Der Pragmatismus macht sich in zahlreichen, auch außenpolitischen, Entscheidungen durchaus bemerkbar, konnte sich aber gerade im Verhältnis zu Israel nie durchsetzen.

Eine besonders deutliche Kontinuität in der iranischen Außenpolitik besteht bei der Unterstützung der antisemitischen Terrorarmeen an den Grenzen Israels. Das Bündnis mit der libanesischen Hisbollah blieb auch unter dem vermeintlich „moderaten“ Hassan Rohani intakt, der von 2013 bis 2021 als Präsident fungierte, und der 2024 nach dem Tod Raisis neu gewählte Präsident Massud Peseshkian bekräftigte in einer seiner ersten außenpolitischen Stellungnahmen die weitere iranische Unterstützung des libanesischen Islamisten-Miliz.

IV. Ende einer Illusion und Feinde des Friedens

Das iranische Regime ist heute einer der maßgeblichen Protagonisten des globalen, verschwörungsmythischen Antisemitismus. Aufgrund seines fortgesetzten Strebens nach der Technologie der Massenvernichtung und der Fortentwicklung des dazugehörigen Raketenprogramms, seiner regionalen Expansion bis an die Grenzen Israels und der massiven Aufrüstung seiner Verbündeten, ohne die auch das Pogrom und die Vernichtungsaktion der Hamas am Siebten Oktober 2023 in Südisrael nicht möglich gewesen wären, stellt es gegenwärtig eine der entscheidenden sicherheitspolitischen Herausforderungen für den jüdischen Staat dar. Durch das iranische Regime existiert eine spezifische Bedrohungskonstellation, in der sich der eliminatorische Antizionismus und eine islamistische Märtyrerideologie mit dem Streben nach der Technologie der Massenvernichtung und der Existenz des massiven Raketenarsenals insbesondere der Hisbollah kombinieren. Diese Konstellation gebietet es, das iranische Regime, seine Verbündeten und seine globalen Unterstützer ins Zentrum einer aktuellen Kritik des Antisemitismus zu rücken.

Die Hisbollah vertritt eine antisemitische, auf die Vernichtung Israels abzielende Ideologie und ist mittlerweile durch das iranische Regime mit über 130.000 Raketen ausgestattet, die ausnahmslos auf den jüdischen Staat gerichtet sind. Ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah propagiert die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Islamismus: systematische Diskriminierung von Frauen, Verfolgung von Homosexuellen, Gewalt gegen Andersdenkende, Errichtung eines Gottesstaates.

Nasrallah nimmt Israel genau wie seine iranischen Förderer als „krebsartiges, tyrannisches Gebilde“ ins Visier und hat in klassisch antisemitischer Dehumanisierung zionistische Juden als „Nachfahren von Affen und Schweinen“ bezeichnet, nachdem der langjährige geistliche Führer der Hisbollah, Muhammad Hussein Fadlallah, bereits Anfang der 1990er-Jahre den „Kampf gegen den jüdischen Staat“ zur „Fortsetzung des Kampfes der Muslime gegen die Verschwörung der Juden gegen den Islam“ erklärt hatte. Nasrallah freut sich geradezu, dass Juden aus der ganzen Welt nach Israel kommen, wo die „Widerstandsachse“ aus iranischem Regime und Hisbollah sie dann bequemer bekämpfen könne.

Der Siebte Oktober hat eine Illusion zerplatzen lassen, die in den letzten 15 Jahren auch Teile des israelischen Sicherheitsestablishments gehegt haben – mit fatalen Konsequenzen. Auf lange Sicht kann Israel sich nicht mit hochgerüsteten antisemitischen Terrorarmeen direkt an seinen Grenzen abfinden. Sie lassen sich nicht dauerhaft abschrecken, und ganz egal, wie man sich ihnen gegenüber verhält, weichen sie keinen Millimeter von ihrem erklärten Ziel ab, den jüdischen Staat zu vernichten. Dementsprechend wurde die Netanjahu-Regierung schon vor Jahren von israelischen Analysten unterschiedlichster Couleur dafür kritisiert, die Hamas in Gaza gewähren zu lassen und nicht präventiv gegen die immer bedrohlichere Bewaffnung der Hisbollah im Libanon vorzugehen.

