Der Pogrom vom Siebten Oktober 2023, die Schuldanklage gegenüber Israel und die Gewaltspirale – eine pessimistische Betrachtung –VON BARBARA SERLOTH

Der Beitrag von BARBARA SERLOTH präsentiert genau ein Jahr nach dem grauenvollen Pogrom vom Siebten Oktober 2023 eine eingehende Analyse aktueller Formen des Antisemitismus im Blick auf den sog. Nahost-Konflikt und verweist dabei u. a. auf die eminente Gefahr des islamistischen Terrorismus für unsere wehrhafte westliche Demokratie.

I. Einleitung

Der Schock über den Pogrom vom Siebten Oktober ist auch der Schock über das Unvorstellbare an Menschenverachtung, die unverhohlene Freude an der Ermordung von Israelis, die Pogromstimmung im Gazastreifen und die darauffolgenden globalen islamistischen bis links-islamophilen antisemitischen Machtdemonstrationen und Sympathiebekundungen mit den brutalen Mördern.[1] Aber es ist auch der Schock über die Rückkehr des überwunden geglaubten, gewalttätigen Antisemitismus samt seiner Versteher*innen und Erklärer*innen und einer um sich greifenden beinahe selbstverständlichen antidemokratischen Grundhaltung bis hin zur Terrorverherrlichung. Die tiefe Verunsicherung für Juden, Jüdinnen und für die westliche Demokratie sind zurück, das mangelnde Interesse daran auch. Es ist viel zu diskutieren, widmen wir uns in diesem Beitrag also nur einigen Aspekten, die wir skizzenhaft vor Augen führen wollen.

II. Israel. Eine Korrespondenz – 21 Jahre nach der Erstveröffentlichung betrachtet

Einen interessanten Diskursbeitrag zur Aufarbeitung des Unvorstellbaren bot unter anderem die Wiederauflage des Buches Israel. Eine Korrespondenz, in dem der israelische Soziologe Nathan Sznaider und der deutsche Schriftsteller und habilitierte Orientalist Navid Kermani ihre E-Mail-Kommunikation über Israel festhielten. Es ist der Versuch zweier befreundeter Intellektueller mit divergierenden Ansichten über die israelisch-palästinensische Problematik zu kommunizieren. Nach dem Pogrom von 2023 veröffentlichten sie den 21 Jahre alten E-Mail-Briefwechsel noch einmal, womit sie einen Gedankenaustausch ohne die Belastung der unmittelbaren Betroffenheit durch das menschenverachtende Gemetzel vorlegten. Ein inspirierender Ansatz hätte sich dadurch ergeben können. Allerdings wäre eine edierte Fassung der ursprünglichen Konversation erforderlich gewesen, die den Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen, den Terrorereignissen der letzten 21 Jahre und der Reaktion Israels Rechnung trägt. Dies wäre von entscheidender Bedeutung gewesen, um die historische Kommunikation im Kontext der aktuellen Problemlage zu verstehen und eine schwebende Verbindung zwischen der historischen Konfliktsituation und der aktuellen herzustellen. Aber sehen wir uns den Briefverkehr im E-Mail-Format an.

VON NAVID KERMANI UND NATAN SZNAIDER
ISRAEL. EINE KORRESPONDENZ
München: Hanser
64 Seiten | € 10,30 (Gebundenes Buch)
ISBN: 978-3-446-28070-0
Erscheinungstermin: 20.11.2023

Die Positionen von Sznaider und Kermani liegen mitunter weit auseinander, man versucht die unterschiedlichen Standpunkte zu verstehen, auch wenn nur das Verstehen des Nicht-Verstehen-Könnens bleibt. Sznaider antwortet Kermani in einer E-Mail:

„Ich weiß ja, dass Sie recht haben und die Besatzung aufhören muss. Aber wer sagt, dass dann der Terror tatsächlich aufhören würde?“[2]

Wie bereits erwähnt, die Kommunikation wurde vor 21 Jahren geführt. Die Erfahrungen waren um diesen Zeitabschnitt ärmer, was dazu führt, dass die Fragen zwar noch immer aktuell sind, jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch realistische Lösungsmöglichkeiten vor Augen standen, die in der Zwischenzeit diskreditiert wurden.

Die Gefahr, dass der Terrorismus nicht endet, wenn ein Land gegen Frieden eingetauscht wird, besteht bis heute fort. Das Risiko, dass der Terror nicht aufhört, wenn Land gegen Frieden getauscht wird, hat zweifelsfrei und ausschließlich die israelische Seite zu (er)tragen. Den Erfahrungen mit der Lösung Land gegen Frieden wird in Israel zurecht mit Skepsis begegnet, was sich aus der Geschichte des Landes ableitet. Kermani könnte jedoch heute kaum mehr erklären: „Die Palästinenser haben sich längst mit Israel abgefunden“. Vergegenwärtigen wir uns dementgegen, dass die im Gazastreifen seit Jahren alleinherrschende Terrororganisation Hamas in ihrer Charta nach wie vor den Gebietsanspruch auf das Territorium von „Palästina“ nach dem britischen Mandat erhebt. Zur Erklärung: 2003 war Jassir Arafat noch Präsident der palästinensischen Autonomiebehörden, Führer der PLO und lebte bis zu seinem Tode 2004 in Ramallah. In aller Kürze sei daran erinnert, dass im Jahr 2006 die bislang letzten Wahlen im palästinensischen Gebiet abgehalten wurden, bei denen die Hamas im Gazastreifen siegte. Dies führte zu heftigen Machtkämpfen zwischen der regierenden Fatah und der aufstrebenden Hamas, die 2006 in einem wenige Tage dauernden, jedoch intensiven Bürgerkrieg endeten. In der Folge gelang es der Hamas, die Fatah zu besiegen und zu vertreiben. Obgleich zwischen beiden palästinensischen Gebiete eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten festzustellen ist, divergieren die Lebensbedingungen in signifikantem Maße. Auch dies spielt nach dem 7. Oktober eine Rolle.

