Eine Frage von Klasse – VON JASMIN MRZENA-MERDINGER

Mit ihrem Beitrag beleuchtet JASMIN MRZENA-MERDINGER die Dringlichkeit von Verteilungsgerechtigkeit und deren Auswirkungen auf das demokratische Gefüge. Durch einen kritischen Blick zeigt sie auf, wie Einkommensunterschiede, ungleiche Aufstiegschancen und ungerechte Arbeitsbedingungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden.

1. Dagobert Duck und der wachsende Geldberg

In Österreich ist die Verteilung von Reichtum besonders ungleich. Die reichsten fünf Prozent der Haushalte besitzen über die Hälfte des gesamten privaten Vermögens des Landes. Zwischen 2010 und 2023 hat sich das Vermögen dieser Gruppe von 513 Milliarden Euro auf über 1 Billion Euro verdoppelt! Im Vergleich zu anderen Ländern der OECD liegt Österreich bei der Besteuerung von Vermögen weit hinten, nämlich auf dem fünftletzten Platz von insgesamt 38 Ländern. Die österreichische Steuerpolitik begünstigt die Ansammlung von Vermögen, da es bis dato weder eine Erbschafts- noch eine Vermögenssteuer gibt (Quelle: Momentum Institut).

Ein Faktor ist die ungleiche Verteilung der Steuerlast, welche dazu führt, dass Arbeitnehmer*innen einen überproportionalen Anteil der Steuern tragen, während Vermögende oft eine geringere Steuerlast haben. Diese Ungleichmäßigkeit steht in direktem Zusammenhang mit der ungleichen Verteilung des Vermögens in der Gesellschaft. Die Schieflage manifestiert sich nicht nur in der finanziellen Belastung der einzelnen Steuerzahler*innen, sondern verstärkt auch bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. Wohlhabende Personen und Unternehmen haben in der Regel Zugang zu einer Vielzahl von Ressourcen und Steuerstrategien, um ihre Steuerlast zu minimieren. Durch Steuerabzüge, Steuervermeidungsstrategien und das Ausnutzen von Schlupflöchern können sie ihre effektive Steuerbelastung erheblich reduzieren. Diese Möglichkeiten stehen Arbeitnehmer*innen oft nicht zur Verfügung, da ihre Einkommen in der Regel aus transparenten Quellen wie Löhnen und Gehältern stammen, die regelmäßig sowie mehrfach besteuert werden. 75 % aller Steuereinnahmen werden durch Arbeit und alltäglichen Konsum getragen, während Unternehmensgewinne und Vermögenszuwachs mit gerade einmal 9 % zum Staatshaushalt beitragen. Der Ruf nach einer Senkung der Lohnnebenkosten wird auch in der arbeitenden Mehrheit zunehmend lauter. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass diese Einsparungen in Form von höheren Löhnen an die Arbeitnehmer*innen weitergegeben werden, da Unternehmen bestrebt sind, ihre Gewinne zu maximieren und Kosten zu minimieren. Tatsache ist, dass niedrigere Lohnnebenkosten zu massiven Einbußen bei den Sozialleistungen führen, da diese oft aus den Einnahmen der Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden. Wenn weniger Geld durch Lohnnebenkosten in die Sozialversicherung fließt, können Sozialleistungen wie Pensionen, Arbeitslosenunterstützung, Bildung und Gesundheitsversorgung beeinträchtigt werden. Das wiederum führt zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen für viele Menschen, vor allem jenen, die es sich nicht durch Zusatzversicherungen etc. richten bzw. leisten können.

Aber auch die ungleiche Verteilung von Vermögen trägt zu dieser ungleichen Steuerbelastung bei bzw. schafft sie erst. Denn Vermögende verfügen häufig über mehrere Einkommensquellen wie z. B. Kapitalerträge, Dividenden oder Mieteinnahmen, die geringer besteuert werden als Arbeitseinkommen. Die privilegierte Position vermögender Steuerzahler*innen ermöglicht es ihnen, von günstigeren Steuersätzen und Steuerbefreiungen zu profitieren, während Arbeitnehmer*innen einen größeren Anteil ihres Einkommens an den Staat abführen.

