In ihrem Review Essay beschäftigt sich BIANCA BURGER mit der Frage nach der Zukunft des Lesens. Die Stimmen, welche vor einem Verfall dieser Kulturtechnik warnen, werden immer lauter. Schuld an diesem Umstand soll vor allem die zunehmende Digitalisierung sein, die geradezu als Feind des Intellekts gesehen wird. Dass diese Abwehrhaltung kontraproduktiv ist, wird im folgenden Text schnell deutlich. Burgers Ausführungen kreisen unter anderem um lesende Madonnen, neuen Studienrichtungen, die Digitalisierung und YouTube …
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Lesen und Schreiben zählen zu den elementarsten Kulturtechniken, die unser gesamtes Leben auf unterschiedlichste Art und Weise durchdringen. Seit Längerem gibt es jedoch Stimmen, die auf Grund der zunehmenden Digitalisierung vor einem Verlust bzw. einem Rückgang des Lesens und von Büchern warnen. Eine Tagung, die 2018 in München zum Thema Wie wir lesen – Zur Geschichte, Praxis und Zukunft einer Kulturtechnik stattfand, beschäftigte sich genau mit dieser Frage. Die Inhalte der Tagung werden nun in einer auf zehn Bände angelegten Reihe veröffentlicht. In diesem Review Essay mit Denkanstößen, warum die Digitalisierung nicht nur Fluch, sondern Segen sein kann, stehen die Abhandlungen von Werner Sollors zur Schrift in Bildender Kunst. Von ägyptischen Schreibern zu lesenden Madonnen und Klaus Beneschs Gedanken zum Mythos Lesen. Buchkultur, Geisteswissenschaften im Informationszeitalter, im Mittelpunkt.
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Dass das Buch heute einen anderen Stellenwert genießt, als dies in früheren Jahrhunderten der Fall war, ist unumstritten. Lange Zeit waren gut gefüllte Bücherregale Statussymbole der intellektuellen Elite. Heute hat dies Seltenheitswert und ist in Privathäusern rar gesät. Wie wichtig Bücher einst waren und welche Symbolkraft sie hatten, zeigt sich an bildlichen Darstellungen. Werner Sollors Essay geht nicht nur der Frage nach, wie sich Text, Buch und Bild zueinander verhalten, sondern erörtert, was passiert, wenn in Bildern oder auch bei Objekten, Worte, Texte bzw. Bücher abgebildet sind, und ob es beispielsweise einen Unterschied macht, wenn die Schrift im Bild lesbar ist oder nicht.
Besonders häufig finden sich lesende Figuren in biblischen Darstellungen. Eine fast schon klassische Szene, in der das Buch und das Lesen eine prägende Rolle einnehmen, sind Verkündigungsdarstellungen. Seit Mitte des 9. Jahrhunderts wird Maria dabei überwiegend lesend gezeigt, obwohl sich in der Heiligen Schrift kein Hinweis dazu findet, dass Erzengel Gabriel sie lesend bzw. mit einem Buch vorfand. In Darstellungen vor 860 ist dem auch nicht so; in Bildern vor dieser Zeit wird die Mutter Gottes am Spinnrad sitzend gezeigt. Zurückzuführen ist diese Veränderung in der Darstellungstradition, von Maria am Spinnrad hin zur lesenden Maria, auf das Evangelienbuch von Otfried von Weißenburg aus dem 9. Jahrhundert: er hat die Mutter Jesu’ in seinem Gedicht geadelt, was durch das Buch als Symbol deutlich wird – von der ehemals armen Näherin, hin zu einer Edeldame, die lesen kann.
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Lesende Frauen-Figuren sind nicht nur Darstellungen aus der Bibel vorbehalten, es gibt sie ebenso in Bildern mit weltlichen Motiven. Jedoch lesen die weiblichen Protagonistinnen, beispielsweise bei Jan Vermeer, keine Bücher oder biblische Texte, sondern häufig Briefe. Was sowohl für weltliche, als auch religiöse Darstellungen gilt, ist, dass die Lesbarkeit der Worte oftmals absichtlich vermieden wurde, um dem/der Betrachter*in das Gefühl zu vermitteln, den Text mit den Augen eines/einer Analphabeten/Analphabetin zu sehen.