III. From the River to the Sea?

In seinem 2024 veröffentlichten Buch Die Jüdische Wunde wird Sznaider deutlicher. Israel sei die partikulare jüdische Lösung für ein partikulares jüdisches Problem und verweist darauf, dass die Hamas „mit ihren Terrorangriffen die jüdischen Urängste schüren“[3] will. Die jüdischen Urängste basieren auf den Jahrtausende alten Erfahrungen in der Diaspora, dem Leben zwischen kurzen friedlichen Lebensphasen, der Gewissheit von plötzlich ausbrechenden Pogromen, den Morden, der Vertreibung und der Ausbeutung durch die Herrschenden, ihren Profiteuren und dem mordbereiten Mob. Heruntergebrochen auf die aktuelle Situation seit der Shoah, dem post-nazistischen Antisemitismus in Europa und dem menschenverachtenden Stalinismus, ergibt sich erneut die Bedrohung durch Vernichtung und Vertreibung (angesichts der arabischen Staaten).

Die politische Forderung From the River to the Sea beinhaltet eine unmissverständliche Deklaration der Bestrebung nach der Elimination Israels. Eine Kontextualisierung erfolgt durch einen Blick auf die Landkarte: From the River to the Sea ist kein Nebengeräusch auf Demonstrationen, sondern ein vernichtungsantisemitischer Aufruf inklusive der Vertreibung zumindest der israelischen Juden. In der gegenwärtigen antisemitischen, philo-islamistischen Welle wird diese offenbar als autochthone, folkloristische Redewendung der palästinensischen Bevölkerung gegenüber Fremden interpretiert. Ob die Erklärung von Léon Igel in seinem Artikel vom 14. Dezember 2023 in der NZZ, Maha Nasser habe bereits 2018 darauf hingewiesen, dass damit die Forderung nach gleichen Rechten gemeint sei, hilfreich ist, darf bezweifelt werden.[4] Nasser schrieb 2018 mehr als deutlich, dass die Palästinenser*innen ihr Heimatland als unteilbar verstehen,[5] wodurch sie die Vernichtungs- und Vertreibungsstrategie der Palästinenser*innen nur bestätigte. Bei der Lösung des Problems hilft es indes keinesfalls, die Absichten der Hamas schön zu reden. Die grausamen Fakten müssen akzeptiert werden, wie sie sind.

So schrieb Sznaider bereits nach den brutalen Terroranschlägen Anfang 2003 im Zentrum Tel Avivs gänzlich desillusioniert:

„So selbstlos kann ich leider nicht sein, wenn plötzlich die eigene Existenz auf dem Spiel steht. Ich habe mir ihre Rahmenbedingungen aufdrücken lassen, ‚it’s either us or them‘. Und plötzlich wurde aus ‚mir‘ ein ‚uns‘, und ich war erfüllt von einer Mischung aus Hass und Angst. Sie hörten damit auf, unschuldige Opfer zu sein, sie wurden zu schuldigen Tätern. Ich konnte auch nicht mehr länger die Vorstellung akzeptieren, dass es nur von ‚uns‘ abhängig ist.“[6]

Welche Reaktionen auf Israels Seite erwarten mithin der Westen, die arabischen Staaten sowie die UNO nach dem Pogrom von 2023? Der Pogrom hat grundlegende und irreparable Veränderungen herbeigeführt, obgleich eine Friedenslösung weiterhin denkbar wäre. Aus politischer und rechtlicher Perspektive ist es unmöglich, Israel zur eigenen Elimination zu zwingen. In Konsequenz bleibt vor allem die politische Druckausübung durch die bekannten Unterstellungen gegenüber Israel und der Versuch, seine weitere Isolation zu fördern, von Relevanz. Aber was bringt dies wirklich außer einer gewissen Selbstverwirklichung an Universitäten, einer gefährlichen Entdemokratisierung künftiger geistiger Eliten und einem ausgeprägten Wohlfühlfaktor für die Hamas-Führer und ihren Aktivist*innen bzw. Unterstützer*innen?