Die Kluft zwischen den Reichen und dem Rest der Gesellschaft wächst unaufhaltsam, weil diejenigen, die bereits viel besitzen, immer mehr anhäufen. Sie profitieren von einem System, das es ihnen erlaubt, ihr Vermögen zu horten, ohne angemessen besteuert zu werden. Es gibt keine Vermögenssteuer, keine gerechte Besteuerung von Erbschaften oder Vermögenszuwachs. So bleibt das Kapital der Reichen unangetastet, während diejenigen, die ehrlich arbeiten, keine Chance haben, diesen Abstand zu überwinden. Für sie reicht das Einkommen oft kaum zum Leben, während die Dagobert Ducks weiterhin auf ihrem wachsenden Geldberg sitzen. Das Bild einer gerechten Gesellschaft, in der harte Arbeit belohnt wird, scheint in diesem Szenario weit entfernt zu sein. Die Steuerlast muss daher weg von Arbeitsleistung und alltäglichem Konsum hin zu Kapitalerträgen, Vermögen und Unternehmensgewinnen.

2. Von Bienen und Blumen

In unserer Gesellschaft gibt es die fleißigen Bienchen und die reichen Blumen. Die fleißigen Bienchen arbeiten hart, um ihr Auskommen zu sichern. Sie sind es, die das Fundament unserer Wirtschaft bilden und den Wohlstand erwirtschaften. Auf der anderen Seite stehen die reichen Blumen, die scheinbar nichts weiter tun müssen, als das Leben zu genießen und darauf zu warten, dass die fleißigen Bienchen sie noch reicher machen. Diese reichen Blumen sind diejenigen, die bereits über beträchtliche Vermögen verfügen und von den Anstrengungen der Arbeitenden profitieren, ohne selbst viel dafür zu tun. Während die Bienchen arbeiten, um ihr tägliches Brot zu verdienen, können die reichen Blumen in ihrer finanziellen Fülle schwelgen, ohne einen Finger zu rühren. Es ist ein Ungleichgewicht, das dazu führt, dass diejenigen, die am meisten leisten, oft nur knapp über die Runden kommen, während diejenigen, die bereits im Überfluss leben, immer weiter bereichert werden.

Die eklatanten Lohnunterschiede zwischen Spitzenverdiener*innen und einfachen Arbeitnehmer*innen in verschiedenen Wirtschaftszweigen sind ein drastisches Beispiel für die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit. Diese Diskrepanz hat tiefgreifende Auswirkungen, die weit über die reine Einkommensgerechtigkeit hinausgehen. Sie führt zu einem deutlichen Machtgefälle in der Gesellschaft, indem sie die Kluft zwischen den sozialen Schichten vertieft. Führungskräfte, die über ein hohes Einkommen verfügen, haben oft einen großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung in Unternehmen und anderen Institutionen. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Interessen durchzusetzen und wirtschaftliche Ressourcen zu kontrollieren, was die Teilhabemöglichkeiten für einfache Arbeitnehmer*innen weiter einschränkt. Darüber hinaus untergräbt diese Ungleichheit den sozialen Aufstieg und die Chancengerechtigkeit. Wenn die Lohnunterschiede zu groß werden, wird der Aufstieg aus den unteren Einkommensschichten in höhere soziale Schichten erheblich erschwert. Selbst bei gleicher Ausbildung und Qualifikation können niedrigere Löhne den Zugang zu Bildung, Kultur, Gesundheitsfürsorge, angemessenem Wohnraum und anderen grundlegenden Bedürfnisse erschweren. Dies führt zu einer Verfestigung sozialer Hierarchien und einem anhaltenden Mangel an sozialer Mobilität, was letztlich das soziale Gefüge destabilisiert.

Die Forderung nach gerechten Löhnen ist daher nicht nur ökonomisch begründet, sondern auch eine ethische und soziale Notwendigkeit. Es geht nicht nur um eine gerechte Einkommensverteilung, sondern auch um die Schaffung einer gerechteren Gesellschaft, in der jede*r die Chance hat, das Potenzial voll zu entfalten und den Status zu verbessern. Dies erfordert nicht nur eine Umverteilung von Ressourcen, sondern auch einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie wir den Wert von Arbeit und den Beitrag, den wir für die Gesellschaft leisten, bewerten. Nur durch ein umfassendes und nachhaltiges Bemühen um wirtschaftliche Gerechtigkeit kann eine Gesellschaft langfristig sozialen Frieden und Wohlstand erreichen.

