Wissenschaftsstadt mit Haltung: Wie Wien Zukunft gestaltet VON EVA SAMEL

EWA SAMEL, Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Kultur- und Wissenschaftsausschusses der Stadt Wien, gibt in diesem Beitrag einen Einblick in die Zukunft Wiens als europäische Forschungs- und Innovationsmetropole. Der Artikel erläutert, wie Wissenschaft, Kultur und gesellschaftliche Verantwortung in Wien ineinandergreifen – vom Otto-Wagner-Areal über Künstliche Intelligenz bis hin zu Citizen Science.

I. Einleitung

Wien ist weit über seine Grenzen hinaus bekannt für seine hohe Lebensqualität, ein funktionierendes Gesundheitssystem und ein reiches kulturelles Erbe. Doch jenseits von Wohnbau, Musik und Museen etabliert sich Wien immer klarer auch in diesem Jahrtausend als Wissenschaftsstadt – als Ort, an dem kluge Köpfe Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit finden.

Mit neun öffentlichen Universitäten, mehreren Privatuniversitäten und Fachhochschulen verfügt Wien über ein dichtes Netz an wissenschaftlichen Institutionen. Diese Einrichtungen sind nicht nur Orte der Lehre und Forschung, sondern prägen auch das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Stadt. Die Wiener Standortpolitik verfolgt dabei ein klares Ziel: Wissenschaft, Bildung und Innovation als tragende Säulen einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung zu verankern.

II. Neuer Raum für Wissen: Das Otto-Wagner-Areal

Ein herausragendes Beispiel dieser Strategie ist das Otto-Wagner-Areal auf der Baumgartner Höhe. Wo einst medizinische Versorgung im Zentrum stand, entsteht heute ein neues Zentrum für Wissenschaft, Kultur und Bildung. Die historische Architektur wird behutsam revitalisiert, um Raum für interdisziplinäre Lehre, Forschung, Kunst und soziale Initiativen zu schaffen. Die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) soll hier ebenso eine neue Heimat finden wie Forschungseinrichtungen und Bildungsinitiativen. Dabei bleibt auch die Geschichte des Ortes sichtbar – mit einer aktiven Gedenkfunktion rund um die frühere Nutzung als Spital.

Wissenschaft bedeutet für Wien mehr als Exzellenz in Forschungslaboren. Es geht um Austausch, Offenheit und Vernetzung. Wien will die besten Köpfe halten und neue Talente anziehen – mit einem klaren Bekenntnis zur internationalen Wissenschafts-Community. Der „Markt der Wissenschaftler*innen“ ist global – Wien punktet hier mit einem funktionierenden Wohnungsmarkt, kostenloser Kinderbetreuung, einem breitgefächerten Kulturangebot und einem Umfeld das Wissenschaftsfreiheit gewährleistet.

III. Interdisziplinär und praxisnah: Forschen im 21. Jahrhundert

Forschung ist in Bewegung, das Tempo steigt. Interdisziplinarität ist heute keine Option, sondern Notwendigkeit. Die Trennlinien zwischen Disziplinen, Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen verschwimmen zunehmend. Wissenschaftler*innen arbeiten heute gemeinsam an Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Gesundheit oder nachhaltiger Stadtentwicklung. Wien setzt gezielt auf Kooperationen – etwa in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Life Sciences oder Public Health.

Ein besonders starkes Feld ist die Medizin – traditionell mit Wien verbunden und heute international sichtbar. Hier zeigt sich, dass Wien an alte wissenschaftliche Höhen anknüpfen kann. In der Biologie, Chemie und Informatik entstehen exzellente Projekte, oft in Zusammenarbeit mit internationalen Partner*innen.

Ewa Samel © Foto: Minitta Kandlbauer

IV. Hightech für die Zukunft: Die Bewerbung um eine AI-Gigafactory

Dabei braucht es mehr als gute Ideen. Moderne Wissenschaft verlangt Infrastruktur – von Laboren über Supercomputer bis hin zu Rechenzentren. Deshalb hat sich Wien jüngst für eine der geplanten europäischen “AI-Gigafactories” beworben – ein Hightech-Zentrum für KI-Entwicklung, das höchste Anforderungen an Datenschutz und Energieeffizienz erfüllen muss. Die Bewerbung wurde durch ein starkes Konsortium aus Wirtschaft und Politik ermöglicht – ein Zeichen für die gute Zusammenarbeit in der Stadt.

Gleichzeitig ist Wissenschaft kein Nischenthema – zigtausende Menschen arbeiten in Wien in diesem Bereich. Forschung ist ein realer Wirtschaftsfaktor und Voraussetzung für Innovation, Arbeitsplätze, prägend für ein sozial gerechtes Miteinander und Grundlage für Stabilität im Arbeitsmarkt. Damit diese Dynamik erhalten bleibt, braucht es auch ausreichende finanzielle Ausstattung der Universitäten. Im internationalen Vergleich zeigt sich: In Österreich fließt ein überproportional großer Anteil der Forschungsförderung in die Industrie, während die akademischen Einrichtungen oft mit begrenzten Ressourcen haushalten müssen. Hier ist die Politik gefragt, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Hochschulen zu sichern.