IV. Eine legitime Widerstandsbewegung?

Die Hamas kann sich ihrerseits wahrlich nicht als „Widerstandsbewegung“ definieren, darf also auch nicht „von außen“ als solche begriffen werden. Denn diese Interpretation der Deklaration ihrer Charta war immer schon gänzlich faktenbefreit. Wie will sie ein unschuldiges „Opfer“ sein, dass sich nur wehrt? Die weiterbestehende Verharmlosung der Terrororganisation und ihrer Taten wurde auf akademischem Boden z. B. durch die Critical Whiteness Theory und den Postkolonialismus, die wir keineswegs als verifizierbare „Theorien“ ansehen können, verankert. Historische Ereignisse werden in dieser Interpretation als Okkupation gedeutet, wobei Israel als ein in ein staatliches Gebilde gegossenes Konstrukt dieser Okkupation verstanden wird. Infolgedessen werden Juden als Okkupatoren begriffen, die in das palästinensische Gebiet einwanderten und dabei einen kolonialen Staat gebildet hätten, der zudem mit einem Apartheidsystem assoziiert wird. Diese Argumentation negiert die grundsätzliche Existenzberechtigung des Staates Israel,[7] indem die historischen Begriffe wie Okkupation, Kolonialstaat und Apartheid aus ihrem historischen und politischen Kontext gerissen und agitatorisch verwendet werden.

Nun steht außer Frage, dass Juden in das britische Mandatsgebiet Palästina einwanderten. Genauso waren Juden allerdings in diesem Gebiet schon davor ansässig. Ähnliches gilt für die palästinensischen Araber. Die Frage ist, warum die Täter-Opfer-Umkehr – nach der die Hamas als „Widerstandsbewegung“ und ihre (Un)Taten als „legitime“ Reaktionen erscheinen – so leicht akzeptiert wird. Dementgegen hat bereits eine wichtige – im Umfeld der Arendt-Forschung jüngst wieder publizierte – Studie aus dem Jahre 1947 unter Führung von Abba Lerner festhalten können,[8] dass

„über die Rechtmäßigkeit der Gründung Israels zu debattieren (…) ebenso müßig [wäre B. S.], wie die Legitimität der Gründung einer oder aller arabischen Staaten infrage zu stellen. Man fragt einen Staat nicht nach seinen Zeugnissen oder seiner Geburtsurkunde. Sowohl Israel als auch die arabischen Nationen sind international anerkannte Staaten und Mitglieder der Vereinten Nationen“[9].

Damit wurden die Fakten, die aktuell hinsichtlich Israels erneut infrage gestellt werden, vor Jahrzehnten in ihrer zu akzeptierenden Logik und Rechtsverankerung festgehalten. Damit stellt sich zwangsweise die Frage, aus welchem Grund nur einem Staat in der internationalen Staatengemeinschaft immer wieder und auf globaler Ebene die Existenzberechtigung abgesprochen werden kann, ohne einen internationalen Aufschrei erwarten zu müssen, also auch ohne völkerrechtlichen Verweis, dass die Anerkennung des Staates Israel irreversibel ist. Wie verhält sich diese Selbstverständlichkeit mit der globalen Selbstberechtigung einiger Vertreter*innen des Postkolonialismus, die Juden das legitime Recht auf die Staatenbildung Israels absprechen wollen, welche eindeutig in die damaligen diplomatischen und politischen Absprachen eingebettet war?

Es scheint, das selbstverständliche Existenzrecht Isabels ins Zentrum der Frage der Gleichbehandlung aller Staaten zu rücken. Damit geht die nächste Frage einher: Wie wollen jene, die Israel die Existenzberechtigung absprechen, einen der Grundpfeiler der Rechtswissenschaft, die Rechtssicherheit handhaben?

Ein zentrales Problem bleibt dabei die Frage, wie der Postkolonialismus mit seinem offenen, teilweise radikalen Antisemitismus und neuem Rassismus zu einem maßgeblichen Einflussfaktor in Wissenschaft und Kunst werden konnte. Lässt sich die Attraktivität des neuen Rassismus, der sich nun gegen Weiße oder als solche wahrgenommenen Individuen richtet, als ein maßgeblicher Faktor identifizieren? Lässt sich die Attraktivität des neuen Rassismus möglicherweise mit seiner Eignung zur Förderung einer Karriere in Wissenschaft und Kunst erklären?? Oder ist er bloß – in den einschlägig radikal antizionistischen Kreisen – Schick und ein Ableger des von Jean Améry so grandios demaskierten ehrbaren Antisemitismus?[10]

VON JEAN AMÉRY
DER NEUE ANTISEMITISMUS
Stuttgart: Klett-Cotta
128 Seiten | € 18,50 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3768198288
Erscheinungstermin: 13. Januar 2024

Die Botschaften, die sowohl von der Hamas und ihrem Umfeld als auch von Postkolonialist*innen verbreitet werden, greifen auf antisemitische Legenden und Mythen zurück, die seit Jahrzehnten bis Jahrhunderte die Gerüchte über Juden nähren und im globalen Gedächtnis problemlos abrufbar sind. Dies suggeriert im Antisemitismus eine „Wahrheit“ aufgrund der Tradierung über einen sehr langen Zeitraum. So steht etwa der Antisemitismus der Ritualmordlegende vom Anderl von Rinn in einem historischen Zusammenhang mit aktuellen Kindsmordlegenden. Denken wir an die Waffendepots der Hamas unter Schulen und den Verteidigungsangriffen der IDF auf eben diese Schulen im Gazastreifen. Dass Bildungseinrichtungen für die Hamas als Deckung für ihre Waffendepots dienen, wird marginalisiert, so wie der genaue Zeitpunkt und die präzise Strategie der IDF-Einsätze gegen die Hamas in diesen Schulen. Die Botschaft ist aber in beiden Fällen gleich: Juden sind Kindesmörder. Juden werden mithin hier wie dort beschuldigt, die grauenhaftesten Verbrechen zu begehen. Fakten und rationale Argumente würden dieses PR-Bild (der Hamas) bloß stören.