Wie aber finden nun Texte oder einzelne Wörter Eingang in die Kunst? Dies geschieht auf unterschiedlichste Art und Weise und beschränkt sich nicht immer auf das Bild direkt. Entweder wird ein geöffnetes Buch gezeigt, das auch noch leer sein kann, oder Worte am Bildrand, die das Dargestellte sowohl stören als auch unterstreichen können, aber auch Bildtitel oder begleitende Texte zählen dazu und können das Verständnis eines Bildes erheblich beeinflussen – genauso wie die Rahmenbedingungen beim Lesen Einfluss auf die Rezeption haben; es macht einen Unterschied, ob man selbst liest, vorgelesen bekommt oder im Rahmen eines Seminars liest.
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Während das Buch sowie das Lesen also seit frühester Zeit ihren Niederschlag auch in der Kunst gefunden haben, wird heute, wie bereits erwähnt, immer öfter von einer Krise der Buch- bzw. Lesekultur gesprochen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass wir uns in einer gespaltenen Welt befinden: auf der einen Seite hat sich das Lesen auf so viele Bereiche des Lebens ausgedehnt, Twitter, Facebook, Blogs, Filme bzw. die Drehbücher dazu, auf der anderen Seite wird immer weniger Zeit dafür aufgewendet und die Aufmerksamkeit mit der gelesen wird, nimmt ab.
Die Schuldigen für dieses Dilemma sind ebenfalls schnell ausgemacht: Streamingplattformen und soziale Medien sollen für den Untergang dieser Kultur(technik) verantwortlich sein. Aber ist dem wirklich so? Klaus Benesch zitiert in seinem Essay zum Mythos des Lesens den Text How to read von Ezra Pound aus dem Jahre 1929. Dieser stellt bereits zu diesem Zeitpunkt, Ende der 1920er–Jahre, fest, dass solch eine Krise schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehe. Also trifft Facebook, Netflix und Co. doch keine Schuld?
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Gleich zu Beginn können wir festhalten: Lesen unterliegt und unterlag seit jeher einem Anpassungsprozess an die Gegebenheiten. Schreiben und Lesen sind in einem ständigen Umbruch – denken wir nur an all die heute nicht mehr gebräuchlichen und teilweise nur schwer oder gar nicht mehr lesbaren (Hand-)Schriften. Auch wir schreiben heute sehr selten noch per Hand, oder wann haben Sie zuletzt einen handgeschriebenen Brief per Post verschickt?
Unabhängig davon, um welche Art der Neuerung/Veränderung es sich handelt, man begegnet ihr immer mit großer Skepsis. Als sich Anfang des 19. Jahrhunderts die Zahl der Bücher auf dem Markt exponentiell vergrößerte, wurde die Kritik an der immer größer werdenden Titelvielfalt und Auflagenhöhe, gerade vonseiten der „Kultivierten“, immer lauter. Die Konsequenz war ein verändertes Leseverhalten. Leser*innen haben begonnen sich auf bestimmte Genres zu konzentrieren und/oder viel oberflächlicher zu lesen. Ein Buch wurde nun nicht mehr studiert oder mehrfach gelesen, was für die intellektuellen Eliten dieser Zeit ein Affront sondergleichen war. Lange Zeit war eine gut gefüllte Bücherwand mit literarischen Klassikern eine Art Statussymbol und Wenigen vorbehalten. Diese Zuschreibung, wonach Lesen und Bücher etwas Elitäres sind, ist in Zügen bis heute präsent. Dabei ist gerade dies ein Trugschluss. In kaum einer Zeit war der Zugang zu Büchern so leicht möglich wie heute und es wird auch sehr viel gelesen, nur eben nicht mehr ausschließlich Bücher.
