In dieser Schwerpunktausgabe der ZUKUNFT beschäftigen wir uns u. a. mit einem hochaktuellen und zugleich kontroversen Thema: der Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Kunst. Ein spannendes Beispiel hierfür ist die von BERND HERGER und ALESSANDRO BARBERI erstellte Bildstrecke dieser Ausgabe, die neben ChatGPT (https://chatgpt.com/) auch mit der Bilderstellungs-KI Midjourney (https://www.midjourney.com/home) entstanden ist.
I. Einleitung: Midjourney
Die KI Midjourney gibt standardmäßig vier Bildvarianten aus, von denen eine ausgewählt werden kann, wie die von Bernd Herger im Rahmen dieser Ausgabe der ZUKUNFT präsentierten Bilder zeigen. In unserem Fall wurde der Prompt immer exakt so eingegeben, wie vorgesehen, und stets die erste der vier Varianten ausgewählt. Zum besseren Verständnis der Logik der KI haben wir die vier Ausgaben jeweils in ein Bild gesetzt und die ursprünglichen schlagwortartigen Eingaben auch als Titelei der Bildstrecke dieser Ausgabe verwendet.
II. Von der Faszination der KI
Besonders faszinierend ist dabei das Bild mit dem Prompt Zeichne ein Bild, das Dir gefällt? (vgl. Seite 18). Diese einfache Frage wirft interessante Überlegungen auf: Was erwartet man von einer Künstlichen Intelligenz? Kann sie Vorlieben haben oder sogar eine eigene Meinung entwickeln? In diesem Fall präsentierte Midjourney vier Variationen eines Bildes einer jungen Frau. Hat die KI hier Geschmack gezeigt? Oder spiegelt diese Wahl das wider, wovon die KI aufgrund ihrer Programmierung „glaubt“, dass es der Mehrheitsgesellschaft gefallen könnte? Ist das Bild der jungen weißen Frau also ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Normen und Vorurteile oder sind dies die inhärenten Entscheidungen der KI? Diese Fragen führen uns direkt zur Kernfrage: Wer steuert die KI?
III. Geschmack oder Coded Bias?
Das Bild der jungen Frau in vier Variationen führt uns zu einer weiterführenden Diskussion: Hat Midjourney bereits eine Art „Geschmack“ entwickelt oder ist das jeweilige Kunstwerk lediglich das Produkt vorprogrammierter Algorithmen, die gesellschaftliche Vorurteile und ästhetische Präferenzen reproduzieren? Besonders spannend ist hier die Frage nach dem Training der KI: Wenn die KI größtenteils mit Bilddaten gefüttert wurde, die bestimmte Schönheitsideale und kulturelle Normen abbilden, wird sie diese Muster auch in ihrem Output wiederholen und weiterführen? Dies wirft die Frage auf, inwieweit die KI neutrale Ergebnisse liefert oder unbewusst gesellschaftliche Stereotype verstärkt, wie etwa mit dem hervorragenden Dokumentarfilm Coded Bias (dt. Voprogrammierte Unterweisung) von Shalini Kantayya deutlich wurde, der seit 2021 auf netflix läuft.
Unsere Untersuchung geht jedoch noch weiter. Wir haben die KI auch mit der Frage nach der ZUKUNFT konfrontiert, insbesondere nach der ZUKUNFT der Sozialdemokratie. Die von Midjourney generierten Bilder waren überraschend und zeigten nicht nur eine Vorstellung von Fortschritt, sondern enthielten auch traditionelle Elemente. Wie stellt sich die KI unsere ZUKUNFT vor? Diese Frage zeigt, dass die Ergebnisse der KI nicht als bloßer technischer Output betrachtet werden sollten, sondern als Resultat eines Systems, das unsere gegenwärtige Realität sowie die Vergangenheit in einer algorithmischen Form verarbeitet und abbildet. Darüber hinaus wird auch an den unterschiedlichen Ergebnissen die Alessandro Barberi mit ChatGPT und Bernd Herger eben mit Midjourney erzielte auch auf der Ebene der Eingabeprompts der irreduzible menschliche Faktor deutlich, weil menschlicher Varianzreichtum eine erhebliche Rolle spielt. Algorithmen sind mithin Funktionen eines gänzlich determinierten Raumes, menschliche Handlungen und Entscheidungen aber sind es gerade im Blick auf Ästehtik sicher nicht.
