Kultur und Sport als zentraler Bestandteil des Alltagslebens VON DENNIS BUCHNER UND GERHARD SCHMID

Im Zuge eines Besuches der SPÖ Bundesbildung in Berlin haben sich Dennis Buchner und Gerhard Schmid im Berliner Landtag getroffen. In unserer Schwerpunktausgabe zu Sport und Politik können wir deshalb dieses lockere Gespräch zu Sport, Fußball und diesbezüglichen Finanzierungsfragen präsentieren. Für die ZUKUNFT haben Bernd Herger und Jasmina Malkoc die Fragen gestellt…

ZUKUNFT: Gerhard, Du bist im Kuratorium von Rapid Wien und Vorsitzender des Kulturausschusses des Wiener Gemeinderates. Wie passen Kultur und Sport zusammen?

Gerhard Schmid: Für mich liegen Kultur und Sport ganz nahe beieinander. Ich habe immer die Philosophie vertreten, dass man in einer Wagner-Oper genauso sitzen kann wie im Weststadion, das ist der traditionelle Name des Stadions von Rapid. Ich glaube, dass beides wichtig ist. Kultur und Sport sind für Menschen zur Lösung ihrer Sinnfragen ganz zentrale Vehikel und damit auch Teil eines humanistischen Bildungsbegriffs. Sport und Kultur fördern die Gemeinschaft, fördern tiefere Einsichten. Ich sehe da keine Gegensätze und keine Widersprüche.

Dennis Buchner: Ich kann Dir da nur zustimmen. Für die meisten Menschen ist Sport Teil ihrer Alltagskultur, in der man sich verbindet und Freunde findet. Da gibt es keinen Unterschied zum Kulturbereich, in welcher Form Menschen Kultur auch begreifen und wahrnehmen, ob das nun die Hochkultur ist, Theater, Oper oder ob es Kino, Kabarett und Komödie sind. Bildung und Kultur, das sind die Bereiche, wo sich Menschen zugehörig fühlen, Bereiche, die auch einen Teil der Lebensqualität ausmachen. Und deswegen kann man Kultur und Sport gar nicht so gut trennen.

ZUKUNFT: Du warst sportpolitischer Sprecher der SPD Berlin, aber Du bist Fan einer ganz anderen Mannschaft. Wie passt das zusammen? 

D. B.: Ich bin ein großer Unterstützer aller sechs Berliner Profimannschaften und besuche sie auch regelmäßig. Berlin ist tatsächlich eine Stadt mit weit über 100 Erstliga-Mannschaften in allen Sportarten. Es sind vor allem die Profivereine im Handball, im Basketball, im Volleyball, im Eishockey und im Fußball, die die Stadt stark prägen. Ich drücke tatsächlich allen die Daumen, auch wenn meine sportliche Sozialisation mich als Kind zum 1. FC Köln geführt hat.

Ich bin ein großer Fußballfan, aber die Stimmung, die bei den Hallensportarten hier in Berlin aufkommt, insbesondere beim Volleyball, beim Basketball und beim Handball in der Max-Schmeling-Halle oder auch in der Arena, ist etwas Besonderes. Das unterscheidet sie auch vom Fußball, weil es zwar sehr laut und intensiv wird, aber eine weniger aufbrausende Stimmung herrscht. Beim Fußball wird es, wenn zwei Mannschaften gegeneinander spielen, die sich nicht mögen, doch manchmal ein bisschen aggressiv.

ZUKUNFT: In Wien ist die finanzielle Unterstützung des Kulturbereichs um einiges stärker als für den Sportbereich. Wie ist das in Berlin?

D. B.: Ich glaube, mit der Kultur kann man sich im Sportbereich tatsächlich nicht messen. Der Sport organisiert sich in Deutschland, auch in Berlin, weitestgehend selbst. Wir fördern auch im Sinne der Demokratie vor allem den Landessportbund und den Behindertensportverband und die leiten das Geld dann an Sportvereine und Sportorganisationen weiter. Zusätzlich gibt es Mittel, die aus Lottozweckerträgen unmittelbar in den Sport gesteuert werden. Und in Berlin gibt es einen großen weiteren Punkt: Wir gehören zu den Städten, die verrückt genug sind, sich eine eigene Struktur für Schwimmbäder und Freibäder zu leisten: Die Berliner Bäderbetrieb GmbH wird mit ziemlich genau 100 Millionen Euro im Jahr aus Steuermitteln gefördert, damit die Menschen es sich überhaupt leisten können, schwimmen zu gehen, und damit Vereine, Kitas und Schulen in unseren Bädern kostenlos schwimmen können.