Die Menschen lesen also nicht weniger, aber sie greifen erst in letzter Instanz zum Buch. Nämlich dann, wenn uns die Fülle an digital zugänglichem Material überfordert. Vorausgesetzt wir gehen davon aus, dass Lesen nicht nur als Freizeitbeschäftigung, sondern als Teil der wissenschaftlichen Arbeit gesehen wird. Wo Benesch hier die Grenze zieht, wird nicht immer ganz deutlich. Ein Aspekt, der für beide Arten nicht außer Acht gelassen werden darf und sicherlich mitentscheidend für die sich verändernde Lese- und Buchkultur ist, ist jener der Zeit. Sowohl das Schreiben von Büchern, als auch deren „Studium“ erfordert Zeit – je nachdem sogar sehr viel Zeit, die viele in unserer hektischen Welt nicht haben oder nicht aufbringen wollen. Es ist (manchmal auch nur scheinbar) zeitsparender mittels Suchmaschinen nach Unterlagen oder Büchern zu suchen und wer war nicht schon froh darüber, dass sich PDF-Dateien leicht und schnell nach Stichworten durchsuchen lassen?
Wir befinden uns in einem steten Wandel, die Augen davor zu verschließen, hält diesen nicht auf und macht ihn auch nicht ungeschehen. Das Lesen ist nicht verloren gegangen und es wird nicht verloren gehen – es wird sich nur weiter verändern, anpassen und neue Erfahrungen mit sich bringen. Benesch führt in seinem Essay das Beispiel einer Kolumnistin an, die Marcel Prousts Werk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit auf ihrem Smartphone las. Ihre Leseerfahrung war dabei eine ganz besondere, weil es eine noch stärkere Entschleunigung mit sich brachte, als es beim traditionellen Lesen ohnehin der Fall ist.
MARCEL PROUST
AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT
Berlin: Suhrkamp
5200 Seiten | € 49,95
ISBN: 978-3518468302
Erscheinungstermin: September 2017
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Wie bereits angesprochen, hat ein neues Leseverhalten auch Auswirkungen auf Berufsstände und Wissenschaften. Als Beispiel können die Geisteswissenschaften und hier vor allem die Geschichtswissenschaft herangezogen werden. In ihren Reihen wird vorwiegend für das klassische, universitäre, kritische Lesen plädiert, liegen doch viele der Forschungsgegenstände oftmals nur in Buchform oder als Zeitschriftenaufsätze vor und lassen sich folglich nur lesend erschließen. Im Bezug darauf wirft Benesch jedoch die Frage auf, was passieren würde, wenn sich die Geisteswissenschaften weniger über die Lektüre der Texte und viel mehr über einen öffentlichen Ideenaustausch definieren würden. Eine, wie ich finde, absolut berechtigte Frage. Hat die Geschichtswissenschaft nicht ein ähnlich verstaubtes Image wie das Lesen?! Um diesem Umstand beizukommen, gilt es, sich zu öffnen, an die Öffentlichkeit zu treten und Forschung bzw. ihre Ergebnisse für alle zugänglich zu machen. Dies beginnt nicht zuletzt bei der Sprache. Texte, die überhäuft sind mit Termini, die es erfordern, selbst studiert zu haben, werden wieder nur einer kleinen Gruppe offen stehen. Einen ersten Schritt in Richtung Öffnung hin zur Allgemeinheit unternimmt das neue Feld der „public humanities“. In ihren Reihen gibt es eine Konzentration auf die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Es erfolgt eine kritische Bestandsaufnahme der eigenen Forschung und es wird versucht, die Zirkulation des Wissens innerhalb der Universitäten, aber auch der Gesellschaft, zu intensivieren. Die „public humanities“ sind ein groß angelegtes, fächerübergreifendes Outreach Programm, in dem sich Studierende und Universitätslehrer*innen mit nicht-akademischen Expert*innen zusammenschließen, um damit den Dialog mit der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Dieses neue Programm ist derzeit (leider) erst im anglo-amerikanischen Raum vertreten, aber die Geschichtswissenschaft in unseren Breitengraden sollte etwas Vergleichbares ebenso wagen – hinaus aus den elitären Hörsälen, hin zu den Menschen, ganz nach dem Motto und frei nach August Bebel: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.