Genauso ist in dieser Bildsprache die Verwendung der Krake, die ein globales Symbol für die vermeintliche Weltherrschaft der Juden in Politik und Wirtschaft darstellt, ein antisemitischer Anker für die „mythologischen Gefahren“, die angeblich von Israel ausgehen. Die Krake kann auch mit dem Bild des alle ausbeutenden Bankiers verbunden werden oder die Hilflosigkeit gegenüber der angeblich so skrupellosen Ausbeutung durch Israel bzw. Juden symbolisieren.

Diese habe bereits mit der unterstellten Okkupation des Gebietes durch Juden begonnen. Die Gründung des Staates Israel erfolgte auf Grundlage eines UNO-Beschlusses, wobei diesem Akt der Staatsgründung vorausgehende diplomatische Verhandlungen zu verzeichnen sind. Die Staatsgründung erfolgte in einem rechtlich und politisch abgesicherten Rahmen, obschon die palästinensisch-arabische Seite die Zwei-Staaten-Lösung sowohl zum damaligen Zeitpunkt als auch in der Gegenwart ablehnt. De facto griffen einen Tag nach der Gründung des Staates Israel, Jordanien, Syrien, Ägypten mithilfe des Irak, Saudi-Arabiens und des Libanons Israel an, wobei sie dabei alles andere als eine einheitliche und miteinander verbundene Politik verfolgten. Die dennoch gemeinsam versuchte Vertreibung der Juden und die Vernichtung Israels gelangen bekanntlich nicht. Das Resultat der innerarabischen Konflikte und der daraus folgenden Politik erinnert, aber deutlich an den Ausdruck des preußischen Historikers Heinrich von Treitschke, der schrieb: „Die Juden sind unser Unglück“.

Aber fokussieren wir uns nicht nur auf die post-kolonialen anti-israelischen Vertreter:innen, sondern widmen uns der ganz normalen Frage „Woher kommt denn die Gewalt?“. Diese stellte vor 21 Jahren auch Kermani, als er erklärte: „Ein Tag als Palästinenser in Hebron, und er[11] wüsste, woher der Terror kommt. Ja, Menschen sind zu Bomben geworden, aber wer hat sie denn dazu gemacht?“[12] Die klare Schuldzuweisung bedarf keiner Differenzierungen. Nun kann man einwenden, dass ein E-Mail-Briefverkehr, wie jener von Sznaider und Kermani, die angesprochenen Probleme nur sehr verkürzt darstellen kann. Aber auch wenn wir dies akzeptieren, bleibt die Frage, ob die Verkürzung auf das Kollektiv der „Israelis“ und jenes der „Palästinenser*innen“ nicht doch einige Aspekte zu viel außer Acht lässt. So fehlt eine wesentliche Frage, die sowohl bei einer Analyse als auch in der Darstellung nicht fehlen darf: Cui bono?

Die Konstellation lässt sich wie folgt darstellen: Auf der einen Seite stehen die Menschen, also die Palästinenser*innen, die zu selbstmörderischen Bomben wurden. Auf der anderen Seite befindet sich der vermeintlich Schuldige, also Israel. Letzteres wird von Kermani als verantwortlich für die Zukunftslosigkeit der Palästinenser*innen dargestellt, was die These zulässt, dass die israelische Politik die Verantwortung für die gegenwärtige Situation trägt. Unter der Prämisse, dass am Spielfeld lediglich diese beiden Kontrahenten agieren, wäre die Durchführung von Selbstmordattentaten jedoch irrelevant. In diesem Szenario wäre kein Individuum, keine Gruppe als Nutznießer zu identifizieren. In Bezug auf die Lösungsfindung ist festzuhalten, dass im Falle eines Zweifels die Präferenz entweder auf monetären Erwägungen oder dem Streben nach Macht liegt. In Bezug auf den Gazastreifen lässt sich feststellen, dass folgende Akteure maßgeblich involviert sind: die PLO, Hamas und Fatah. Ihr Nutzen: Macht und Geld. Eine eindeutigere Motivation, aus Menschen Bomben werden zu lassen, ist wohl schwer zu finden.

