Frauenpolitik und konnte in diesem Kontext DANIELA LUSCHIN nicht nur für die Bildstrecke, sondern auch für dieses Interview gewinnen. Es freut ELISABETH KAISER im Namen der gesamten Redaktion, dass die Ausnahmekünstlerin bereit war, die Bedeutung des Femininen und damit des Feminismus in ihren Arbeiten eigens zum Thema zu machen.
Elisabeth Kaiser (ZUKUNFT): Liebe Daniela, welche Rolle spielt Identität als Gesamtheit der Eigentümlichkeit, als Ausdruck sowie als Unterscheidungsmerkmal zu anderem oder anderen in Deinen Arbeiten?
Daniela Luschin: Identität spielt eine überaus große Rolle in meiner Kunst, hat sie mich doch in meinem Identitätswachsen in den letzten Jahren massiv begleitet, angestoßen und geformt. Allerdings sehe ich in meiner Kunst weniger Identität als Unterscheidungsmerkmal, sondern vielmehr den Verbindungscharakter. Mit jedem Bild ist ein weiterer Verbindungspunkt zu anderen Menschen – vor allen Dingen Frauen – entstanden.
E. K.: Was bedeutet für dich Identität als Künstlerin und auch als Frau? Wie siehst Du, als Frau, Deine Stellung in der Gesellschaft und wie nimmst Du Deine Position als Künstlerin auf dem Kunstmarkt ein? Findest Du, dass es einen Unterschied macht, ob man Künstler oder Künstlerin ist?
D. L.: Ich bin Frau, alleinerziehende Mutter, Eremitin und späte Autodidaktin (nebst vielen anderen Rollen, in die ich schlüpfe). Alles Dinge, die mich als weibliche Künstlerin stark beeinflussen und meine Rolle am Kunstmarkt mitbestimmen. In vielerlei entspreche ich dem Klischee einer Hausfrauenkünstlerin, die in der zweiten Lebenshälfte aus einer Midlife Crisis heraus, weil ihr die Therapie nichts gebracht hat, weil sie sich nach Anerkennung sehnt und/oder keinen Bock auf Yoga hat, nunmehr versucht, sich in der Kunst zu finden und neu zu definieren. Es ist kein Geheimnis, dass der Kunstmarkt auch heute noch von Männern bestimmt wird. Die große Kohle machen überwiegend männliche Künstler, die Museen und Ausstellung sind noch immer überdurchschnittlich stark mit Männerkunst bestückt. Da musst Du Dich als Frau nochmals mehr ins Zeug legen. Wenn Du dann auch noch spätberufene Autodidaktin bist, wird dein Fuß in der Galerietür massiv gequetscht. Ich kann leider auch nicht damit punkten, dass ich als dreifache Mutter, die sich alleine um die Erziehung kümmert, wenig(er) Zeit zum Netzwerken und Türklinkenpolieren habe. Die introvertierte Eremitin in mir tut ihr Übriges und ist da nicht sonderlich zuträglich.
E. K.: In Deinen Arbeiten ist die Frau als Person oftmals zentrales Motiv. Warum positionierst Du die Person Frau so zentral in Deinen Arbeiten? Auch meinst Du, dass der Titel eine wichtige Komponente bei Deinen Arbeiten ist. Kannst Du darauf eingehen? Und was willst Du mit Deinen Arbeiten aussagen?
D. L.: Die Frau ist nicht oftmals, sondern immer ein zentrales Motiv. Wie bereits oben erwähnt, geht es in meinen Bildern immer um meine Identität bzw. mein Werden, Tun, Sein. Jedes Bild ist eine Auseinandersetzung mit mir und meiner Rolle als Frau. Allerdings nicht notwendigerweise mit meiner individuellen Person, sondern der allgemeinen gesellschaftlichen, sozialen, politischen Figur der Frau, Mutter, Alleinerzieherin, Älterwerdenden etc. Auf das Warum kann ich nicht direkt antworten, weil es absolut instinktiv und ungeplant so geworden ist. Ich sehe es in gewisser Weise und völlig unesoterisch als meine Aufgabe, meinen Ruf. Mir ist erst im Lauf der Zeit bewusst geworden, wie viele Frauen sich von meinen Bildern verstanden und abgeholt fühlen. Was aus meiner Gefühlswelt und Lebensrealität entsteht, berührt nicht nur mich. Es berührt sehr viele Frauen, weil meine Bilder nicht nur meine Geschichten, sondern die tausenden Geschichten vieler Frauen erzählen. Die stets wiederkehrenden Themen in meinen Arbeiten sind Wut, Freiheit, aus dem Rahmen fallen, Konventionen sprengen und Rebellion gegen gesellschaftliche Normen. Das Brechen von Stereotypen, Mut und die schwesterliche Verbindung zwischen Frauen spielen dabei eine große Rolle. Die Titel sind der letzte Pinselstrich, die letzte Komponente, quasi das Nabelschnurdurchtrennen, das sie von mir trennt und hinausgehen lässt. Nicht immer, aber oft lassen diese Titel die Betrachtenden erst verstehen.