3. Was ist auf Dauer teurer als Bildung? Keine Bildung!

John F. Kennedy äußerte diese Worte während einer Rede vor dem Nationalen Bildungskomitee in den Vereinigten Staaten. Kennedy betonte die Bedeutung von Bildung für die Entwicklung einer Gesellschaft und ihre Fähigkeit, den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Er argumentierte, dass Investitionen in Bildung unerlässlich seien, da der Mangel an Bildung langfristig zu größeren sozialen und wirtschaftlichen Problemen führen könne.

Bildung ist nicht nur ein Motor für die individuelle Entfaltung, sondern auch ein zentrales Instrument, um soziale Ungleichheiten abzubauen und Chancengleichheit in einer Gesellschaft zu fördern. In vielen Ländern, so auch in Österreich, ist der Zugang zu Bildung stark von der finanziellen Situation der Familien abhängig. Die Vererbung von Bildungsprivilegien innerhalb bestimmter sozialer Schichten verstärkt die bestehenden Ungleichheiten im Bildungssystem. Familien mit finanziellen Mitteln können sich den Zugang zu Privatschulen, Nachhilfeunterricht und anderen Bildungsressourcen leisten, die ihren Kindern einen Vorteil verschaffen. Dadurch entsteht eine Schleife, in der privilegierte Schüler*innen mehr Möglichkeiten haben, ihre Talente zu entwickeln und erfolgreicher zu sein, während Kinder aus einkommensschwächeren Familien oft mit begrenzten Ressourcen und Chancen konfrontiert sind. Das meritokratische Versprechen, wonach jede*r des eigenen Glückes Schmied sei, nämlich einer gerechten Gesellschaft, in der Erfolg durch individuelle Leistung und Fleiß möglich ist, wird durch diese Realität untergraben. Anstatt dass alle gerechte Möglichkeiten haben, unabhängig von Herkunft, werden die Wege zum Erfolg durch finanzielle Barrieren und ungleiche Zugangsmöglichkeiten blockiert.

Eine gerechtere Verteilung von Bildungsressourcen und -chancen ist unerlässlich, um diesen Kreislauf zu durchbrechen und eine integrativere Gesellschaft zu schaffen. Dies erfordert weitreichende Maßnahmen, die über finanzielle Unterstützung für bedürftige Familien hinausgehen. Zuallererst muss in Bildungseinrichtungen investiert werden, um sicherzustellen, dass alle Schulen über ausreichende Ressourcen und qualifizierte Lehrkräfte verfügen. Dies schließt die Bereitstellung moderner Lehrmittel, ausreichender Lehrer*innenfortbildungen und angemessener Infrastruktur ein. Darüber hinaus sind Programme zur sozialen Integration in Schulen von großer Bedeutung. Diese Programme sollen sicherstellen, dass alle Lernenden unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihren physischen und psychischen Fähigkeiten oder ihrer sozialen Klasse gleiche Chancen haben, sich in das Schulleben einzubringen. Dies kann durch die Förderung von interkulturellem Verständnis, gemeinsamen Aktivitäten und Peer-Mentoring-Programmen erreicht werden. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Schaffung von Anreizen für Lehrkräfte, ein vielfältiges und integratives Lernumfeld zu schaffen. Zusätzlich sollten Lehrende in der Sensibilisierung für soziale Ungleichheiten und kulturelle Vielfalt geschult werden, um ein inklusives Lernumfeld zu schaffen, das alle Schüler*innen unterstützt. Denn nur durch eine umfassende und integrative Bildungspolitik kann sichergestellt werden, dass jedes Kind die gleichen Möglichkeiten hat, sein volles Potenzial zu entfalten.