VI. Und die Gewalt?

Mit diesem Hinweis ist Israel nicht aus seiner Verantwortung im Falle von Übergriffen oder der Siedlerproblematik entlassen, jedoch sind die zu Unrecht marginalisierten soziopolitischen Puzzleteile, nämlich die islamo-faschistische Sozialisation und Indoktrination der palästinensischen Gesellschaft durch die eigenen islamistischen Herrschenden, nachdrücklich ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Oder, wie Sznaider vor 21 Jahren erklärte:

„Sollen sie ruhig von den Mitgliedern ihrer eigenen Ethnie unterdrückt werden. Das nennt man dann Freiheit. Aber wie kann denn so ein Palästina innerhalb von Gaza und Westbank mit Israel dazwischen wirklich funktionieren?“[13]

Vor allem, wenn die Gewalt und der Terror sich nicht auf die eigene Bevölkerung beschränken, die sich der Terrorherrschaft zumindest nicht verweigert und mittlerweile auch am Siebten Oktober 2023 zum Massenmord an Israelis übergegangen ist.

Nehmen wir an, dass es vor 21 Jahren eine Mischung aus Hoffnungslosigkeit, Wut, Hass auf Israel und der Sozialisation durch faschistische, radikal antisemitische politische Bewegungen war. In der Zwischenzeit gewann die Hamas den palästinensischen Machtkampf. Seit dem Jahr 2007 hatte sie genügend Zeit, mindestens eine ganze Generation in ihrem doktrinären Sinne zu sozialisieren und zu radikalisieren. Wie erwähnt, die Hamas beansprucht das Gebiet From the River to the Sea. Auch wenn es unüblich ist, die Ernsthaftigkeit von Extremist*innen anzuerkennen, ihre Grundsatzdokumente sind Primärquellen. Die Hamas wird sich durch Macht gerade nicht deradikalisieren. Vielmehr wird sie Macht als das verstehen, was sie ist – ein Werkzeug zur politischen Umsetzung der eigenen ideologischen Ziele. Und diese Ziele sind eindeutig von einem eliminatorischen und apokalyptischen Antisemitismus getragen.

So wagt Sznaider sich in seinen Überlegungen hinsichtlich der Lösung des Nahost-Konflikts auf experimentelles Terrain, wenn er einen Minderheitsstatus für Juden und Jüdinnen in einem multiethnischen Staatsgebilde überlegt, bevor er ihn verwirft:

„Dann bleibt noch, was auch einige Palästinenser vorschlagen: Die Juden können eine anerkannte Minderheit im arabischen Raum sein, in einem gemeinsamen multiethnischen und multireligiösen Staat, aber jüdische Souveränität darf es dann nicht mehr geben. Das wird hier keiner zulassen.“[14]

Im Jahre 1943 hat Hannah Arendt in ihrem Artikel Kann die jüdisch-arabische Frage gelöst werden? diese Lösung bereits mit dem Hinweis auf die fatalen Erfahrungen multiethnischer Staaten mit Minderheitenrechten verworfen, da diese „in jüngster Geschichte eine derartig spektakuläre Niederlage erlitten, dass man eigentlich erwarten müsste“[15], dass niemand auf den Gedanken käme, auf diese Möglichkeit als Lösung zurückzugreifen.

Arendt sah, in Zeiten des britischen Mandats die Lösung in Föderationen. Innerhalb der verschiedenen Föderationsmöglichkeiten forderte sie, dass Juden

„einen gleichberechtigten politischen Status erhalten und dass auf Palästina als jüdische Heimstätte besonderes Gewicht gelegt wird.“[16]

VON HANNAH ARENDT
ÜBER PALÄSTINA
München: Piper
347 Seiten | € 22,00 (Gebundenes Buch)
ISBN: 978-3492073196
Erscheinungstermin: 27. Juni 2024

Betrachten wir im Blick auf Sznaider und Arendt deshalb skizzenhaft das Problem des Heimatrechts von Juden und Jüdinnen. In einer komprimierten Form, welche die Gegenpositionen einschließt, lässt sich die Diskussion über das Heimatrecht wie folgt zusammenfassen: Juden zeigen sich, auch aufgrund der politischen Realitäten, kompromissbereit hinsichtlich ihres geschichtlich begründeten, Jahrtausende alten Heimatrechts im Britischen Mandatsgebiet.[17] Die palästinensischen Araber, die ebenfalls innerhalb dieses Gebietes ansässig sind, erheben Ansprüche auf das gesamte Gebiet. Politisch wird dies aufgrund ihres aktuellen Status als Flüchtlinge/Vertriebene als legitim suggeriert. Der Status ist vererbbar. Die Frage nach der autochthonen Bevölkerung sowie der eingewanderten Bevölkerungsgruppe steht im Raum. Für beide Bevölkerungsgruppen kann ein doppeltes Ja konstatiert werden. So weit so einfach. Eine weitere Komplexität ergibt sich aus der grundsätzlichen Verweigerung des historisch belegbaren jüdischen Rückkehrrechts bei gleichzeitiger Forderung nach einem umfassenden Rückkehrrecht der arabischen Seite in das Gebiet Israels, welches einen Vertreibungsanspruch gegenüber der derzeitigen jüdischen Bevölkerung inkludiert. Ein weiteres, bislang in den internationalen Diskursen weitgehend ausgeblendetes Problem stellt die Vertreibung von rund 900.000 Juden und Jüdinnen aus arabischen Staaten seit der Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 dar.