E. K.: Wie entwickelst Du Deine Bildkompositionen? Du hast mir gegenüber erwähnt, dass Du eine Reihe an „Wutbildern“ erschaffen hast. Was kann man sich darunter vorstellen? Wie definierst Du weibliche Wut? Unterscheidet sich diese von der männlichen? Was hat Dich dazu bewegt, Wutbilder zu entwickeln?
D. L.: Ich bin keine intuitive Künstlerin, d. h. ich setze mich nicht – oder nur sehr selten – an eine weiße Leinwand und mal drauf los. Zu Beginn schau ich in mich, was mich grad bewegt, welche Bilder in meinem Kopf entstehen, was resoniert, welche Körperhaltungen, welche Gesichtsausdrücke, welche Symbole die jeweilige Gefühlswelt/Situation am besten spiegeln, welche Worte sie beschreiben. Seit einem ¾-Jahr arbeite ich nunmehr mit KI an der Vorlage für meine Bilder. Für mich eine unglaubliche Chance, da ich mir vorab mühsam die entsprechenden Mimiken, Körperpositionen etc. hab raussuchen und mir zusammenbasteln, skizzieren hab’ müssen, während ich jetzt recht nah an das rankomme, was ich wohl mit Models bekommen würde. Das Ziel dieser Vorlagen ist es aber nicht eine 1:1-Kopie auf Leinwand zu erschaffen. Das wird sie auch nie. Es ist die Basis, auf der aufgebaut wird. Die Details sind intuitiv und ein freies Schaffen nach Lust und Laune. Meine Wutserie kontempliert weibliche Wut, die gesellschaftlich so wenig akzeptiert und als hysterisch, übertrieben und nervig wahrgenommen wird. Daher schlucken wir sie so gern und versuchen stoisch zu bleiben, ruhig, immer im Rahmen, im Korsett. Weibliche Wut ist oft unsichtbar. Die Wut in diesen Bildern der Wutserie ist auch nicht sichtbar, sie ist im Stillen verborgen, subtil. Erst durch das Lesen der Titel lässt sie sich finden. Die hingehauchte Engelsfrau auf rosa Hintergrund trägt den Titel die pumpgun ist im federkleid versteckt, das Bild der beiden Frauen mit Vogel im Vordergrund den Titel der vogel ist eine handgranate.
E. K.: Meiner Ansicht nach liegen in Deinen Arbeiten eine Fülle von Gefühlswelten vor, in die es einzutauchen gilt. Wenn ich Deine Arbeiten betrachte, dann spüre ich eine Stärke, die sie ausstrahlen. Viel Emotion erreicht mich als Beobachterin. Von diffiziler Wut bis hin zu Überlegenheit und Offenheit. Vielleicht auch ein Ruf nach Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Was bedeuten diese großen Wörter für Dich?
D. L.: Klar sind meine Bilder Spiegel meiner Gefühlswelt. Gefühle, die auf dem Boden meiner Lebensrealität wachsen, der wiederum stark von unserer Gesellschaft, dem Blick auf das Frausein, die Mutterrolle und anderem beeinflusst ist. Ich verstehe meine Bilder als meinen Protest, meinen starken Wunsch nach Veränderung und Aufbrechen. Sie sind meine Anklage. Sie sind aber auch ein Manifest für eine andere freiere Welt, in der ich das sein kann, was ich eigentlich gerne wäre, was ich gerne tun und schaffen würde. Damit bin ich nicht allein. So geht es vielen Frauen (Menschen). Ich geh’ nicht auf die Straße, ich halte mich meist in politischen Diskussionen zurück. Mir fehlen oft auch die richtigen Worte, Argumente, die notwendige Objektivität, die Selbstsicherheit und der Mut. Aber ich bin ein zutiefst politischer und werteorientierter Mensch. Vielleicht ist meine Kunst meine Art, einen Beitrag zu leisten.
