Dass das künstlerische Bild ‚nur‘ in den Augenblicken seiner Produktion und Betrachtung sinnfällig und somit „real existent“ wird, habe ich an anderer Stelle (Zukunft, Nr03) argumentiert. Wie aber gewinnt das subjektiv bleibende Bild für die Gesellschaft Sinn und Bedeutung? Tritt die Gesellschaft über die Bildautorinnen und die Bildbetrachterinnen gleichsam in das Kunstwerk ein? Wird sie vom Bild mit repräsentiert? Wenn die Gesellschaft, wie Bourdieu u. a. sagten, ein System aller Systeme und somit von diversen und antagonistischen Interessen, Meinungen, Praktiken, politischen Deutungen, Kämpfen und Lösungen ist, erlangt dann auch ein abstraktes Bild der späten Moderne einen ‚bedeutenden‘, wenn auch marginalen Platz in der Gesellschaft?
Das Fundament bildnerischer Künste ist ohne Zweifel die Erfindung von Zeichen an Höhlenwänden, an Hauswänden und so fort. Die Bilder Scratched Lines und Storyboard gehen gleichsam an den prähistorischen Anfang zurück. In beiden Fällen ist es – entgegen dem herkömmlichen Verständnis von Kunst – das imperfekte, atavistische Zeichen mit einem limitierten Einsatz von Farbe. In den Bildern Birken, Textil und Tabaco werden mit derselben Technik Linien, Farben und Formen erzeugt, in denen die Farblichkeit bedeutsam hinzutritt und trotz oder sogar aufgrund der Abstraktheit Gegenstände erkennbar macht. Was die Betrachterinnen und Gestalterinnen hier vor allem berührt, ist die haptische Qualität: Die brüchige Rinde der Birken ist beinahe zu tasten, obschon sie eben nicht abgemalt ist. Textil präsentiert ein Gewebe, das stärker ist als der einzelne Faden; es überlebt auch lange Zeit unter der Erde und auch ohne Licht.