Stephan Grigat verweist in diesem Zusammenhang in seinem Artikel Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern darauf, dass von

„über 250.000 marokkanischen Juden nur etwa 2.000 im Land geblieben [sind. B. S.]. In Tunesien lebten 100.000 Juden, heute sind es etwa 1.500. In Ägypten lebten 1948 75.000 und im Irak 135.000 Juden, heute sind es jeweils weniger als 20. Im Jemen waren es etwa 60.000, heute wird ihre Zahl auf 50 geschätzt. Die syrische jüdische Gemeinde ist von 30.000 auf weniger als 15 geschrumpft. In Algerien lebten 1948 140.000 Juden, in Libyen 38.000. In beiden Ländern leben heute überhaupt keine Juden mehr.“[18]

Mit der Vertreibung war zumeist die radikale Enteignung der Juden und Jüdinnen verbunden. Die Summen waren beachtlich. Die World Organisation of Jews from Arab Countries, schätzt, „dass Werte von bis zu 300 Milliarden US-Dollar (nach heutiger Bewertung) zurückgelassen wurden, davon über 100.000 Quadratkilometer Landbesitz“[19], wie Grigat auch anführt. Der Umfang der Entrechtung und Beraubung von Juden und Jüdinnen durch ihre arabischen Heimatländer harrt noch immer einer breiten internationalen Thematisierung und Aufarbeitung.

Vertreter*innen des Postkolonialismus ist die Frage zu stellen, wie sie mit den Untaten der arabischen Staaten, die eine jüdische Flüchtlingswelle durch Vertreibung verursachten, umgehen wollen? Sind die jüdischen Flüchtlinge, die nach ihrer Vertreibung und Beraubung in Israel Zuflucht suchten und fanden, ebenfalls als weiße Kolonisatoren zu interpretieren? Und wenn ja, wie kann diese ideologisch begründete realitätsfremde Verortung mit Fakten legitimiert werden?

VIII. UNWRA, UNO und die Tradierung des Problems

Die Potenzierung der Flüchtlingszahlen war also vorprogrammiert, ebenso künftige Konflikte. Sollte die UNO, die die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) 1949 als temporäres Hilfswerk einsetzte, dies nicht bedacht haben? Masse gegen Fakten ist eine nicht unbedingt neue politische Strategie, die darüber hinaus selten konfliktlösend wirkt. Das UN-Hilfswerk, das derzeit über rund 30.000 Mitarbeiter*innen – 13.000 davon allein im Gazastreifen – verfügt, sah sich nach dem Siebten Oktober mit, gelinde gesagt, erheblichen Vorwürfen hinsichtlich der mehr als mangelhaften Distanz zur Terrororganisation Hamas konfrontiert.[20]

Aufgrund der Tatsache, dass die Tätigkeit der UN-Hilfsorganisation UNRWA alle drei Jahre verlängert werden muss, wäre eine zeitgemäße Hilfsdefinition wohl anzudenken. Diese Möglichkeit stößt im allgemeinen auf den Hinweis, dass ohne UNRWA die Versorgung der Palästinenser*innen im Gazastreifen nicht sichergestellt werden kann. Hier gelangen wir sowohl zur völligen internationalen Hilflosigkeit gegenüber der Korruption der Hamas als auch zu einem kolonialistischen Denken, das der palästinensischen Bevölkerung schlicht die selbständige Befähigung zu ihrer eigenen Versorgung auf der Grundlage der generösen internationalen Hilfsgelder abspricht.[21] In diesem Kontext stellt sich zudem die Frage nach der internationalen und öffentlichen Rechenschaftspflicht der Autonomiebehörde im Umgang mit den Hilfsgeldern sowie der Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung.

IX. Conclusio: Der Realismus?

Diesen Ansatz verbinden wir gerade angesichts des Siebten Oktober 2023 mit der Möglichkeit eines selbständigen Palästinas, dass trotz des Vernichtungsanspruchs gegenüber Israel einer Zwei-Staatenlösung zustimmen würde, und denken an die Ausführungen von Nathan Sznaider vor 21 Jahren, der meinte, Kermani halbherzig zustimmend, dass der Konflikt lösbar wäre:

„Es wird wohl ein unabhängiges Palästina geben, aber damit wird wohl der Konflikt erst beginnen und nicht aufhören. Denn wenn schon Kolonialismus, dann ist Haifa ebenfalls Kolonie. Die Vorstellung, künftig Nachbar eines Staates zu sein, der von einem Arafat oder seinesgleichen geführt wird, lässt mich ans Auswandern denken. Das Schlimme ist, dass die Alternativen noch schrecklicher sein werden.“[22]

In Anbetracht des unbestrittenen Existenzrechts Israels sowie seiner Sicherheitsbedenken auf der einen Seite und des evidenten Fehlens eines grundlegenden politischen Willens der herrschenden islamistisch-palästinensischen Terrororganisation Hamas, mit Israel in friedlicher Koexistenz leben zu wollen, auf der anderen Seite, steht die Frage nach Lösungsmöglichkeiten des Konflikts nach der 21 jährigen Herrschaft der Hamas sowie dem von ihr und ihrer Anhänger*innen begangenen  bestialischen Pogrom vom 7. Oktober 2023, die noch realistisch sein könnten im Zentrum.