E. K.: Was wünscht Du Dir von einer progressiven Frauenpolitik? Was braucht es und wo soll es für Frauen in der ZUKUNFT hingehen?
D. L.: Eine progressive Frauenpolitik fußt auf einer selbstverständlichen und unbewusst völlig natürlichen Gleichberechtigung. Solange wir Frauenpolitik brauchen, sind wir da nicht angekommen. Und das wird dauern. Denn ich sehe auch bei meinen drei Buben keine riesigen Fortschritte, wenngleich ich ihnen ein sehr selbstbewusstes starkes Frauenbild mitgebe. Es sind Mäuseschritte, denn auch ich kann nicht die Rolle ändern, in die ich hineingezwängt werde, weil die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind. Wir reden von flächendeckenden Kinderbetreuungsplätzen und der Aufhebung des Gender Pay Gaps, und das sind auch wirklich wichtige Dinge, die angegangen werden müssen, aber ich sehe die Herausforderung vor allem darin, dass wir uns mit unseren unbewussten Geschlechterrollen auseinandersetzen müssen und welche Mythen uns Zeit unseres Lebens begleiten. Wir müssen radikal dekonstruieren, unsere Geschichten in Frage stellen und auch massiv an uns selbst arbeiten. Ich bin Feministin und setze mich massiv mit mir und meiner Rolle als Frau und Mutter auseinander, merke aber immer wieder bei mir selbst, dass sich diese über Generationen und Familiengeschichten hinweg tief in uns tätowierten stereotypen Bilder nicht einfach ausradieren lassen. Die Spuren werden noch lange sichtbar bleiben …
E. K.: Ich danke Dir auch im Namen der Redaktion der ZUKUNFT für das Gespräch und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg, Freude und Erfüllung in Deinem künstlerischen Schaffen.
Infokasten Daniela Luschin
DANIELA LUSCHIN ist eine im Jahr 1977 geborene Frau, die mit den Jahren geworden ist, als Frau, als Mensch, als Künstlerin. Erst spät findet die Luschin ihren Weg in die Kunst. Als dreifache Mutter hat sie keine Zeit für Aus- und Weiterbildungen und tut einfach. Sie ist Autodidaktin, wie in vielen Bereichen ihres Lebens. Anfangs beschränkte sich ihr künstlerisches Schaffen auf die Verwendung von Wasserfarben und Tinte. Im Laufe der Zeit erweiterte sie ihr Repertoire und experimentiert nunmehr mit unterschiedlichsten Techniken. Sie präsentiert sich als versierte Mixed-Media-Künstlerin, die Wasserfarben und Tinte mit Textilien, Garnen, Papierelementen, Acryl und anderen Materialien verbindet. Die Werke von Daniela Luschin widmen sich vor allem dem Thema „Frauen“, ihrem Streben nach Freiheit sowie der kritischen Auseinandersetzung mit feministischen Diskursen, gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungen. Durch ihre Kunst setzt sie sich mit den Gegebenheiten auseinander, mit denen sich frau konfrontiert sieht. Dabei vereint sie häufig traumhafte Visionen mit einer teils ironischen Herangehensweise und stellt die Alltagsrealität von Frauen infrage. „Die innere Piratin“ ist eines ihrer Leitmotive und spricht die Rebellin in jeder Frau an, die es zu befreien gilt, die verhärtete Strukturen aufreißt und mutig neue Wege geht. Die Farbe Gold spielt dabei eine zentrale Rolle, die den Werken der Luschin einen besonderen visuellen Reiz verleihen, zum anderen aber vor allem symbolisch für das steht, was Frauen nur zu gern geraubt wird: ihr Glanz. Die Kunstwerke von Daniela Luschin spiegeln ihre persönliche Entwicklung wider und reflektieren eine kraftvolle, gewachsene Weiblichkeit. Sie laden die Betrachtenden dazu ein, neue Perspektiven zu entdecken und ihre eigene Stimme zu finden. Kontakt: www.dieluschin.at /. Weitere Informationen online unter: https://www.instagram.com/mutzikatzifrau_art/