Peace Please! Ein Interview – VON KATRIN WEIDHOFER UND ELISABETH KAISER

Katrin Weidhofer hat unseren Leser*innen freimütig ihre Werke für die Bildstrecke dieser Ausgabe der ZUKUNFT zur Verfügung gestellt und war darüber hinaus bereit, Elisabeth Kaiser ein Interview zu geben … Lesen Sie selbst!

Elisabeth Kaiser (E. K.): Liebe Katrin, ich freue und bedanke mich gleichzeitig, dass Du Arbeiten von Dir in unserer aktuellen Ausgabe der ZUKUNFT zeigst und Dich als Künstlerin vorstellst. Diese Ausgabe befasst sich mit Europa, europäischer Politik und damit, wie Europa sich entwickeln könnte. Schön, dass Du Dich auch bereit erklärt hast, mit mir ein Interview zu führen. Du arbeitest auf Leinwand, aber nicht ausschließlich. Vielleicht magst Du uns eingangs etwas über Deinen künstlerischen Schaffensprozess erzählen? Wie gestaltet sich Deine künstlerische Arbeit und spielen hierbei Grenzen für Dich eine Rolle?

Katrin Weidhofer (K. W.): Ich dachte immer schon, dass meine Intuition klüger ist als ich es bin und dass ich ihr zu folgen habe. Deshalb skizziere ich nichts. Anders gesagt, ich habe keinen Plan, aber der Plan hat mich. Und so verhalte ich mich im Atelier. Als Werkzeug, um jene Bilder freizulassen, die aus dem Gemenge der Welt in mir entstanden sind.

Ich würde meinen künstlerischen Prozess in drei Ebenen beschreiben. Beginnend mit Farbe, die ich lose über die Leinwand schütte, definiere ich die Grundstimmung des Bildes. Das ist ein sehr unkontrollierbarer Prozess und es ist immer wieder überraschend, wie sich die Farbe durch Zugabe von Wasser verhält und wie sie schließlich eintrocknet. Danach setze ich die Collage auf die Leinwand. Hier beginnt die Inszenierung. Das Collagen-Bild ist konkret und in sich geschlossen in Aussage und Form. Im dritten Schritt überziehe ich diese Ebenen mit gestickten Linien und verbinde sie durch kontinuierliches Überarbeiten zu einem Ganzen.

Grenzen fühle ich dabei keine. Weil ich in jenem Bereich tätig bin, indem ich gut bin. Das mag vielleicht kokett klingen, aber ich denke an Goethe der gesagt hat, dass es nicht darum geht, was wir wollen, sondern darum was wir können. Wenn wir unsere Anlage erkennen, die bei jedem woanders liegt, und es tatsächlich schaffen, ihr nachzukommen, dann können wir uns entwickeln, indem wir unsere Fähigkeiten entwickeln. Dann gibt es keine Grenzen, zumindest keine Inneren.

E. K.: Eine Arbeit von Dir zeigt den Text „Was kommt nach der Zukunft“. Welche Bedeutung hat Zukunft für die Gegenwart? Welche Bedeutung hat die Zukunft für die Gesellschaft und wie wichtig ist Deiner Ansicht nach die Auseinandersetzung mit der Zukunft?

K. W.: Ich frage nach dem Nach der Zukunft, weil in unseren Köpfen die Zukunft in gewisser Weise bereits abgebildet ist. Wir haben Vorstellungen, Hoffnungen, Ziele, auch Ängste, die uns als Wegweiser dienen. Wir versuchen, unsere Zukunft zu manifestieren, aber wie es tatsächlich wird, wissen wir nicht. Wir wünschen uns das eine, aber oft kommt das andere. Wir müssen also mit einer Kollision unserer Vorstellung mit der Realität zurechtkommen. In meiner künstlerischen Arbeit sieht das so aus, dass ichmein Wissen um die Vergangenheit mit meiner Vorstellung von der Zukunft verbinde, um ein Bild des Jetzt zu erschaffen.

Ich finde die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Zukunft ausgesprochen wichtig, allerdings wird der Diskurs in einer sehr angstvollen Weise geführt. Wir sollten darauf achten, dass uns die Angst dabei nicht vereinnahmt. In einer meiner Arbeiten habe ich den Satz formuliert: „There ist more good than bad, otherwise it would have been already too late“. Und so meine ich es. Da draußen gibt es viel Übles, aber noch viel mehr Gutes und das sollten wir uns konsequent vor Augen halten. Ich bin also für Hoffnung als Modell für die Zukunft. Denn selbst wenn unsere Hoffnungen enttäuscht werden, haben wir uns bewegt und vielleicht sogar in die richtige Richtung.