G. S.: Man muss sich anschauen, was die Aufgabe der öffentlichen Hand ist. So wie Dennis gesagt hat: Die Aufgabe der öffentlichen Hand ist es primär, den Breitensport zu fördern und die Sportmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, es geht also um Investitionen in die Infrastruktur. Da kann man natürlich immer etwas tun, da sind die Grenzen nach oben leicht verschiebbar, wenn man an Sporthallen, Fußballplätze und Flutlichtanlagen denkt. All das muss entsprechend finanziert werden. Ich persönlich bin kein großer Anhänger der Philosophie, dass sich große Unternehmen oder vermögende Einzelpersonen Sportorganisationen oder Sportvereine krallen und dann alles bestimmen. Der Fußballverein, dem ich angehöre, baut auf 17.000 Mitgliedern auf, das ist kompliziert genug. Beim FC Bayern München ist es auch so, dass man von den Mitgliedern ausgeht.

Die Aufgabe der öffentlichen Hand ist es, die Infrastruktur bereitzustellen und zu schauen, dass es ein großes Angebot an Breitensport-Möglichkeiten gibt. Mir würde zum Beispiel vorschweben, dass wir auf Bezirksebene Arbeitsgemeinschaften hätten, wo die im Bezirk tätigen Sportvereine mit den Schulen zusammenarbeiten. Denn oft gibt es auch ein Informationsmanko. Ganz wichtig ist auch, dass man in den Schulsport investiert, auch in den leistungsorientierten Schulsport.

D. B.: Ich habe gerade von unseren Profivereinen erzählt, wir haben hier große Programme, die nun schon seit zehn Jahren erfolgreich sind: „Profivereine und Vereine machen Schule“: Eigentlich sind alle Großvereine in Berlin unterwegs, auch in den Schulen, entsenden Übungsleiter in den Schulsport, sodass wir sehr viele Schüler*innen haben, die insbesondere an Basketball, aber auch an Handball und Volleyball, an Eishockey und Fußball herangeführt werden. Diese Programme werden aus Landesmitteln unterstützt, weil wir diese Trainerstunden zusätzlich fördern. Und es ist gleichzeitig eine gute Sache, um das Berufsbild von Übungsleiter*innen und Trainer*innen zu fördern, weil diese Berufsgruppen oft genug das Problem hatten, nur nachmittags in den Vereinen unterwegs sein zu können. Jetzt können sie auch tagsüber in den Schulen arbeiten, haben dadurch ein Vollzeitgehalt und so machen wir aus dem Trainerjob ein echtes Berufsbild.

G. S.: Das kann ich nur ganz leidenschaftlich unterstützen. Ich glaube, es wäre wichtig, dass man verstärkt Bildungsangebote in Richtung Sport macht. Wir haben zum Beispiel das Studium der Sportwissenschaften, aber wenn man sich dann in den Vereinen umschaut, sind dort relativ wenig Absolvent*innen. Warum? Weil sie aufgrund ihrer Qualifikation für die Wirtschaft interessant sind. Leistungsorientierung und Leistungssport stellen Tugenden dar, die auch für die Wirtschaft interessant sind, in der dann auch die Verdienstmöglichkeiten besser sind. Tolle Einrichtungen sind die Sportschulen, in denen man auch den Leistungsgedanken fördern kann, wobei es hier wichtig ist, dass man die pädagogischen Konzepte mit Trainingsplänen in Verbindung setzt und die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft.