Wie also kann die Digitalisierung die Geisteswissenschaften im Allgemeinen und die Geschichtswissenschaft im Speziellen bei diesem Schritt bzw. in der Lehre ganz allgemein unterstützen? Die Augen zu verschließen und darauf zu hoffen, dass es einen Retrotrend gibt, ist sicherlich der falsche Weg. Es geht nicht darum einzelne historische Ereignisse mit Likes oder Dislikes bzw. Emojis zu kennzeichnen oder zu bewerten. Aber wäre es nicht von Vorteil, wenn die geleistete (wissenschaftliche) Arbeit nicht nur für einen kleinen Kreis greifbar wäre, sondern über die Grenzen hinaus? Und wie fruchtbar eine verstärkte, internationale Zusammenarbeit sein kann, muss hier nicht extra betont werden. Die Digitalisierung würde die Chance bieten, diese Art der Kooperation zu verstärken, jedoch wird sie noch viel zu selten genutzt – um es wohlwollend auszudrücken.
Um eine möglichst große Bandbreite an Leser*innen, Schüler*innen, Student*innen zu erreichen und den Austausch untereinander zu intensivieren, darf der digitale Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen nicht als etwas Negatives oder Bedrohliches abgetan werden. Sehen wir es doch viel mehr als Chance – als Chance zur besseren, internationaleren Zusammenarbeit, als Chance mehr Menschen zu erreichen, als Chance neue Denk- und Lernmuster zu entwickeln. Die sich ergebenden Möglichkeiten müssen genutzt werden, um die Wissensvermittlung auf neue, moderne Füße zu stellen. Bücher und alles was damit verbunden ist, sind nicht mehr die einzigen Bestandteile der kognitiven Verständigung innerhalb einer Gesellschaft und dies gilt es zu verstehen und umzusetzen.
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Als Beispiel dafür, wie die zunehmende Digitalisierung in der Lehre genutzt werden kann, aber auch wie viel Aufholbedarf es gibt, hat sich in der Corona-Krise gezeigt. Plötzlich musste der Präsenzunterricht dem sogenannten „Distance-Learning“ weichen. Ohne Zweifel eine Form, die noch weiter durchdacht werden muss, da auch viele Schüler*innen nicht erreicht werden konnten und sich wieder einmal die Spaltung in der Gesellschaft gezeigt hat – auf der einen Seite Eltern, die es ihren Kindern ermöglichen können, mit dem eigenen Notebook zu lernen und auf der anderen Seite jene, für die es nicht leistbar ist. Von Raumnöten und Zugang zum Internet einmal abgesehen.
Nichtsdestotrotz hat man hier gesehen, welches Potenzial in der Digitalisierung hinsichtlich des Unterrichts bereits für Schüler*innen aber auch Student*innen steckt, obwohl an der Universität der Einsatz digitaler Lehre zumindest ansatzweise bereits vorher etabliert wurde. Distance-Learning alleine wird (noch) nicht die Zukunft sein. Es wird eine Kombination beider Unterrichtsformen geben müssen und dabei sollte nicht nur der digitale Unterricht, sondern vor allem auch die Präsenzlehre dringend verbessert und an die heutige Zeit angepasst werden. Es muss und soll (noch) gar nicht ohne das gedruckte Buch unterrichtet werden, aber andere Formen haben ebenso ihre Daseinsberechtigung und je mehr sich die Lehre in die Lebensrealität der Schüler*innen und Student*innen einfügt, umso nachhaltiger wird der Unterricht sein. Warum nicht auch einmal ein YouTube-Video im Klassenzimmer zeigen, können manche YouTuber*innen komplizierte Sachverhalte doch besser erklären, als die eine oder andere Lehrperson …
Schauen wir genauer hin bietet es sich doch geradezu an, moderne und klassische Lehrmethoden sowie Medien zu verbinden. Warum soll das kritische Lesen beispielsweise nicht auch in Form von Beiträgen im Internet und nicht ausschließlich am Buch geübt werden? Der Mehrwert ist offensichtlich: neben einer elementaren Fähigkeit, wie dem kritischen Lesen, wird gleichzeitig der Umgang mit digitalen Medien und Informationen aus dem Netz gelernt.