E. K.: In Deinen Arbeiten erkenne ich oftmals Körper, vor allem den weiblichen Körper. Was willst Du damit ausdrücken? Wie politisch ist Körperlichkeit und welche Bedeutung hat der weibliche Körper in Deinen künstlerischen Arbeiten?

K. W.: Ich habe sehr früh begonnen in meiner Arbeit den Fokus auf den weiblichen Körper zu lenken, weil das meine Erfahrung ist, mit einem weiblichen Körper durch die Welt zu gehen. Es ging früh los, mit den Blicken und Beurteilungen von Außen, dem Male Gaze wenn man so will, dem Female Gaze, den es genauso gibt, den Schönheitstrends – die Liste der Beurteilungen eines weiblichen Körpers ist unendlich lang. Ich habe anfänglich versucht, mitzuspielen, und es irgendwann als Gefängnis empfunden. Nun in meinen 40ern bemerke ich, dass selbst der weibliche Alterungsprozess ein Tabu ist. Darin liegt eine Möglichkeit für Riot.

Ist doch unser Körper, egal ob weiblich, männlich oder divers jenes Instrument, mit dem wir die uns umliegende Welt erfühlen können. Das ist etwas unglaublich Wertvolles und auch etwas das wir in der Debatte um die reine Äußerlichkeit des Körpers völlig vergessen: die Gesundheit des Körpers, die Liebe zum Körper, die Dankbarkeit dem Körper und seinen Fähigkeiten gegenüber. Vor allem aber Wohlwollen und Akzeptanz gegenüber allen anderen Körpern jeglicher Form und Couleur. Wenn ich daran denke, wie viel negative Selbstbeschau bei jungen Frauen und auch bei mir durch die Standards einer Beautyindustrie oder den Illusionen der Filter ausgelöst werden – nicht gut genug, nicht schön genug, nicht jung genug zu sein – empfinde ich das als Verbrechen, gegen das wir uns zu wehren haben. Also ja, der Körper ist zwar höchst privat, aber deshalb immer politisch.

E. K.: Welche Rolle spielt im Blick auf Dich und Deine Kunst die Betrachtung von außen?

K. W.: Kunst besitzt für mich die Fähigkeit, Türen in meinem Kopf zu öffnen, von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe. Es ist doch großartig, wenn Du durch reines Betrachten eines Bildes oder Lesen eines Buches die Welt plötzlich aus einem anderen Blickwinkel siehst. Kunst hält den Geist elastisch. Für mich dient sie als Werkzeug, das mir hilft, mich mit meiner Existenz auseinanderzusetzen. Sie bildet einen heilsamen Raum, in dem ich so sein kann, wie es für mich nötig ist. Aber sie verschont mich auch nicht, stellt meine Neurosen, meine Ängste mitten in ein Bild. Indem ich mich beobachte, beobachte ich die Welt. Und wenn ich es schaffe, meine subjektive Erfahrung auf eine objektive Ebene herunterzubrechen, sodass sich die Betrachter*innen darin wiederfinden können, habe ich meine Funktion als Künstlerin erfüllt.

E. K.: Liebe Katrin, am 09. Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt? Welchen Stellenwert hat für Dich europäische Politik?

K. W.: Ein gemeinsames, sozial gerechtes, wirtschaftlich starkes, ethisch fortschrittliches und vor allem ein friedliches Europa ist ein Mammut-Projekt, indem jede einzelne Stimme vonnöten ist. Go vote!

E. K.: Was wünscht Du Dir von einem zukünftigen Europa?

K. W.: PEACE PLEASE!

E. K.: Ich danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg, Freude und Erfüllung in Deinem künstlerischen Schaffen.

KATRIN S. WEIDHOFER

wurde in Steyr geboren. Sie studierte Theater,- Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und anschließend Malerei an der Universität für angewandte Kunst. Ihr künstlerischer Schwerpunkt liegt auf erweiterten Collagen, in denen sie Stickereien, Text, Zeichnungen, Sound und Videomaterial installativ remixt. Thematisch kreist sie um Identität, Emanzipationsprozesse und Strategien des Selbst. Sie war Studienassistentin und Tutorin an der Universität für angewandte Kunst. Ihr Diplom 2021 wurde mit dem Anerkennungspreis der Stadt Wien gewürdigt. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Wien. Weitere Informationen unter:

instagram:@katrin_s_weidhofer und www.katrinweidhofer.com.

ELISABETH KAISER

hat das Diplomstudium Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien sowie den Masterlehrgang „Führung, Politik und Management“ am FH Campus Wien abgeschlossen. Aktuell absolviert sie das Psychotherapeutische Propädeutikum an der Universität Wien. Von 2008 bis 2016 hat sie in der Funktion der Geschäftsführerin den Verein ega:frauen im zentrum geleitet. Seit Mitte 2016 ist sie als stellvertretende Direktorin der Wiener Bildungsakademie (wba) tätig.