D. B.: Wir sind ganz in diesem Sinne sehr stolz auf unser Fördersystem mit drei Berliner Sport-Eliteschulen. Damit sorgen wir dafür, dass Sportler*innen, von denen wir die Hoffnung haben, dass sie große sportliche Karrieren machen könnten, gleichzeitig genau die berufliche Ausbildung bekommen, die sie später brauchen können. Das ist in Berlin relativ gut gelungen, wodurch viele Sportler*innen und Kaderathlet*innen die Schule vernünftig durchlaufen können. Und es gibt in den Studiengängen immer noch die Möglichkeit für Kaderathlet*innen, denen vielleicht ein bisschen was am Numerus Clausus fehlt, trotzdem in die Studiengänge reinzukommen, damit sportliche und berufliche Karriere Hand in Hand gehen können.

G. S.: Bei uns spielen natürlich auch Polizei und Bundesheer eine große Rolle, weil die den Sportler*innen viele Möglichkeiten eröffnen. Viele Leistungssportler*innen sind Heeres- oder Polizeiangehörige.

D. B.: Das ist bei uns auch so. Allein die Bundeswehr hat im Moment, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, ungefähr 1300 Angestellte, die sich komplett auf den Sport konzentrieren.

ZUKUNFT: Wenn wir uns im Fußball den Spitzensport anschauen und sagen, wir unterstützen den nicht so stark, besteht da nicht die Gefahr einer massiven Entdemokratisierung, wenn man sich etwa die FIFA ansieht? Der Weltfußball geht eher in den arabischen Raum und wir haben überhaupt keine politische Mitsprache mehr. Haben wir eigentlich noch Einfluss darauf, den Sport in unserer eigenen Wertegemeinschaft zu halten?

D. B.: Im Prinzip lassen wir den Spitzenfußball nicht alleine, weil wir die Breite, also das ständige Aufwachsen von Spitzensportler*innen, unterstützen. Dabei hat der Fußball mit den notwendigen Großspielfeldern einen enormen Flächenbedarf. Und natürlich stellen auch wir in Berlin den Sportvereinen alle Sportflächen ohne Gebühren zur Verfügung. Es fließt also im Fußballbereich eine Menge Geld in den Breitensport. Aber den Spitzenfußball zu unterstützen, um ihn von den Strukturen der FIFA unabhängiger zu machen, halte ich für enorm schwierig. Ich wüsste nicht, wie ich meinen Wähler*innen erklären soll, dass ich in einen Sportverein, der Millionengehälter zahlt, Steuermittel investiere. Ich glaube tatsächlich, dass wir uns im Prinzip auch gegenüber solchen Verbänden wie der FIFA oder der UEFA ein Stück weit selbstbewusster zeigen müssten.

Wir haben im nächsten Jahr mit sechs Spielen in Berlin die Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Für diese Spiele muss Berlin ungefähr 80 Millionen Euro Steuermittel investieren und am Ende bringt das alles Geld in die Stadt, weil tausende Besucher*innen nach Berlin kommen. Das nennen wir die „Stadtrendite“. Aber man muss eben auch aufpassen, dass das nicht ins Unendliche geht und die Verluste von den Steuerzahlenden sozialisiert werden, während die Gewinne bei den Großorganisationen des Fußballs wie der UEFA oder der FIFA eingefahren werden.

G. S.: Das kann ich nur hundertprozentig unterstreichen, aber ich wollte zum ersten Gedanken noch etwas sagen. Es gibt eine durchaus auch wissenschaftlich überprüfbare, signifikante Wechselwirkung zwischen Breitensport und Leistungssport. Wenn Du bestimmte Sporterfolge im Leistungssport hast, dann wirkt sich das auf den Breitensport aus. In Österreich sehen wir das ganz besonders beim Skifahren. Wenn die Erfolge beim Skifahren da sind, funktionieren sozusagen die Liftanlagen besser und die Leute machen mehr Winterurlaub usw. Kritisch muss man sicher die Gesamtentwicklung in diesem Bereich des Spitzensports sehen. Wir haben mit der Corona-Pandemie erlebt, dass sich z. B. in Spanien viele Menschen, viele Arbeiter*innen und Angestellte über die horrenden Beträge aufgeregt haben, die Real Madrid oder der FC Barcelona ins Spiel gebracht haben.