Nun ist es in der israelischen Politik nahezu Konsens, dass die Hamas, die kurz nach dem Siebten Oktober verkündet hat, derartige Vernichtungsaktionen jederzeit wiederholen zu wollen, militärisch komplett zerschlagen werden muss und in jedem Zukunftsszenario für den Gaza-Streifen keine Rolle spielen darf. Darauf zielt das derzeitige militärische Vorgehen der israelischen Armee.

Niemand vermag die weitere Entwicklung vorherzusagen, aber gegenwärtig findet sich in Israel kaum jemand, der nicht davon ausgeht, dass der Krieg gegen die Hamas der Beginn einer größeren Auseinandersetzung mit dem iranischen Regime und der Hisbollah darstellt. Das iranische Regime wird seine in den letzten Jahren erlangten Machtpositionen in arabischen Ländern, mit dem es einen „Ring of Fire“ um Israel legen will, nicht von alleine aufgeben. Es kann nur militärisch zurückgedrängt werden. Und das antisemitische Terrorregime im Iran kann wohl nur gestürzt werden, wenn die Macht der Revolutionsgarden im Land und in der Region gebrochen wird. Die Hisbollah wird keine einzige ihrer auf Israel gerichteten Raketen verschrotten, und sie wird ihre Radwan-Einheiten, von denen ein schlimmerer Angriff auf Nordisrael droht als jener der Hamas vom Siebten Oktober, nicht selbst entwaffnen. Die „internationale Gemeinschaft“ wird keinen Finger rühren, um die in UN-Resolutionen geforderte Entwaffnung der Hisbollah umzusetzen. Vermutlich wird sie nicht einmal dafür sorgen, dass jene UN-Resolution von 2006 endlich umgesetzt wird, die zumindest einen Rückzug der Hisbollah nördlich des Litani-Flusses vorsieht – was Israel, aus dessen nördlichen Gebieten seit dem Siebten Oktober fast hunderttausend Menschen evakuiert werden mussten, nahezu täglich fordert.

V. Conclusio

Es ist wahrscheinlich, dass die nächsten Monate und Jahre von heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen Israels mit seinen Todfeinden geprägt sein werden, die mit ihrer aktuellen Eskalation auch die arabisch-israelische Annäherung im Rahmen der Abraham Accords und die weitgediehenen saudisch-israelischen Gespräche sabotieren wollten. Es deutet sich bereits an, dass Israel sich durch die Erfahrung des Siebten Oktobers genötigt sieht, zu einem Verhalten zurückkehren, dessen Notwendigkeit Max Horkheimer bereits anlässlich des Sinai-Krieges in den 1950er-Jahren betont hat: Israel muss sich zeitweise aggressiv und präventiv verhalten, weil es keine Weltmacht, sondern lediglich eine Regionalmacht mit dauerhaft prekärer Sicherheitslage ist. Dazu kommt, dass gegenüber islamfaschistischen Gegnern klassische Abschreckungspolitik sehr viel schlechter funktioniert als gegenüber mehr oder weniger säkularen arabischen Nationalisten – was bedeutet, dass Israel ab einem gewissen Punkt gar nichts anderes übrig bleibt, als auf die Beseitigung der militärischen Macht der antisemitischen Gegner zu setzen.

Wer perspektivisch Frieden oder auch nur eine Entspannung der Situation und eine Verbesserung der Lebensbedingungen im Nahen Osten möchte, muss die Bekämpfung der Feinde des Friedens unterstützen – und das sind die Hamas, die Hisbollah, die proiranischen Milizen in Irak, Syrien und Jemen sowie das iranische Regime mit seinen Revolutionsgarden und seinem Nuklearwaffenprogramm. Eine 180-Grad-Wende in der europäischen Iran- und Nahost-Politik, die dringend geboten ist, müsste auch bedeuten, Israel bei der Bekämpfung der Hisbollah und der Strippenzieher in Teheran in jeglicher Hinsicht zu unterstützen.

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STEPHAN GRIGAT
ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen. Er ist Research Fellow an der Universität Haifa und am London Center for the Study of Contemporary Antisemitism und u. a. Mitherausgeber von „Erinnern als höchste Form des Vergessens? (Um-)Deutungen des Holocaust und der Historikerstreit 2.0“ (Berlin: Verbrecher 2023).