BARBARA SERLOTH
ist Politikwissenschaftlerin und Senior Parliamentary Advisor im österreichischen Parlament. Sie forscht und publiziert in den Bereichen Parlamentarismus, Demokratietheorie und Antisemitismus.

(Erweiterte) Literatur

Améry, Jean (2024): Der Neue Antisemitismus, Stuttgart: Klett-Cotta.

Améry, Jean (1969): Der ehrbare Antisemitismus. Die Barrikade vereint mit dem Spießer-Stammtisch gegen den Staat der Juden, in: ZEIT Nr. 30/1969, online unter: https://www.zeit.de/1969/30/der-ehrbare-antisemitismus (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Arendt, Hannah (1989): Die Krise des Zionismus, Berlin: Edition Tiamat,

Arendt, Hannah (1991): Israel, Palästina und der Antisemitismus, Berlin: Wagenbach.

Arendt, Hannah (2024): Über Palästina. Palästina, Israel und die Suche nach einer Lösung, München: Piper.

Arendt, Hannah (1989): Kann die jüdisch-arabische Frage gelöst werden?, in: dies.: Die Krise des Zionismus, Berlin: Edition Tiamat, 198–206.

Elbe, Ingo (2024): Antisemitismus und postkoloniale Theorie. Der „pogressive“ Angriff auf Israel, Judentum und Holocausterinnerung, Berlin: Edition Tiamat.

Grigat, Stephan (2020): Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), online unter: https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/321671/flucht-und-vertreibung-von-juden-aus-den-arabischen-laendern/ (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Honsig-Erlenburg, Manuela (2024): Die UNRWA – ein umstrittenes Hilfswerk, in: Der Standard, 29.01.2024, online unter: https://www.derstandard.at/story/3000000205053/unrwa-ein-umstrittenes-hilfswerk-fuer-die-palaestinenser (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Igel, Leon (2023): Warum die Parole „From the river to the sea“ problematisch ist, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), online unter: https://www.nzz.ch/international/israel-palaestina-warum-from-the-river-to-the-sea-problematisch-ist-ld.1765614 (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Institute for Mediterranean Affairs (2024): Das Palästinensische Flüchtlingsproblem. Ein neuer Ansatz und ein Plan für eine Lösung, in: Arendt 2024: Über Palästina, 43–92.

Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023; orig. 2002): Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser.

Lerner, Abba P. (2024): Das Problem der arabischen Flüchtlinge, in: Arendt 2024: Über Palästina, 29–42.

Martini, Tania/Bittermann, Klaus (2024) (Hg.): Nach dem 7. Oktober. Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen, Berlin: Edition Tiamat.

Meyer, Thomas (2024)(Hg.): Hannah Arendt über Palästina, München: Piper.

Nasser, Maha (2018): “From The River To The Sea” Doesn’t Mean What You Think It Means. A 2018 piece on what the phrase means to Palestinian activists who use it, in: Forward. Jewish. Independent. Nonprofit, online unter: https://forward.com/opinion/415250/from-the-river-to-the-sea-doesnt-mean-what-you-think-it-means/ (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Lauer, Stefan/Potter, Nicholas (2023) (Hg.): Judenhass underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen, Leipzig: Hentrich & Hentrich.

Simons, Jake Wallis (2023): Israelphobie. Die unendliche Geschichte von Hass und Dämonisierung, Berlin: Edition Tiamat.

Steinvorth, Daniel (2021): Die Praxis der EU bei der Finanzierung der Palästinenser wirft Fragen auf, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), online unter: https://www.nzz.ch/international/eu-finanzierung-der-palaestinenser-wirft-fragen-auf-ld.1626996 (letzter Zugriff: 01.09.2024).

Sznaider, Natan (2024): Die jüdische Wunde. Leben zwischen Anpassung und Autonomie, München: Hansen.

Vukadinović, Vojin Saša (2024) (Hg.): Siebter Oktober Dreiungzwanzig. Antizionismus und Identitätspolitik, Berlin: Querverlag.

Wistrich, Robert S. (1990): Anti-Zionism and Antisemitism in the Contemporary World, London: MacMillan.


[1] Der Pogrom – ausgeübt an israelischen Bürger*innen mit unterschiedlichem ethnischem und kulturellem Hintergrund und jenen, die sich zum Zeitpunkt der Verbrechen einfach in Israel aufhielten – durch Terroristen der Hamas offenbarte eine unvorstellbare Brutalität der Täter*innen und einen erschreckenden Siegesrausch der Mehrheit der Bevölkerung im Gazastreifen. Wir vernachlässigen in diesem Essay den Großteil der Details, über die jeder Interessierte sich umfassend informieren kann und wählen eine rein politikwissenschaftlich geprägte Gesprächsebene, auf der wir uns einigen Ambivalenzen im Rahmen des Themas stellen.

[2] Vgl. Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023): Sznaider Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser, 25.

[3] Vgl. Sznaider, Natan (2024): Die jüdische Wunde. Leben zwischen Anpassung und Autonomie, München: Hansen, 208.