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Wie sich zeigt, hat jedes Medium seine ganz eigenen Vorzüge und damit Daseinsberechtigung. Das eine soll nicht dem anderen weichen, sondern ergänzen. So, wie es bereits bei Bild und Text bzw. Bild und Buch der Fall war. Blicken wir auf die heutigen Medien, sehen wir, dass auch hier Bücher, Texte, Lesen oder das Schreiben Eingang finden. So gibt es zum Beispiel Filme und Serien, die sich rein um das Schreiben (bspw. die Kultserie Sex and the City oder die von Netflix produzierte Serie Valeria) und Bücher (bspw. Tintenherz oder Die Bücherdiebin – gerade diese beiden Filme zeigen, welche Macht Bücher haben können und dass sie uns die Flucht in andere Welten ermöglichen) drehen, oder in denen das Lesen (zum Beispiel Der Club der toten Dichter und Der Vorleser) an sich eine große Rolle spielt. Dass einige dieser hier genannten Serien und Filme, Romanverfilmungen sind, unterstützt die Tatsache, dass jedes Medium seine Vor- und Nachteile hat. Denn, wenn man ganz ehrlich ist: die meisten Verfilmungen erfüllen die Erwartungen der Leser*innen nicht – weil die Medien Buch und Film eben anders funktionieren, sie können sich jedoch sehr gut ergänzen. Abgesehen davon, zeigt die Filmbranche, wie man auf die zunehmende Digitalisierung reagieren kann – mittels Streaming erreicht sie ein noch größeres Publikum, als dies rein durch das Kino oder das TV möglich wäre. Dadurch ergibt sich beispielsweise die Möglichkeit in Österreich Serien und Filme aus Ländern wie Israel, Spanien, Portugal etc. zu sehen, die es auf „normalem“ Weg wahrscheinlich nie ins Fernsehprogramm oder in die großen Kinos geschafft hätten.
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Von der lesenden Madonna, hin zu Filmen, in denen Bücher, das Schreiben oder Lesen an sich Hauptbestandteil sind – eigentlich hat sich in der bildlichen Repräsentation dieser Kulturtechnik wenig verändert, rein das Medium in dem dies geschieht und an das die Darstellung angepasst wird. Lesen ist und bleibt elementarer Bestandteil unseres Alltags, genauso wie das Schreiben.
Unbestritten ist jedoch, dass der Stellenwert des Buches abgenommen hat. Wollen wir wieder mehr Menschen zum Bücherlesen – nicht nur in gedruckter, sondern auch in digitaler Form – bewegen, müssen Literatur, Kultur und alles was damit im Zusammenhang steht, von ihrem exklusiven, elitären Charakter befreit werden. Es muss und soll Allgemeingut sein, so wie es andere Medien eben auch sind. Klassisches in die Gegenwart zu überführen, anzupassen und zu ergänzen, die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale zu unterstreichen sowie hervorzuheben, das sollte unser Bestreben sein. Wie auch Lehmann/Hempel im vorliegenden Heft betonen, sollten wir Zusammenhänge in der Welt, mit den sich uns bietenden Mitteln sichtbar machen.
Wir müssen die Chance(n) nutzen, die uns die Digitalisierung bietet, um den Anschluss an die Lebensrealität nicht zu verlieren. Oder, um noch einmal auf den Text von Lehmann/Hempel zu verweisen: Uns steht mit der Quantenmechanik eine neue Revolution bevor, während wir noch mit schlechter Internetverbindung kämpfen.
Steht die Lese- und Buchkultur nun vor dem Untergang? Ich würde dies verneinen, sondern davon sprechen, dass das Lesen ein PR-Problem hat, das es zu lösen gilt; es muss von den althergebrachten Institutionen und Denkmustern entkoppelt werden, damit es irgendwann nicht doch heißt: Es war einmal das Lesen …
Literatur
- Benesch, Klaus (2020): Mythos Lesen. Buchkultur, Geisteswissenschaften im Informationszeitalter, Bielefeld: Transcript.
- Sollors, Werner (2020): Schrift in Bildender Kunst. Von ägyptischen Schreibern zu lesenden Madonnen, Bielefeld: Transcript.
BIANCA BURGER ist Redaktionsassistentin der ZUKUNFT und hat sich nach ihrem geisteswissenschaftlichen Studium der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der historisch-kulturwissenschaftlichen Europaforschung in den Bereichen der Sexualaufklärung und der Museologie engagiert.
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