4. The system is failing

The system is failing ist ein Ausdruck, der häufig verwendet wird, um auf das Versagen oder die Unzulänglichkeiten eines Systems oder einer Struktur hinzuweisen. Es kann sich auf verschiedene Kontexte, wie politische Systeme, wirtschaftliche Modelle, soziale Institutionen oder technologische Entwicklungen, beziehen. Im Zeitalter der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz gewinnt Bildung im Kontext von wirtschaftlicher Ungleichheit und sozialer Gerechtigkeit noch mehr an Bedeutung. Die fortschreitende Digitalisierung durchdringt nahezu alle Lebensbereiche und bietet enorme Chancen für individuelle Gestaltung, berufliche Entwicklung und wirtschaftlichen Fortschritt. Gleichzeitig birgt sie aber auch Risiken und Herausforderungen, insbesondere für diejenigen, die nicht über die notwendigen digitalen Kompetenzen verfügen.

Menschen mit niedrigem Einkommen haben möglicherweise nicht die finanziellen Mittel, den Zugang zu digitalen Geräten oder dem Internet, um die Bildungschancen der Digitalisierung zu nutzen. Diese digitale Kluft verstärkt bestehende Ungleichheiten erneut, wie am Beispiel des Homeschooling während der Corona-Pandemie besonders deutlich wurde. Während dieser Zeit war zu sehen, dass Familien ohne ausreichenden Zugang zu digitalen Ressourcen und Kompetenzen benachteiligt waren. Kinder aus einkommensschwachen Familien hatten teilweise keinen Zugang zu den benötigten Geräten oder Internetverbindungen, um am Fernunterricht teilzunehmen. Dies führte zu einem Rückstand in ihrer Bildung und verstärkte somit die bestehenden Ungleichheiten im Bildungssystem.

Darüber hinaus haben Menschen, die nicht über ausreichende digitale Kompetenzen verfügen, Schwierigkeiten, Arbeitsplätze, die zunehmend digitalisiert sind, zu finden oder zu behalten. Diese Personen könnten auf dem Arbeitsmarkt weiter ins Hintertreffen geraten und damit in ihrer wirtschaftlichen Mobilität eingeschränkt sein. Daher ist es besonders wichtig, die digitale Kluft zu überwinden und allen Menschen den Zugang zu digitalen Ressourcen und Kompetenzen zu ermöglichen. Dies umfasst nicht nur den Zugang zu digitalen Geräten, sondern auch die Förderung von digitalen Kompetenzen wie kritischem Denken, Datenschutz und Cyber-Sicherheit. Nur so können wir sicherstellen, dass niemand aufgrund seines sozialen oder wirtschaftlichen Hintergrunds von den Chancen der Digitalisierung ausgeschlossen wird.

Inmitten der digitalen Revolution scheint das gegenwärtige System zu versagen. Wir sehen, wie die digitale Kluft zwischen denen, die Zugang und Fähigkeiten haben, und denen, die sie nicht haben, weiterwächst. 2019 entwickelte ein internationales Expert*innenteam das Wiener Manifest für Digitalen Humanismus. Dieses stellt die Bedürfnisse und Rechte jedes Einzelnen in den Mittelpunkt der digitalen Entwicklung und ruft zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Ethik und den Einsatz digitaler Technologien auf. Es fordert Politik, Unternehmen und Bürger*innen auf, gemeinsam eine digitale Zukunft zu gestalten, die auf den Grundprinzipien von Gerechtigkeit, Chancengleichheit und menschlicher Würde beruht. Die Lösung kann eine integrative Bildungspolitik sein. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung digitaler Kompetenzen in Schulen und Bildungseinrichtungen, sondern auch darum, diese Kompetenzen allen Schichten der Gesellschaft zugänglich zu machen. Dies erfordert Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur sowie Programme zur Förderung und Entwicklung digitaler Kompetenzen für Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichem Hintergrund.

Durch den Einsatz von digitaler Technologie können neue Möglichkeiten geschaffen werden, die flexibel und anpassungsfähig sind, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Sie können verwendet werden, um sprachliche oder kognitive sowie motorische Barrieren abzubauen und damit eine inklusive Gesellschaft fördern.

5. Der Markt wird’s schon richten. Oder anders ausgedrückt: Das Recht der Stärkeren

Im Diskurs über wirtschaftliche Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit spielt die Wirtschaft eine zentrale Rolle. Es wird oft argumentiert, dass der Markt es schon richten wird, aber diese Behauptung übersieht die tatsächlichen Herausforderungen, die mit wirtschaftlicher Ungleichheit verbunden sind. Der freie Markt mag Vorteile bieten und als Motor für Wachstum und Innovation dienen, aber ohne Regulierung besteht die Gefahr, dass er zu mehr Ungleichheit führt und bestimmte Bevölkerungsgruppen benachteiligt werden.