Und dann müssen wir die Entwicklung in den arabischen Ländern im Blick behalten, wo Geld scheinbar keine Rolle mehr spielt und die besten Spieler zusammengekauft werden, die natürlich wegen des Geldes dort hingehen. Ich glaube, man muss im globalen, internationalen Zusammenhang überlegen, ob man nicht gewisse Grenzen andiskutiert. Sonst wuchert das aus.

D. B.: Das befremdet mich als Fußballfan auch. Ich möchte mit meinen Vereinen auch nicht erleben, dass Spieler für Milliardenbeträge oder für hunderte Millionen abgeworben werden, also für Gehälter, die jenseits von Gut und Böse sind. Ich möchte meinen Verein nicht an irgendeinen Scheich verkaufen. Im Zweifel stehe ich lieber in der dritten oder vierten Liga, wie früher als Jugendlicher an der Seitenlinie, als jeden Auswuchs mitzumachen, den der Profifußball gerade erfährt. Und in der Tat, was gerade mit Saudi-Arabien passiert, stimmt mich nachdenklich, weil es da ausschließlich um Fußball als Kommerz geht.

G. S.: Ja, d’accord.

ZUKUNFT: Eine Frage zum Thema Breitensport. Wir wissen, dass Breitensport im Bereich der Integration eine sehr große Funktion übernimmt. Welche Möglichkeiten seht ihr, die Vereine in diesem Bereich zu unterstützen?

D. B.: Leider kommt die Integration an Grenzen, weil die Sportflächen nicht in dem Maße mitwachsen, wie wir uns das wünschen würden. Durch die Schulbau-Offensive entstehen zwar viele neue Schulen, das heißt, es entstehen auch viele neue Sporthallen, was aber nicht so schnell mitwächst, sind die Großspielfelder. Für Fußball oder für Hockey kriegt man einfach nicht mehr Felder. Wir bringen aber zusätzliche finanzielle Mittel für Sport und Sportvereine auf. Mit denen werden zusätzliche Übungsleiter und Trainerstunden bezahlt, um Kinder und Jugendliche von der Straße zu holen. Das ist ganz konkrete Integrationsarbeit, aber sie kommt an ihre Grenzen, wenn wir keine Sportflächen finden. Ich wünsche mir also, dass wir noch mehr städtische Grünflächen und Grünanlagen nutzen, um dort auch jenseits von klassischen Fußballfeldern oder Basketballkörben Sport zu ermöglichen. Es gibt eine Reihe von Sportarten, die man betreiben kann, also Discgolf oder Frisbee. Deshalb versuchen wir in Berlin, zusätzliche Sportflächen zu generieren: wir stellen z. B. in Berlin Calisthenics-Anlagen in öffentlichen Grünanlagen auf, mit denen das eigene Körpergewicht trainiert werden kann.

G. S.: Grundsätzlich kann ich das nur unterstützen. Wir haben sicher noch ein bisschen Spielraum in der Schaffung von Sportstätten, aber ich glaube, es geht auch darum, dass wir die Möglichkeiten logistisch ausreizen. Da hängt viel von Information ab: Lehrer*innen oder Eltern wissen oft gar nicht, welche Sportangebote es in ihrer Umgebung gibt. Die großen Vereine wird man wahrscheinlich kennen, aber ob es einen Tischtennisverein, einen Badmintonklub oder einen Basketballkorb gibt, weiß man schon weniger. Und auch die Möglichkeiten, die die Schulen mit Sporthallen haben, kennt man kaum. Ein Problem, das man in den Griff kriegen muss, ist auch die Schulautonomie, da die Schulen teilweise selbst über den Mitteleinsatz entscheiden können. Das ist in Österreich ein großes Thema, das auch von der ÖVP sehr stark propagiert wird. Wenn dann Sparprogramme am Schulstandort beschlossen werden, die auf Kosten des Sports gehen, ist das freilich nicht gut. Das heißt, man muss auch im Bereich der zentralen Steuerung dafür Sorge tragen, dass der Schulsport wieder stärker belebt wird. Vor etlichen Jahren hat zum Beispiel das österreichische Fernsehen noch die Schülerliga übertragen. Das hast Du heute nur in der Nacht am Sportsender, aber das wäre ganz wichtig, um den Schulsport populär zu machen.