IV. Die Gefahr der Automatisierung kreativer Prozesse
So faszinierend die Nutzung von KI für kreative Aufgaben also auch sein mag, sollten wir uns dennoch fragen, in welche Richtung diese Entwicklung führt. Ein eindrucksvolles Zitat der in den USA lebenden Autorin Johanna Maciejewska verdeutlicht dies:
„I want AI to do my laundry and dishes so that I can do art and writing, not for AI to do my art and writing so that I can do my laundry and dishes. /
Ich möchte, dass die KI meine Wäsche und meinen Abwasch erledigt, damit ich Kunst machen und schreiben kann, und nicht, dass die KI meine Kunst und mein Schreiben erledigt, damit ich meine Wäsche und meinen Abwasch machen kann.“
Dieses Zitat stellt die zentrale Frage: Wollen wir wirklich die kreativen Aufgaben – die Dinge, die traditionell als „menschlich“ gelten – an Maschinen abgeben, während wir uns selbst den alltäglichen, oft als langweilig empfundenen Aufgaben widmen? Die Gefahr, die Maciejewska hier anspricht, ist real: Wenn Künstliche Intelligenz zunehmend kreative Aufgaben übernimmt, wird dadurch die menschliche Kreativität auch teilweise zurückgedrängt. Das könnte bedeuten, dass wir uns bald in einer Welt wiederfinden, in der KI Teile der Kunst übernimmt, während (vor allem arme) Menschen auf diesem Planeten gezwungen werden, sich mit den monotonen Aufgaben des Alltags auseinanderzusetzen.
V. Was bedeutet das für unsere ZUKUNFT?
Letztlich müssen wir uns fragen, welche Rolle wir der KI in kreativen Prozessen und überhaupt im Rahmen unserer Gesellschaft und Demokratie zugestehen wollen. Auf der einen Seite eröffnet die Nutzung von KI neue Wege der Kunstproduktion und macht kreative Tools für eine breitere Masse zugänglich. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die kreative Freiheit der Menschen zu stark eingeschränkt wird und wir uns immer mehr an von Algorithmen bestimmte ästhetische Standards gewöhnen. Dennoch kann auch nachdrücklich behauptet werden, dass Kreativität und Intelligenz zutiefst menschliche Charakterzüge darstellen und – nur um einen sehr hohen Preis – zur Gänze digitalisiert werden können.
VI. Conclusio
Die Entscheidungen, die – nur scheinbar – von der KI getroffen werden, sind also keineswegs neutral und verweisen auf die menschlichen Triebfedern der Akteur*innen bzw. Programierer*innen zurück. Dennoch hat die mit Menschen verknüpfte Virtualität das Potenzial, unser kulturelles Verständnis von Kunst, Ästhetik und sogar gesellschaftlichen Normen zu beeinflussen. Und so bleibt die entscheidende Frage: Werden wir in ZUKUNFT unsere Kreativität an KI abgeben können und wenn ja, in welchem Maße und welcher Intensität? Oder werden wir die Technologie nutzen, um uns selbst von monotonen Aufgaben zu befreien und mehr Raum für kreatives Schaffen zu gewinnen?
BERND HERGER
studierte Wirtschaftsinformatik an der WU Wien und ist aktuell Mitarbeiter der Wiener Bildungsakademie und Mitglied der SPÖ Seestadt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er aktiv in den internationalen Netzwerken River // Cities und Scotland in Europe. Er ist seit 2006 Obmann des Fußballvereins Dynamo Donau und lebenslanger Fan des SK Rapid Wien. Er ist ehrenamtlich als Onlineredakteur und KI-Experte der ZUKUNFT engagiert.
ALESSANDRO BARBERI
ist Chefredakteur der Fachzeitschriften ZUKUNFT (www.diezukunft.at) und MEDIENIMPULSE (www.medienimpulse.at). Er ist Historiker, Bildungswissenschaftler, Medienpädagoge und Hochschuldozent. Er lebt und arbeitet in Magdeburg und Wien. Politisch ist er im Umfeld der SPÖ Bildung und der Sektion 32 (Wildganshof/Landstraße) aktiv. Weitere Infos und Texte online unter: https://medienbildung.univie.ac.at/.