[4] Vgl. Igel, Leon (2023): Warum die Parole „From the river to the sea“ problematisch ist, in Neue Zürcher Zeitung (NZZ), online unter: https://www.nzz.ch/international/israel-palaestina-warum-from-the-river-to-the-sea-problematisch-ist-ld.1765614 (letzter Zugriff: 01.09.2024). Igel bezieht sich hier auf: Nasser, Maha (2018): “From The River To The Sea” Doesn’t Mean What You Think It Means. A 2018 piece on what the phrase means to Palestinian activists who use it, in: Forward. Jewish. Independent. Nonprofit, online unter: https://forward.com/opinion/415250/from-the-river-to-the-sea-doesnt-mean-what-you-think-it-means/ (letzter Zugriff: 01.09.2024).

[5] Nasser formuliert hier in bedenklicher Weise: “The date is important. On November 29th, 1947, the United Nations General Assembly voted to partition Palestine into a Jewish state and an Arab state. While Jews in Palestine rejoiced, the country’s Arabs bitterly opposed the partition plan. The reason was that they saw all of Palestine – from the river to the sea – as one indivisible homeland.”

[6] Vgl. Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023): Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser, 21.

[7] Womit die Frage nach der rechtlichen Grundlage allerdings nicht beantwortet ist. Moralische Anliegen von einer Gruppe von Menschen oder Vertreter*innen einer Ideologie sind keine Rechtsgrundlagen. Juden werden in zentralen Werken (u. a. des Postkolonialismus) als „weiße Kolonisatoren“ bezeichnet, womit wir es mit einer strikt vereinfachenden Täter-Opfer-Umkehr zu tun haben. Der „globale Norden“ (und als „weiß“ gelesene Menschen) sind „Täter“, der globale Süden (und „nicht als weiß“ gelesene Menschen) sind „Opfer“.

[8] Wir verwenden als Grundlage unserer Ausführungen die Zusammenfassung des Berichts des Institutes for Mediterranean Affairs von Abba P. Lerner, der unter dem Titel Das Problem der arabischen Flüchtlinge in folgendem Band publiziert wurde: Arendt, Hannah (2024): Über Palästina. Palästina, Israel und die Suche nach einer Lösung, München: Piper, 29–42. Darauf folgend findet sich hier auch der Bericht selbst unter dem Titel: Das Palänsinensische Flüchtlingsproblem. Ein neuer Ansatz und ein Plan für eine Lösung, in: Arendt 2024: Über Palästina, 43–92.

[9] Vgl. Lerner, Abba P. (2024): Das Problem der arabischen Flüchtlinge, in: Arendt 2024: Über Palestina, 34–70, 64.

[10] Vgl. Améry, Jean (1969): Der ehrbare Antisemitismus. Die Barrikade vereint mit dem Spießer-Stammtisch gegen den Staat der Juden, in: ZEIT Nr. 30/1969, online unter: https://www.zeit.de/1969/30/der-ehrbare-antisemitismus (letzter Zugriff: 01.09.2024). Vgl. auch Améry, Jean (2024): Der Neue Antisemitismus, Stuttgart: Klett-Cotta.

[11] Ein nicht genannter Berater von Scharon.

[12] Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023): Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser, 30.

[13] Vgl. Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023): Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser, 22.

[14] Ebd. 60.

[15] Vgl. Arendt, Hannah (1991): Kann die jüdisch-arabische Frage gelöst werden?, in: dies.: Israel, Palästina und der Antisemitismus, Piper, 109–115, 111.

[16] Ebd. 114.

[17] Siehe Akzeptanz der ersten Zweistaatenlösung durch Israel, jedoch nicht von der palästinensisch-arabischen Seite.

[18] Vgl. Grigat, Stephan (2020): Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), online unter: https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/321671/flucht-und-vertreibung-von-juden-aus-den-arabischen-laendern/ (letzter Zugriff: 01.09.2024).

[19] Ebd.

[20] Vgl. Honsig-Erlenburg, Manuela (2024): Die UNRWA – ein umstrittenes Hilfswerk, in: Der Standard, 29.01.2024, online unter: https://www.derstandard.at/story/3000000205053/unrwa-ein-umstrittenes-hilfswerk-fuer-die-palaestinenser (letzter Zugriff: 01.09.2024).

[21] Bereits 2021 schrieb Daniel Steinvorth in der NZZ: „Laut der EU-Kommission ist die Union die grösste Geldgeberin in den palästinensischen Gebieten. Rund 1,28 Milliarden Euro stellte sie im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik zwischen 2017 und 2020 für die Finanzierung der Autonomiebehörde, für die Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge und für wirtschaftliche Entwicklungsprojekte im Westjordanland, aber auch im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem bereit. Zusammen mit den Direkthilfen aus den Mitgliedstaaten summierten sich die Zahlungen an die Palästinenser im selben Zeitraum auf 2,3 Milliarden Euro.“ Vgl. Steinvorth, Daniel (2021): Die Praxis der EU bei der Finanzierung der Palästinenser wirft Fragen auf, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), online unter: https://www.nzz.ch/international/eu-finanzierung-der-palaestinenser-wirft-fragen-auf-ld.1626996 (letzter Zugriff: 01.09.2024).

[22] Vgl Kermani, Navid/Sznaider, Natan (2023; orig. 2002): Israel. Eine Korrespondenz, München: Hanser,52.