ZUKUNFT: Einen großen Spielraum gibt es auch hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen im Sport- und Kulturbereich, wenn es z. B. um gleiche Bezahlung im Fußball geht. Die Unterschiede sind eklatant. Auch im Blick auf geschlechtergerechte Integration haben Mädchen oft keine Möglichkeit, in Vereine zu gehen. Wo könnten wir in diesem Bereich ansetzen?

D. B.: Wir haben schon davon gesprochen, dass es zu wenige Fußballfelder gibt. Das wirkt sich auch hier aus. Denn die Nutzungszeiten sind seit vielen Jahren an bestimmte Vereine vergeben, die vor allem die Jungen- und Männermannschaften fördern. Wenn neue Teams gegründet werden, geht es in vielen Fällen um Mädchenfußball, weil der Frauenfußball immer populär wird. Frauen- und Mädchenteams kommen aber oft in vergebene Räume und müssen dann schauen, wo Zeiten abgekniffen werden können. Wir sind aber sehr stolz darauf, dass insbesondere der Frauen- und Mädchensport in Sportarten wächst, die vor allem von Männern gemacht worden sind.

Bei uns in Berlin ist es vor allem auch im Profibereich der Basketballverein ALBA, dessen Frauenmannschaft in der zweiten Liga spielt. Und es gibt das erklärte Ziel, mehr Mannschaften mit Frauen und Mädchen in den Profisport oder in die ersten Ligen zu bringen. Die Förderung des Frauen- und Mädchensports ist also ein sehr wichtiges Thema. Dies auch, weil der Sprung aus den zweiten in die ersten Ligen für die Vereine ein großer finanzieller Sprung ist.

G. S.: Da seid ihr uns in Deutschland ein bisschen voraus. Bei deutschen Großvereinen war es üblich, dass es etwa bei Bayern München auch eine Handballmannschaft, eine Basketballmannschaft usw. gibt. Es ist also auch seit vielen Jahren ganz selbstverständlich, dass es Frauenmannschaften gibt, die auch in ihren Bewerben oben mitspielen. Das hat in Österreich viel später eingesetzt. Jetzt kommen zum Beispiel alle großen österreichischen Fußballvereine drauf, dass sie eine „Frauenabteilung“ brauchen. Damit stehen sie aber am Beginn. Der FC Red Bull Salzburg und der SK Rapid sind aber immerhin dabei, geschlechtsspezifische Projekte zu entwickeln.

ZUKUNFT: Frauen müssen sich also in die männergemachten Sportarten reinkämpfen. Historisch betrachtet sind die Olympischen Spiele dahingehend sehr bezeichnend: Als Frauen endlich zugelassen wurden, gab es anfangs keine Geschlechtertrennung und sie haben oft die ersten Plätze belegt. Erst dann hat man damit begonnen, die Geschlechter zu trennen, damit Frauen nicht mehr siegen.

Ein weiteres Thema: Nach verschiedenen Studien ist die größte Jugendgruppe im deutschsprachigen Raum die so genannte „aktive Szene“ oder die „Ultras“. Union Berlin ist gegen Eintracht Frankfurt seit Wochen ausverkauft. Eintracht Frankfurt fährt mit tausenden Leuten, die nicht einmal Karten haben, nach Spanien. Das sind Menschengruppen, die extrem aktiv sind und alles für den jeweiligen Verein geben. Wie beurteilt ihr die Situation, dass so viele Menschen den Fußball unterstützen und dabei manchmal auch gesellschaftspolitische Grenzen überschreiten?

D. B.: Da kommen wir wieder auf den Zusammenhang von Kultur und Sport zu sprechen. Ich sagte eingangs, dass der Fußball Teil der Alltagskultur ist. Diese aktive Fanszene ist ganz in diesem Sinne ein Verbund von Menschen, die über den Fußball hinaus miteinander etwas erleben wollen, die zusammen verreisen und die Mannschaften begleiten. Diese Szene ist im Übrigen auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, weil viel Geld für Reisen, für Hotels und Ähnliches ausgegeben wird.