V. Der WWTF: Förderstruktur mit Wirkung

Die Förderung von Wissenschaft darf sich nicht allein an ökonomischen Interessen orientieren – sie ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Dieses Ideal spiegelt sich in Programmen wie dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), der 2024 etwa im Bereich AI & Machine Learning drei hochqualifizierte Jungwissenschafter*innen für Wiener Forschungseinrichtungen gewinnen konnte. Gemeinsam mit der WE&ME Foundation wurde zudem ein Fördercall zu ME/CFS ins Leben gerufen – ein Beispiel dafür, wie Forschung unmittelbar zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Ziel ist es hier bessere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene zu schaffen.

Die Stadt verfolgt darüber hinaus ambitionierte Strategien, etwa mit der „Smart Klima City Strategie“ oder der „Wirtschafts- und Innovationsstrategie 2030“. Ziel ist, Wien zu einer der führenden Metropolen für Forschung und Entwicklung in Europa zu machen. Gleichzeitig wird bewusst auf Werte wie Digitaler Humanismus, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung gesetzt. Innovation soll nicht nur effizient, sondern auch menschenzentriert und ethisch vertretbar sein.

VI. Citizen Science und Wissenschaftsvermittlung

Wissenschaft in Wien lebt auch vom Vertrauen der Bevölkerung. Deshalb legt die Stadt ein besonderes Augenmerk auf die Wissenschaftsvermittlung, den Bereich der Citizen Sciences und die Chancengleichheit. Formate zur Beteiligung und niedrigschwellige Zugänge sollen möglichst viele Menschen anregen, Wissenschaft mitzugestalten – und so dem wachsenden Misstrauen gegenüber wissenschaftlicher Erkenntnis entgegenwirken. Denn nur eine informierte und aktive Stadtgesellschaft kann die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.

Ein zentrales Ziel bleibt ebenso, Frauen in Wissenschaft und Forschung sichtbarer zu machen und gezielt zu fördern. Die Gleichstellung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Qualität.

VII. Kostenlose Kultur- und Wissenschaftserlebnisse: Neue Broschüre der Stadt Wien bietet Überblick

Dass viele der Kultur- und Wissenschaftsangebote für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind, macht die Stadt besonders lebenswert. Mit der neu erschienenen Broschüre Freier Eintritt in ganz Wien lädt die Stadt dazu ein, eine Vielzahl an Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen ohne Eintrittskosten zu entdecken. Eine ausgezeichnete Orientierungshilfe bei der Bandbreite an Angeboten.

Broschüre Freier Eintritt in ganz Wien © Foto: Stadt Wien / Markus Wache, online unter: https://www.wien.gv.at/freizeit/pdf/broschuere-freier-eintritt.pdf (letzter Zugriff: 01.08.202)

Ob Galerien, Ausstellungen, Vorträge oder wissenschaftliche Veranstaltungen – die Broschüre fasst zusammen, wo in Wien Kultur und Wissen gratis erlebbar sind. Dabei wird deutlich: Kunst und Wissenschaft sind in Wien nicht nur traditionsreich verankert, sondern auch für alle da. Gerade in einer Zeit, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt und Informationskompetenz zunehmend gefordert sind, setzt Wien ein klares Zeichen für Offenheit, generationenübergreifende Teilhabe und Bildung.

VIII. Conclusio: Wissenschaft in Wien – sichtbar, wirksam, für alle

Wien ist bereit für die Zukunft, investiert in Talente, schafft verlässliche Strukturen, fördert junge Forscher*innen und baut Brücken zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Stadt versteht sich als Gastgeberin für internationales Wissen, als Ermöglicherin von Innovation und als Bewahrerin humanistischer Bildungsideale. Wien soll ein Ort bleiben, an dem Wissenschaft nicht nur betrieben wird – sondern spürbar wirkt. In unseren Universitäten, Unternehmen, Klassenzimmern, Parks, Forschungslaboren und Theatern. Eine lebendige Stadt für eine lebendige Wissenschaft.

EWA SAMEL

ist Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Kultur- und Wissenschaftsausschusses der Stadt Wien.

Abstract:

Wien positioniert sich als zukunftsorientierte Wissenschaftsmetropole. Die Stadt verbindet Spitzenforschung mit gesellschaftlicher Verantwortung und hoher Lebensqualität. Mit gezielten Investitionen in Infrastruktur, Schlüsseltechnologien und Nachwuchsförderung schafft Wien ein inspirierendes Umfeld für Talente aus aller Welt. Wissenschaft wird dabei nicht nur als Standortfaktor, sondern als Grundlage für sozialen, kulturellen und ökonomischen Fortschritt verstanden.