Erstens führen Machtungleichgewichte dazu, dass starke Akteur*innen, wie große Unternehmen oder wohlhabende Einzelpersonen, ihren Einfluss nutzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen und Mitbewerber*innen zu verdrängen, wodurch sich Ressourcen und Chancen zunehmend zu eigenen Gunsten entwickeln.

Zweitens können informationelle Asymmetrien dazu führen, dass wenige Marktteilnehmer*innen über mehr Informationen verfügen als andere, was Vorteile bei der Entscheidungsfindung mit sich bringt.

Drittens können externe Effekte auftreten, wie klimatische Veränderungen oder soziale Mehrkosten, wodurch bestimmte Gruppen die negativen Auswirkungen dieser Effekte vermehrt tragen müssen.

Letztlich kann der Markt in einigen Fällen aus sich selbst heraus versagen, insbesondere bei öffentlichen Gütern wie Bildung oder Gesundheitsversorgung, die nicht gewinnorientiert bereitgestellt werden können. Infolgedessen sind eine aktive staatliche Regulierung und Intervention erforderlich, um eine gerechtere Verteilung von Ressourcen sicherzustellen. Dies kann Mindeststandards, Wettbewerbsregeln und die Bereitstellung öffentlicher Güter umfassen. Eine effektive Regulierung kann dazu beitragen, Ungleichheiten zu verringern, den Wettbewerb zu fördern und sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Gesellschaft insgesamt berücksichtigt werden. Ohne staatliche Eingriffe besteht die Gefahr, dass der Markt dazu neigt, Macht und Ressourcen zu konzentrieren sowie das Gemeinwohl zu vernachlässigen, was langfristig zu sozialen Spannungen und wirtschaftlichen Instabilitäten führt.

Eine gerechtere Verteilung erfordert demnach eine Reihe von Maßnahmen, darunter eine progressive Besteuerung, die Förderung von Aus- und Weiterbildung, den Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten und die Schaffung eines sozialen Sicherheitsnetzes. Durch eine faire Besteuerung können diejenigen mit höheren Einkommen einen angemessenen Beitrag leisten, um die sozialen Programme zu finanzieren, die allen zugutekommen. Die Förderung von Aus- und Weiterbildung ermöglicht es allen Mitgliedern der Gesellschaft, ihre Fähigkeiten zu verbessern und sich den Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen. Der Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten gewährleistet gute Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung für alle. Ein starkes soziales Sicherheitsnetz bietet einen finanziellen Schutz vor Armut und Notlagen.

Darüber hinaus müssen Unternehmen und Wirtschaftsakteur*innen ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und sich aktiv für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Dies kann durch Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz erfolgen. Eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die auf den Prinzipien der Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Klimaschutz basiert, ist entscheidend für die Bewältigung globaler Herausforderungen. Notwendig ist daher ein ganzheitlicher Ansatz, der staatliches Handeln, unternehmerische Verantwortung und die Zusammenarbeit aller Teile der Gesellschaft umfasst.

6. Sozialpartnerschaft und Solidarität

Der Zugang zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zur beruflichen Entwicklung muss allen Arbeitnehmer*innen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Herkunft offenstehen. Denn dies dient nicht nur der individuellen Entwicklung, sondern ist auch ein wesentlicher Faktor für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Denn in einer globalisierten Wirtschaft mit internationalem Wettbewerb, sind diese gezwungen, Alleinstellungsmerkmale zu sichern, Kosten zu reduzieren sowie die Effizienz zu steigern.

Angesichts dieser Herausforderungen wird internationale Solidarität zunehmend als Schlüssel zum Erfolg gesehen. Der Austausch von Erfahrungen und Ressourcen gilt als wirksames Mittel gegen unfaire Arbeitspraktiken und Ausbeutung. In diesem Zusammenhang kommt der Sozialpartnerschaft eine besondere Bedeutung zu. Durch die Zusammenarbeit von Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innenvertretungen können Konflikte konstruktiv angegangen und Lösungen gefunden werden, die sowohl die Interessen der Beschäftigten als auch die wirtschaftlichen Erfordernisse der Unternehmen berücksichtigen.