Das ist im Grunde eine gute Entwicklung, weil es die Gruppen zusammenhält. Ab und zu gibt es negative Auswirkungen und es kommt zu Ausschreitungen oder Schlägereien. Aber insgesamt ist das eine Minderheit. Genau deshalb gibt es auch in Berlin große politische Unterstützung für aktive Fan- und Jugendarbeit. Das ist übrigens auch eine Aufgabe des DFB und der Vereine, die Fan-Projekte vernünftig begleiten und finanziell unterstützen müssen. Es gibt in Deutschland eine sehr feste Struktur der Jugendsozialarbeit, in welche die Vereine, aber auch die Kommunen und Länder Geld einzahlen, damit auch Ressourcen dafür da sind, mit den Jugendlichen auch jenseits des Sports zu arbeiten.

G. S.: Fanarbeit kann etwas wirklich Grandioses und Integratives bewirken. Wichtig ist, dass man die Fans begleitet, dass man sie betreut und dass man sich auch inhaltlich um sie kümmert. Und dann kannst Du ein unglaublich positives Reframing herstellen. Du kannst bei einer guten Fanbetreuung Projekte für Toleranz, für Wertschätzung usw. realisieren. Wir haben das in Österreich bei einigen Vereinen gesehen, wo man noch in den 1980er- und 1990er-Jahre sehr viele braune Flecken hatte. Darauf hat man scharf reagiert und intensiv in Fanbetreuung investiert. Heute ist das im Großen und Ganzen kein Thema mehr. Dass irgendwo mal ein blöder Spruch oder ein blödes Transparent kommt, wird man nie zur Gänze ausschließen können. Aber diese großen Fangruppen haben etwas sehr Integratives und Sinnstiftendes. Wenn am Samstag oder Sonntag Meisterschaft gespielt wird, fangen viele Fans am darauffolgenden Tag an, für das nächste Spiel die Choreografien usw. vorzubereiten …

ZUKUNFT: Eine letzte Frage: Wie endet die Saison für den 1. FC Köln und für SK Rapid?

G. S.: Der SK Rapid muss schauen … Ich sage einmal, die Hoffnung ist Platz 3.

D. B.: Und beim 1. FC Köln Platz 15 oder vielleicht besser?

ZUKUNFT: Lieber Gerhard, lieber Dennis, wir danken Euch für das so informative Gespräch …

GERHARD SCHMID

ist ehemaliger SPÖ-Bundesgeschäftsführer und aktuell u. a. Bezirksparteivorsitzender in Hietzing, Bundesbildungsvorsitzender der SPÖ sowie Mitglied des Wiener Gemeinderates und Landtags. Schmid ist Autor zahlreicher Publikationen und unterrichtet regelmäßig an der Universität Wien. Er ist Mitglied des Kuratoriums des SK Rapid Wien

DENNIS BUCHNER

studierte Politik, Soziologie und Geschichte. Finanziell unterstützt durch BAFöG und Nebenjobs, darunter als Nachtportier, schloss er sein Studium 2005 als Diplom-Politikwissenschaftler ab. Von 2002 bis 2021 war er im SPD-Parteivorstand tätig, zuletzt als Büroleiter und Referatsleiter. Neben der Politik engagiert er sich in verschiedenen Vereinen und ist leidenschaftlicher Anhänger des 1. FC Köln.

JASMINA MALKOC

ist Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin sowie Expertin für digitale, politische Kommunikation. Sie ist stv. Vorsitzende der Jungen Generation in der SPÖ und setzt sich als Feministin neben Sozial- und Bildungspolitik insbesondere für die Gleichstellung aller Geschlechter ein – auch im Sport!

BERND HERGER

studierte Wirtschaftsinformatik an der WU Wien und ist aktuell Mitarbeiter der Wiener Bildungsakademie und Mitglied der SPÖ Seestadt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er aktiv in den internationalen Netzwerken River // Cities und Scotland in Europe. Er ist seit 2006 Obmann des Fußballvereins Dynamo Donau und lebenslanger Fan des SK Rapid Wien. Er ist ehrenamtlich als Onlineredakteur der ZUKUNFT engagiert.