Die Arbeiterkammer, Gewerkschaften und Betriebsrat bzw. Personalvertretung spielen eine unverzichtbare Rolle im Schutz der Rechte und Interessen der Arbeitnehmer*innen. Die Arbeiterkammer fungiert als starke Stimme auf politischer Ebene und setzt sich aktiv für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie soziale Gerechtigkeit ein. Sie bietet zudem eine Vielzahl von Dienstleistungen und Unterstützung für Arbeitnehmer*innen, von rechtlicher Beratung bis hin zu Bildungsangeboten. Gewerkschaften stehen an vorderster Front im Kampf für die Rechte der Arbeitnehmer*innen und verhandeln Kollektivverträge sowie Arbeitsbedingungen mit Arbeitgeber*innen. Sie bieten ihren Mitgliedern nicht nur Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Fragen, sondern setzen sich auch für die Stärkung der Arbeitnehmer*innenrechte und besseren Rahmenbedingungen ein. Der Betriebsrat bzw. die Personalvertretung sind auf betrieblicher Ebene tätig und vertreten die Interessen der Beschäftigten direkt am Arbeitsplatz. Sie arbeiten in der Regel eng mit der Unternehmensleitung zusammen, um eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen und die Arbeitsbedingungen kontinuierlich zu verbessern, indem sie an betrieblichen Entscheidungsprozessen mitwirken. Die Bedeutung dieser Institutionen liegt in ihrer Fähigkeit, die Stimme der Arbeitnehmer*innen zu stärken, ihre Rechte zu verteidigen und für eine gerechtere Verteilung einzutreten. Sie sind unverzichtbare Akteur*innen im Streben nach sozialer Gerechtigkeit und einer ausgewogenen Beziehung zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen.

Auf der Arbeitgeber*innenseite ist es unerlässlich, dass verantwortungsvolle Unternehmensführungen die Bedeutung von Arbeitnehmer*innenrechten und sozialem Ausgleich erkennen. Die Einbindung der Arbeitnehmer*innenvertretungen in betriebliche Entscheidungsprozesse sowie eine transparente und offene Kommunikation können dazu beitragen, potenzielle Konflikte zu vermeiden und eine positive Arbeitskultur zu fördern. Durch den konstruktiven Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innenvertretungen können Lösungen gefunden werden, die sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten als auch die betrieblichen Anforderungen berücksichtigen. Dies schafft nicht nur ein angenehmes Arbeitsumfeld, sondern trägt auch zur langfristigen Stabilität und zum Erfolg des Unternehmens bei.

7. Conclusio: Die Stimme der Vielen

Zukünftig ist es wichtiger denn je, gemeinsam daran zu arbeiten, eine inklusivere und gerechtere Gesellschaft zu schaffen, in der gleiche Chancen für alle bestehen, unabhängig von ihrer sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Situation. Der Geist der Solidarität ist eine treibende Kraft, welche die arbeitende Bevölkerung seit jeher vereint hat. Es ist wichtig, diesen Geist zu pflegen und zu stärken, da er die Grundlage für Zusammenhalt und gemeinsame Interessen bildet. Die Stimme der Vielen, die durch Solidarität vereint ist, hat eine immense Kraft, um positive Veränderungen herbeizuführen und für die Rechte und Würde aller einzutreten. Indem wir Solidarität praktizieren und uns gegenseitig unterstützen, können wir ein gerechtes Miteinander aufbauen, in der jede*r Einzelne gehört und respektiert wird.

Als tragende Säulen der Gesellschaft müssen wir die Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen und uns gemeinsam für eine Welt einsetzen, in der das Leben für jeden Menschen lebenswert ist, unabhängig von seinem sozioökonomischen Hintergrund, denn das zeugt von wahrer Klasse.

JASMIN MRZENA-MERDINGER

Ist Bildungswissenschaftlerin und Leiterin des Referats für Diversität & Inklusion in der younion _ Die Daseinsgewerkschaft. Sie setzt sich für eine sozial gerechte Arbeitswelt ein, in der Vielfalt als Chance erkannt und Barrieren abgebaut werden.